Reingegrätscht - die Kolumne von Kai Psotta*
12.08.2017 | 15:50 Uhr
Das Wechsel-Theater um Ousmane Dembélé nimmt kein Ende. Dem Franzosen ist wohl jedes Mittel recht, um seinen Wechsel zum FC Barcelona zu erzwingen. Unser Kolumnist Kai Psotta rechnet mit dem 20-Jährigen ab.
Heute stelle ich mich mal ganz naiv. Und äußere meine Wünsche, in dem Wissen, dass sie leider niemals Wirklichkeit werden. Ich wünsche mir, dass der Transfer von Ousmane Dembélé zu Barcelona platzt. Ich wünsche mir, dass er, der seine Mannschaft so im Stich gelassen hat, mit gesenktem Haupt bei seinen Mitspielern wieder angekrochen kommen muss, und sie ihn spüren lassen, wie egoistisch, unwürdig und mies sein Verhalten war. Ich will Dembélé sehen, wie er sich bei jedem einzelnen BVB-Spieler per Handschlag entschuldigt, dafür, dass er unentschuldigt dem Training ferngeblieben ist.
Grundsätzlich kann ich den Jungen ja sogar verstehen, dass ihm das Interesse von Barcelona den Kopf verdreht. Dass er sich verrückt machen lässt, von einem möglichen um ein vielfaches höheres Gehalt. Und dass er sich danach sehnt, bei seinem Traumverein zu landen, bei dem nun mal jetzt gerade nach dem Weggang von Neymar jr. ein Platz freigeworden ist.
Die Methoden, mit denen er sich allerdings aus Dortmund wegstehlen will, gehen aber gar nicht. So verhält man sich nicht. Seinen Verein, dem Dembélé ohne Frage auch einiges zu verdanken hat, so zu brüskieren ist, ungeheuerlich!
Ich wünsche mir, dass er das Unverständnis von sämtlichen BVB-Mitspielern spürt. Denn nur dann sehe ich eine Chance, dass er sein Handeln wirklich mal hinterfragt.
Ich will nicht den Moral-Apostel spielen: dass Spieler wechseln, ist in Ordnung. Dass sie nach nur einem Jahr einen Verein wieder verlassen wollen, verstehe ich auch. Vor allem, wenn man die Chance geboten bekommt, bei Barcelona zu landen. Es ist die Art, die mich aufregt!
Ich habe mal sehr lange mit Mesut Özil gesprochen. Nach einem heftigen Streit mit Jose Mourinho, seinem damaligen Trainer bei Real Madrid, hat Özil in der Halbzeit sein Trikot ausgezogen, und es dem Portugiesen mit den Worten "Wenn du so geil bist, dann spiel du doch" vor die Füße geschmissen. Dann ist er in seiner Wut auf den Trainer in die Dusche gestapft.
Özil hat wenig später erkannt, dass er einen großen Fehler gemacht hat. So erzählte er mir, wie er noch in derselben Nacht realisierte: "Was bin ich nur für ein verdammtes Arschloch. Ich war so ein Idiot! Ich hatte meine Mannschaftskollegen total im Stich gelassen. Die konnten überhaupt nichts dafür, hatten überhaupt keinen Anteil am Streit. Und trotzdem hatte ich mich geweigert, ihnen in der zweiten Halbzeit zu helfen. Obwohl ich doch auf Mourinho sauer war, hatte ich sie mit meinem Verhalten bestraft." Noch am selben Abend entschuldigte sich Özil bei Sergio Ramos, seinem Nachbarn und später auch bei den anderen Spielern. So ein Verhalten wünsche ich mir von Dembélé. Er soll sich entschuldigen und in Demut üben. Einzig und allein, weil er seine Kameraden im Stich gelassen hat - und sei es auch nur in einer Trainingseinheit. Deswegen hat Dortmund auch richtig gehandelt und ihn mit einer Geldstrafe belegt. Und für das Pokalspiel gegen den Sechstligist 1. FC Rielasingen-Arlen suspendiert.
Am Ende wird - und jetzt ist Schluss mit meinem Wunschdenken - Dembélé nach Barcelona wechseln. Dort wird er mit Applaus empfangen. Die Fans der Katalanen werden ihn feiern. Den Zorn der Dortmunder Kollegen wird er nie wirklich spüren. Und selbst die sechsstellige Geldstrafe, die er von der Borussia aufgedrückt bekommen hat, wird ihn am Ende nicht stören. Höchst wahrscheinlich werden nicht mal die Bosse von Barcelona darüber nachdenken, was sie da für eine charakterliche Pflaume eingekauft haben.
Die bittere Wahrheit hat Bernd Hoffmann, der frühere Vorstandvorsitzende des HSV, mir mal für mein Buch über Spielerberater verraten. Damals sagte er mir: "Solange Spieler gut spielen, sind sie makellos. Da können sie sich fast alles erlauben, und selbst die wildesten Aussetzer werden toleriert." Sein negatives Beispiel damals war Luis Suárez. "Da beißt jemand zum wiederholten Male in seiner Karriere einen gegnerischen Spieler. Aber trotzdem hat ihn der FC Barcelona für eine wahnsinnige Millionensumme, ohne mit der Wimper zu zucken, gekauft." Weil Suárez aber nun mal ein genialer Kicker sei, so sagte mir Hoffmann, "schlägt dann mal die Aussicht auf Tore die Bewertung charakterlicher Stärke".
So wird es bei Dembélé wohl auch laufen. Am Ende gewinnt er - Millionen von Euro, große Titel und erntet auch noch riesen Applaus. Obwohl er charakterlich ziemlich daneben ist.