Mit Carlo Ancelotti kehrt in Brasilien der Glaube an sechsten WM-Titel zurück
Carlo Ancelotti ist in Brasilien gelandet, um sein Amt als brasilianischer Nationaltrainer anzutreten.
29.05.2025 | 20:53 Uhr
Dort folgt der italienische Welt-Trainer auf den Ende März entlassenen Dorival Junior, der mit dem brasilianischen Nationalteam während seiner 15-monatigen Amtszeit weit hinter den hohen Erwartungen zurückgeblieben war. Mit Ancelotti sollen große Titel und die Liebe zum Spiel zurückkehren, die Hoffnungen der Brasilianer sind groß.
Aus Brasilien berichtet Niklas Korzendorfer
Bei seiner Ankunft gab es in Rio de Janeiro kein Halten mehr!
Carlo Ancelotti ist am Montag in Brasilien von zahlreichen jubelnden Fans euphorisch und mit großer Vorfreude empfangen worden, um die schwierige Aufgabe als brasilianischer Nationaltrainer anzutreten. Der Italiener ist bereits der vierte Trainer der kriselnden Selecao in den vergangenen zwei Jahren. Mit dem fünfmaligen Champions-League-Sieger, der bis vor Kurzem noch Real Madrid coachte, sollen trotzdem möglichst schnell sportliche Erfolge zurückkehren.
"Ich habe eine große Aufgabe vor mir und habe große Hoffnungen, dass Brasilien wieder Weltmeister wird", sagte Ancelotti bei seiner Antrittspressekonferenz und unterstreicht damit seine Motivation, die zuletzt sportlich blasse Selecao innerhalb eines Jahres zum sechsten WM-Titel (Alle Infos zur WM 2026) der Verbandsgeschichte führen zu wollen.
Selecao-Fans voller Zuversicht
Ein weiteres Mal ist die Erwartung des zuletzt erfolglosen Rekordweltmeisters aus Südamerika groß, mit einem neuen Trainer von Weltformat zu alter Stärke zurückzufinden.
"Wir haben die Freude am Fußball verloren, aber mit Ancelotti wird das bald anders sein. Ich habe große Hoffnungen und - da spreche ich im Namen aller Brasilianer, wenn ich sage, dass wir mit ihm den sechsten WM-Titel erwarten", sagt Selecao-Fan Lui aus Campinas.
Ancelotti ist der erste Nicht-Brasilianer als offizieller Selecao-Coach
Trotzdem gibt es auch Zweifel einiger Anhänger an der Trainerlegende. Denn der 65-Jährige ist der erste Nicht-Brasilianer, der ganz offiziell und dauerhaft das Amt als Trainer der legendären Selecao ausübt.
"Ich hätte mir einen brasilianischen Trainer gewünscht - schließlich sollte die Nationalmannschaft auch ein Stück nationalen Stolzes repräsentieren. Aber wenn ich die internationalen Trainer vergleiche, ist Ancelotti ganz klar der Beste für diesen Job", meint Guilherme aus Sao Paulo.
Letzter Titel im Jahr 2019
Die brasilianischen Fußballfans träumen von vergangenen Zeiten, als die Selecao 2002 letztmals den WM-Triumph feiern konnte. Damals glich das Team von Trainer Luiz Felipe Scolari beinahe einer Weltauswahl - gespickt mit Stars wie Ronaldinho, Cafu, Roberto Carlos, Rivaldo und dem zweifachen Ballon d'Or-Gewinner Ronaldo, der gegen Deutschland im WM-Finale von Yokohama beide Treffer (2:0) zum Titel erzielte.
Diese erfolgreichen Zeiten sind längst Geschichte, überwiegen in der Heimat des schönen Spiels zuletzt vor allem sportliche Enttäuschungen. Den letzten Titel feierte die Selecao im Jahr 2019, als sie im Finale der Copa America Peru mit 3:1 im altehrwürdigen Maracana-Stadion besiegten.
Brasilien wartet seit 23 Jahren auf den WM-Titel
Seit knapp sechs Jahren wartet Brasilien auf einen Titel, 23 (!) lange Jahre sind mittlerweile seit dem letzten WM-Titel vergangen. Immer wieder musste Brasilien herbe Rückschläge einstecken. Auf die 1:7-Schmach im Halbfinale gegen Deutschland bei der brasilianischen Heim-WM 2014 folgte 2018 das Aus im Viertelfinale gegen Belgien (1:2), ehe für die Selecao auch bei der Weltmeisterschaft in Katar 2022 erneut in der Runde der letzten Acht gegen Kroatien (2:4 n. E.) Endstation war. Erschwerend hinzu, kam dabei der Umstand, dass ausgerechnet der ewige Rivale Argentinien Weltmeister wurde.
"Wir konnten das nicht glauben. Wir sind Brasilien und haben gegen Kroatien verloren. Wir dachten uns, das kann nicht wahr sein", sagt Valdo, ein weiterer Selecao-Anhänger aus dem Städtchen Braganca Paulista, knapp anderthalb Stunden entfernt von Sao Paulo. "Jetzt haben wir aber viel mehr Vertrauen, weil Carlo Ancelotti hier ist", ergänzt er.
Joga Bonito adios? Brasilien verliert seine Werte
Doch was ist in den vergangenen Jahren passiert im Land, wo das Herz des Fußballs schlägt? Stichwort Jogo Bonito - das bedeutet trickreicher, attraktiver und kreativen Offensivfußball. Die brasilianische Spielfreude, diese Straßenfußballer-Mentalität ist der Selecao in der jüngeren Vergangenheit wahrlich abhandengekommen.
Keine Frage: Brasiliens aktueller Kader ist mit einigen großen Namen und Ausnahmekönnern gespickt. Vinicius Jr. (Real Madrid), Raphinha (Barcelona) und Rodrygo (Real) verkörpern kreativen und pfeilschnellen Offensivfußball wie sonst nur wenige Spieler auf diesem Planeten, funktionieren als Team aber zu selten.
"Ancelotti kann die Mannschaft wieder zusammenbringen. Wir haben gute Einzelspieler, aber wir brauchen ein Teamgefüge, nicht nur Individualisten", sagt Guilherme.
Ohne Neymar und Rodrygo: Das ist Ancelottis erste Kadernominierung
Trotz aller Probleme könnte Brasilien unter dem neuen Chef "Don Carlo" in den bevorstehenden Duellen in Ecuador (5. Juni) und gegen Paraguay (10. Juni) vorzeitig das Ticket für die WM-Endrunde im kommenden Jahr sichern. Aktuell verweilt Brasilien auf dem vierten Tabellenplatz der südamerikanischen WM-Qualifikation hinter Argentinien, Ecuador und Uruguay.
Bei Ancelottis erster Kaderbekanntgabe wird klar: Der Italiener setzt auf eine Mischung aus Erfahrung und Jugend. Nicht dabei sind Superstar Neymar und Real Madrids Rodrygo, der wohl aus gesundheitlichen Gründen fehlt.
Ancelotti muss aus Individualisten ein Team formen
Ancelotti steht vor der Mammutaufgabe, aus fußballerisch ausgezeichneten Individualisten in etwas mehr als 300 Tagen ein Team zu formen, das am 20. Juli 2026 mit dem WM-Pokal im Gepäck aus New Jersey in die Heimat reist. "Hier in Brasilien sagen wir: Eu acredito no hexa - das heißt: Wir glauben fest an den sechsten WM-Titel", erklärt Valdo stolz.
Eines ist sicher: Sollte Brasilien mit Ancelotti den Titel holen, gibt es im ganzen Land kein Halten mehr - wie schon bei seiner Ankunft …
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