Sportpsychologe Prof. Dr. Rene Paasch über Bayerns Verletzungen und Zverevs Krise
Sportpsychologe Prof. Dr. Rene Paasch glaubt, dass die Münchner die Verletzten-Misere meistern und wünscht sich eine Rückkehr des "Mia san mia". Zur Ergebniskrise von Tennis-Star und Bayern-Fan Alexander Zverev sagt er: "Man muss genauer hinschauen."
27.03.2025 | 21:56 Uhr
Sportpsychologe Prof. Dr. Rene Paasch spricht im Interview mit Sky Sport über die Verletzen-Misere beim FC Bayern, die Ergebniskrise von Tennis-Star Alexander Zverev und Leistungsdruck im deutschen Sport.
Sky Sport: Die Verletzungen von Alphonso Davies und Dayot Upamecano treffen den FC Bayern München schwer. Könnten sie eine "Jetzt-erst-recht-Reaktion" auslösen, oder vielleicht einen Schock?
Prof. Dr. Rene Paasch: Von Schock würde ich nicht sprechen. Ich bin mir sicher, dass die Spieler im Kader, die darauf warten, endlich eingesetzt zu werden, ähnliche Leistungen bringen werden. Der FC Bayern ist eine Mannschaft, die es gewohnt ist, mit Druck, mit Stress und Verletzungen umzugehen. Deswegen werden wir auch die passende Antwort sehen. Wir haben es bei Leon Goretzka gesehen, der sich aus einer schwierigen Situation zurückgekämpft hat als großes Vorbild. Deswegen bin ich davon überzeugt, dass die Bayern aus dieser Situation stärker herausgehen werden.
Sky Sport: Besteht grundsätzlich die Gefahr, dass Verletzungen durch mentale Belastung und Stress entstehen?
Paasch: Absolut. Man redet im Zusammenhang mit Verletzungen meistens nur von körperlichen Ursachen, aber wenn jemand mental belastet ist, wenn er Druck empfindet, kann es dazu führen, dass der Körper irgendwann eine Reaktion zeigt. Wenn ich nicht auf die Warnsignale höre, kann es sein, dass ich mich verletze, weil die Synergien, die Verkettung und Festigung vom Mentalen mit dem Körperlichen, nicht gegeben sind. Wenn jemand nicht auf seinen Körper hören will, dann muss er die Konsequenzen über andere Wege spüren.
Sky Sport: Die Bundesliga schien schon zugunsten der Bayern entschieden. Glauben Sie, dass durch diese beiden Negativ-Ereignisse noch einmal die Sinne geschärft wurden? Oder könnten sie Angst auslösen vor Niederlagen und weiteren Verletzungen?
Paasch: Wir in der Psychologie nennen es immer "Hoffnung auf Erfolg" oder "Angst vor Misserfolg". Ich kann mich mit Gegebenheiten, sprich mit anderen Vereinen, nicht auseinandersetzen. Was gewesen ist, kann ich nicht mehr beeinflussen. Was morgen sein wird, weiß ich nicht. Es geht darum, jedes Wochenende die bestmögliche Leistung auf dem Platz zu bringen. Dann wird man sehen, ob man am Ende des Tages den anderen voraus ist.
Sky Sport: Zum zweiten Mal nach 2012 findet das Endspiel in der Champions League in der Allianz Arena statt. Besteht die Gefahr, mit Blick auf ein erneutes "Finale dahoam" zu verkrampfen? Welchen Fehler darf man nicht machen?
Paasch: Viele sagen immer "der Weg ist das Ziel". Ich definiere das anders: Für mich ist der Weg das Jetzt! Das heißt, die Bayern müssen sich auf jeden Moment einlassen, den sie steuern können. Jedes Training, jeder Wettkampf. Was in ein paar Wochen ist, spielt keine Rolle, weil es nicht beeinflussbar ist. Die Energie, die ich für andere Dinge benötige, würde sonst verpuffen. Die Frage muss sein: Was kann ich jetzt tun, als Spieler, als Mannschaft damit es richtig gut funktioniert? Dann wird man sehen, wie weit man kommt.
Sky Sport: Was würden Sie sich für oder aus Sicht des FC Bayern wünschen?
Paasch: Ich würde mir von Herzen wieder das "Mia san mia" wünschen, auch nach außen hin. Wenn ein großes "Wir" entsteht, werden wir auch wieder ein sehr erfolgreiches Bayern München sehen.
Zverev-Krise? "Man muss genauer hinschauen"
Sky Sport: Alexander Zverev steckt in einer Ergebnis-Krise. Das verlorene Finale der Australian Open scheint noch immer nachzuwirken. Wie beurteilen Sie Zverevs Situation?
Paasch: Grundsätzlich muss man feststellen, dass wir ihn nur von außen kennen, über Spiele und Interviews. Es kann aber noch viel mehr dahinterstecken. Unabhängig von dem verlorenen Grand-Slam-Finale könnte es ein, dass er noch andere Themen hat. Dinge, die dazu führen, dass seine Leistungsfähigkeit nicht abrufbar ist. Negative Emotionen könnten aus sportlichen Niederlagen entstehen. Es könnten aber auch Erfahrungen sein, die im privaten Kontext liegen. So etwas ist immer sehr komplex.
Sky Sport: Würden Sie Zverev empfehlen, zum Beispiel mit einem Mentaltrainer zu arbeiten?
Paasch: Ein Sportler ist nicht nur jemand, der mental arbeiten muss. Er muss auch an seinem Life Coaching arbeiten, an seinem ganzen Auftreten und Erleben. Alle Menschen, die mit ihm zu tun haben, werden Einfluss haben auf seine Leistung. Es kann sein, dass etwas entstanden ist, das er im Moment selbst sehr schwer regulieren kann.
Sky Sport: Man sagt oft, jemand braucht einen neuen Impuls. Welche Art von Impuls wäre am besten für Zverev? Ein externer oder ein interner?
Paasch: Es kann beides sein. Manchmal ist es schön, neue Geister mit reinzunehmen. Das bringt frischen Wind und man hat eine andere Perspektive. Oder man nutzt das vertraute Team, weil es eine ganz andere Ebene ist. Um festzustellen, was gerade los ist, würde ich fragen, welche Gedanken, Emotionen und Gefühle er hat. Ich würde versuchen, das erst einmal sichtbar zu machen, um dann daran zu arbeiten. Irgendetwas ist in ihm, warum wir das, was wir von außen erkennen, gerade wahrnehmen.
Sky Sport: Ein externer Impuls könnte zum Beispiel durch ein neues Mitglied in Zverevs Team erfolgen. Wie wäre es, zum Beispiel Boris Becker als Zusatzcoach auszuprobieren? Becker hat auch schon mit anderen Stars wie Novak Djokovic gearbeitet.
Paasch: Ich möchte es gerne unabhängig von Boris Becker erklären: Wir alle, die für Leistungssportler oder ein Team arbeiten, haben die Aufgabe, alles dafür zu tun, dass dieser Sportler zum richtigen Zeitpunkt funktioniert. Zu solch einem Staff gehören Menschen, die Erfahrung haben. Ob es Boris Becker sein muss oder jemand anderes, der so etwas leisten kann, muss man dann sehen.
Sky Sport: Wir haben in Deutschland oft sehr hohe Erwartungen an unsere Sportstars. Zu hohe Erwartungen?
Paasch: Wir definieren uns in Deutschland immer über Leistung, sprich über Ergebnisse. Aber der ganze Prozess, den Teams und einzelne Sportler leisten müssen, den hat man nicht im Blick. In allen Bereichen des Lebens, im Sport, im Beruf, in der Schule, im Kindergarten, überall geht es um Leistung. Also haben wir auch einen Leistungsblick auf unsere Spitzensportler. Ich finde es sehr einseitig, nur auf Leistung zu gucken. Wir sollten genauer hinschauen, denn es hängt viel mehr daran, um am Ende des Tages zu funktionieren.
Das Interview führte Thorsten Mesch
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