Thomas Tuchel steht gegen Borussia Dortmund möglicherweise vor einem Endspiel. Die Diven in seinem Kader machen es dem deutschen Trainer bei seinem vermeintlichen Schicksalsspiel aber alles andere als leicht.
Der Heimvorteil: dahin - das Coronavirus. Die Stars: divenhafter denn je. Die Geldgeber: extrem ungeduldig. Thomas Tuchel steht gegen Borussia Dortmund vor einem Endspiel - nicht bloß um dem Einzug ins Viertelfinale der Champions League.
Ein Aus gegen seinen Ex-Klub Borussia Dortmund im Geisterspiel am Mittwochabend (die Vorberichterstattung startet ab 19:30 Uhr auf Sky Sport 1 HD, das Spiel gibt's ab 20:50 Uhr live und exklusiv auf Sport 2 HD) würde für den deutschen Trainer bei Paris St. Germain sehr wahrscheinlich das vorzeitige Ende einläuten.
Matthäus: "Aus für PSG wäre auch Aus für Tuchel"
Mit Meisterschaft und Pokal sind die katarischen Investoren längst nicht mehr zu besänftigen - die Achtelfinal-Dramen der vergangenen Jahre verkürzen die Lunte am Pariser Pulverfass. "Scheitert PSG am Mittwoch, war es das fast sicher zum Saisonende", schreibt die Sporttageszeitung L'Equipe. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke stichelte: "Für sie bricht die Welt zusammen, wenn sie ausscheiden."
In die gleiche Kerbe schlägt auch Lothar Matthäus in seiner Sky Kolumne "So sehe ich das": "Meiner Meinung wäre ein Aus für PSG gleichbedeutend auch das Aus von Thomas Tuchel. Wenn er nach dem letztjährigen K.o. gegen Manchester United wieder im Achtelfinale die Segel streicheln muss, sind seine Tage in Paris gezählt."
PSG: National mühelos, international mit Achtelfinal-Trauma
Tuchel, der in den nationalen Wettbewerben mit seiner Mannschaft fast nach Belieben dominiert, spricht zurückhaltend von einem "großen Spiel". Die Wunde des Vorjahres schmerzt jedoch noch immer: Das Aus gegen eine "Jugendgang" von Manchester United trotz eines 2:0-Auswärtssieges im Hinspiel war ein schwerer Schlag.
Schlimmer als beim damaligen 1:3 kann es diesmal kaum kommen - muss es auch nicht. "Wenn's gleich wird, ist es schlimm genug", sagt Tuchel, der auch um ein anderes "bizarres Scheitern" weiß: 2017 fegte PSG den FC Barcelona mit 4:0 aus dem Prinzenpark - und verlor das Achtelfinal-Rückspiel 1:6.
Mbappe, Neymar & Co.: Paris steht sich selbst im Weg
Damals trainierte Tuchel noch den BVB. Inzwischen ist seine Aufgabe, Diven wie Neymar und Kylian Mbappe im Ligabetrieb so bei Laune zu halten, dass sie in der Königsklasse zu großen Taten bereit sind. Das gestaltet sich schwierig.Seit dem BVB-Hinspiel hat Neymar gestänkert, der Bruder von Presnel Kimpembe Tuchel in einem Video beschimpft, sind Party-Videos von Spielern aufgetaucht, ist Neymar vom Platz geflogen. Zudem haben die Spieler Medienberichten zufolge Tuchels Plan abgelehnt, sich im Kurztrainingslager in Südspanien auf das Rückspiel vorzubereiten.
Andererseits hat PSG nach dem 1:2 in Dortmund alle drei Spiele gewonnen und dabei insgesamt 13 Tore geschossen, zuletzt gab es ein machtvolles 5:1 im Pokal-Halbfinale bei Olympique Lyon. Tuchel fand das "außergewöhnlich. Wir haben in den vergangenen Wochen eine unglaubliche Mentalität gezeigt." So viele Tore wären gegen den BVB nicht nötig - ein 1:0-Sieg würde den Franzosen reichen, allerdings sieht Tuchel sein Team nicht als eines, das "ein 1:0 auf den Punkt abliefern könnte."
Mbappe krank und fraglich, Silva rechtzeitig fit
Viel mehr braucht PSG die "unglaubliche Mentalität" gegen Dortmund, zumal Mbappe krank ist und das Spiel am Mittwochabend verpassen könnte. Der Weltmeister fehlte am Montag beim Training. "Wir versuchen, ihn spielfähig zu bekommen. Eine Entscheidung fällt erst am Mittwochabend", sagte Tuchel. Immerhin steht Abwehrchef Thiago Silva wieder im Kader.
Das Thema Coronavirus hat auch Tuchel in den vergangenen Tagen intensiv beschäftigt - auch, weil die Generalprobe bei Racing Straßburg abgesagt werden musste. "Ich persönlich habe keine Angst. Aber die Situation ist beunruhigend", sagte er noch vor der Entscheidung der Pariser Polizeipräfektur, keine Zuschauer ins Prinzenpark-Stadion zu lassen: "Selbstverständlich sind wir mit unseren Fans im Rücken stärker." Aus dem "sind" ist inzwischen ein "wären" geworden. So muss Tuchel vor leeren Rängen um seinen Job bangen.
