Tedesco im Interview: ''Wenn du in Dortmund gewinnen willst ..."
31.03.2022 | 23:02 Uhr
RB Leipzigs Trainer Domenico Tedesco im exklusiven Interview spricht vor dem Topspiel gegen Dortmund (Samstag, ab 17:30 LIVE und EXKLUSIV auf Sky) über das legendäre 4:4 mit Schalke, Christopher Nkunku und wie man den BVB knacken kann.
Sky Sport: Ihr letzter Auftritt im ausverkauften Dortmunder Signal Iduna Park war das 4:4 nach 0:4-Rückstand mit Schalke. Welche Erinnerungen haben Sie noch daran?
Domenico Tedesco: Das Spiel habe ich jetzt oft genug gesehen. Das ist immer wieder dabei, wenn es um die Highlights geht - nicht nur beim Derby, auch bei den Bundesliga-Highlights. Und ich glaube, dass wird es für lange Zeit auch bleiben. Und genau so sind meine Emotionen sehr positiv. Nach einer richtig schlechten ersten Halbzeit dann so ein Comeback in so einem wichtigen Spiel - das ist schon etwas Besonderes.
Sky Sport: Können Sie rückwirkend sagen, das ist das bisher geilste Spiel ihrer Trainerkarriere?
Tedesco: Ja, ich glaube schon. Zumindest war es das emotionalste.
Sky Sport: Jetzt geht es mit Leipzig nach Dortmund. Ist es als ehemaliger stolzer Schalker etwas besonderes, etwas anderes gegen den BVB?
Tedesco: Ich habe mir jetzt darüber nicht so viele Gedanken gemacht. Wir versuchen das Spiel bestmöglich vorzubereiten, so wie jedes andere Spiel auch. Wir wissen, dass es jetzt vor ausverkauftem Publikum das erste Mal geht. Es ist trotzdem etwas Besonderes, unabhängig von meiner Vergangenheit.
Sky Sport: 81.000 Zuschauer in Dortmund. Ist das ein Thema in der Trainingswoche?
Tedesco: Ich werde es morgen mal kurz ansprechen, am Tag vorm Spiel, um einfach daran zu appellieren, dass wir eine gewisse Vorfreude brauchen. Die ist auch vorhanden.
Sky Sport: Jetzt kann RB Leipzig die Champions-League-Qualifikation fix machen, den DFB-Pokal gewinnen, und auch die Europa League gewinnen. Sie haben auf der Pressekonferenz von internen Zielen gesprochen…
Tedesco: Die Ziele können wir am Samstag nicht erreiche, das ist das Entscheidende. Es bringt nichts, sich Gedanken zu machen, was noch alles kommen wird in den nächsten sechs Wochen, sondern was am Samstag auf uns zu kommt. Ein richtig, richtig starker Gegner.
Sky Sport: So "einfach" wird es wahrscheinlich nicht mehr den DFB-Pokal zu holen, oder?
Tedesco: Einfach ist gar nichts im Fußball, das wissen wir. Und ich glaube, dass die anderen Mannschaften das genau so sehen. Jedes dieser vier Teams wird sagen: Bayern, Dortmund und Leverkusen sind draußen, alle diese Mannschaften hatten die Chance von Beginn an, diesen Pokal zu holen, jetzt wollen wir ihn dieses Jahr holen. Ich erzähle nichts Neues, wenn ich sage, dass Union Berlin es einfach sehr, sehr gut und stabil macht, dass Freiburg es sehr, sehr gut macht und dass der HSV im Pokal-Halbfinale steht, weil sie in diesem Wettbewerb auch gut spielen und gute Leistungen gebracht haben. Von daher: Leicht ist gar nichts im Fußball.
Sky Sport: In der Europa League wartet Atalanta Bergamo. Was sind Ihre Gedanken zu dem Los?
Tedesco: Eines der schwersten Lose. Atalanta ist mittlerweile eine europäische Topmannschaft. Drei Jahre in Folge Dritter in Italien zu werden ist nicht so einfach. In der Champions League braucht man sich nur die Ergebnisse anschauen, die sie da geholt haben: Beispielsweise einen 1:0-Sieg bei Ajax oder einen 2:0-Sieg in Liverpool. Das sind Ergebnisse, die in den vergangenen Jahren eingefahren wurden. Und es ist auch kein Zufall, dass sie jetzt im Viertelfinale stehen.
Sky Sport: Seitdem Sie im Amt sind, punktet RB richtig gut. In 17 Spielen kommen Sie auf einen Durchschnitt von 2,18 Zählern pro Spiel. Ist es der gute Kader? Ist es das Zusammenspiel zwischen Ihnen und dem Trainerteam? Oder ist es eine Gesamtsymbiose? Wie würden Sie ihre ersten 100 Tage in Leipzig beschreiben?
Tedesco: Ohne einen guten Kader hast du wenig Chancen, das ist klar. Das ist schon ein Trumpf, den wir haben - auch ein breiter Kader, der es uns ermöglicht hat, in den englischen Wochen zu rotieren, auf frische Leute zurückzugreifen. Und zurückgreifen zu können ist schon eine Qualität. Den Rest müssen Sie die Spieler fragen, was sich dann geändert hat und was vielleicht aus ihrer Sicht die positiven Aspekte sind. Wir können sagen: wir fühlen uns gut, fühlen uns wohl. Die Mannschaft ist selbstbewusst und hat jetzt Lust auf die letzten sechs Wochen.
Sky Sport: Ist das der qualitativ hochwertigste Kader, den Sie bisher trainiert haben?
Tedesco: Weiß ich nicht. Schalke war auch kein so schlechter Kader, zumindest mal im ersten Jahr von der Breite her. Wir haben in Moskau einen sehr, sehr guten Kader gehabt. Schwierig zu sagen.
Sky Sport: Aber so einen Spieler wie Christopher Nkunku hatten Sie wahrscheinlich noch nicht, oder?
Tedesco: Grundsätzlich ist Christo ein wichtiger Bestandteil. Es gibt aber auch andere wichtige Spieler.
Sky Sport: Um Nkunku ranken sich immer wieder Wechselgerüchte. Glauben Sie, dass RB Leipzig der Verein sein kann, bei dem solche Spieler den nächsten Schritt zur Weltklasse machen können?
Tedesco: Auch das ist ein Dauerthema. Er ist jetzt Nationalspieler geworden, das ist wichtig. Vor ein paar Wochen gab es die eine oder andere Stimme, die sagt, wenn du französischer Nationalspieler werden willst, dann musst du den Verein wechseln, musst irgendwo zu dem nächstgrößeren Klub gehen. Dem haben wir jetzt widersprochen, dadurch, dass er jetzt nominiert wurde. Oliver Mintzlaff hat sich ganz klar positioniert. Das freut mich natürlich.
Sky Sport: Sie haben keinen Sportdirektor in Leipzig. Den hatten Sie in den anderen Vereinen schon. Welchen Unterschied merken Sie ohne Sportdirektor?
Tedesco: Bis jetzt keinen, weil wir genug Ansprechpartner haben im Trainerteam. Daher merken wir jetzt nicht, ob es einen Sportdirektor gibt oder nicht. Wie dann die Bezeichnung ist, von dem jeweiligen Menschen, von der jeweiligen Person, mit der wir dann sprechen, ist ja relativ egal.
Sky Sport: Dementsprechend müsste der Posten des Sportdirektors in Leipzig kaum besetzt werden, wenn man so viele Ansprechpartner hat wie hier?
Tedesco: Das habe ich nicht gesagt. Das müssen andere entscheiden. Ich kann nur sagen, dass es jetzt nicht so ist, dass wir händeringend Ansprechpartner suchen, um uns hier auszutauschen.
Sky Sport: Abschließend zur italienischen Nationalmannschaft. Sie haben es versäumt, sich für die WM zu qualifizieren. Wie haben Sie das aufgenommen?
Tedesco: Ich bin natürlich enttäuscht. Ich habe das Spiel natürlich gesehen und hätte mir gewünscht, dass Italien Teil dieser Weltmeisterschaft wird. Das ist jetzt leider verpasst worden.
Sky Sport: Die WM findet in Katar statt. Was halten Sie davon?
Tedesco: Ich habe mir keine Gedanken darüber gemacht. Wir haben andere Themen hier aktuell.
Sky Sport: Wäre der Posten des italienischen Nationaltrainers in Zukunft für Sie vorstellbar?
Tedesco: Aktuell kann ich mir nur vorstellen, was hier läuft und was hier ist. Und aktuell kann ich mir nur vorstellen, dass wir weiterhin so gut arbeiten. Alles, was über diese ein, zwei Wochen hinaus geht, dafür habe ich keine Vorstellungskraft.
Sky Sport: Wie schlägt man Borussia Dortmund vor 81.000 Zuschauern?
Tedesco: Du brauchst natürlich einen richtig guten Tag in allen Bereichen, die es im Fußball gibt. Du musst gut stehen, musst gut pressen, musst trotzdem im Ballbesitz deine Lösungen finden. Du musst Konter verhindern, musst aber selber auch welche fahren. Ich glaube, wenn du in Dortmund gewinnen willst, muss schon viel passen.
Sky Sport: Mit oder ohne Erling Haaland?
Tedesco: Das ist unabhängig von ihm.
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