Trainer-Sommer-Karussell - die halbe Liga sucht schon
01.03.2024 | 17:00 Uhr
Die Beweggründe sind vollkommen unterschiedlich. In einem Fall könnte wegen erwiesener Überqualifikation Handlungsbedarf entstehen, andere Konstellationen passen einfach irgendwie nicht (mehr) gut genug zusammen.
Und bei einigen Klubs wirkt die Ehe bereits seit längerer Zeit wie eine Zweckgemeinschaft. Motto: Wir versuchen irgendwie, bis zum Saisonende mit unserem Trainer durchzukommen. Gemeinsamer Nenner der halben Bundesliga: Im Sommer brauchen wir 'nen Neuen.
Der einzige Verein, der die Fahndung per offizieller Beglaubigung ausgeschrieben hat, ist der FC Bayern. "Beiderseitiges Einvernehmen" - so lautete die immer wieder aufs Neue verdächtige Branchen-Rhetorik bei der Bekanntmachung des bevorstehenden Tuchel-Abgangs. Wie glaubhaft die öffentlich zugänglichen Einschätzungen sind, ist unklar - für die folgende Kausalkette aber auch unerheblich. Am liebsten - das darf wohl als unstrittig gelten - hätten sie als Nachfolger denjenigen, der den Rekordmeister in der laufenden Spielzeit am Nasenring durch die Liga-Manege schleift. Xabi Alonso macht fachlich und charakterlich einen geeigneten Eindruck, um die notwendigen und vermutlich recht umfangreichen Restrukturierungsmaßnahmen an der Säbener zu orchestrieren. Aber will der Spanier das überhaupt?
Mit Max Eberls Dienstantritt ist vielleicht ein Pro-Argument dazugekommen. Bei Bayer sind sie jedenfalls weiterhin zuversichtlich, dass der Mann, der aus "Vizekusen" demnächst womöglich "Triplekusen" geschmiedet haben wird, die erfolgreiche Arbeit weiterführen, vielleicht sogar noch eins draufsetzen will. Bei diesem 04-Klub herrschen jedenfalls akkurat geordnete Verhältnisse. Und ob es ein cleverer Schachzug von Xabi wäre, bei seiner zweiten Profi-Trainer-Station direkt in die John-Lennon-artigen Fußstapfen von Jürgen Klopp hineinzutänzeln, ist sicher Ansichtssache. Gut möglich, dass er bleibt - aber eben auch ganz und gar nicht auszuschließen, dass er was Neues machen will.
Ein Alonso-Verbleib würde einen weiteren Hochleistungsträger auf dem Rekordmeister-Zettel nach oben rücken. Der außerordentlich erstaunliche Saisonverlauf des VfB Stuttgart hat deren Trainer nicht nur wegen seines Mia-san-mia-Nachnamens in den Kreis der Tuchel-Nachfolge-Kandidaten katapultiert. Sebastian Hoeneß' bisheriger Karriere-Verlauf schreit geradezu danach irgendwann bei den Bayern Station machen zu müssen! Bereits im kommenden Sommer?
Anderen Kandidaten stehen derartige Optionen aus der Deluxe-Abteilung nicht zur Verfügung. Die kämpfen stattdessen mit allem, was sie haben, um ihren aktuellen Job. Vorjahres-Fast-Meister Borussia Dortmund hat sich offenbar zunehmend in einer romantischen Wunsch-Vorstellung verheddert. Der gebürtige Westfale Edin Terzic kennt jeden Song und jeden Schlachtruf seiner Borussia im Detail. Weil seine Hochbegabten aber in quälender Regelmäßigkeit über den Rasen rumpeln als würden sie rote Erde umpflügen wollen, steht der Herzens-Dortmunder mal wieder unangenehm unter Druck. Von grundsätzlicher Überzeugung hat man aus der BVB-Chefetage zuletzt nicht mehr viel gehört. Denkbar, dass die Bosse zeitnah den Abrechnungs-Modus verschärfen.
An dem Punkt waren sie in Wolfsburg bereits - zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung. "Endspiel für Kovac?". Die großen Buchstaben waren (wenn auch mit Fragezeichen) mehrere Wochen lang in der "heavy rotation". Seit der Kroate sein Team auf überschaubarem Niveau stabilisiert hat, sitzt er auch selbst wieder solider im Sattel - zumindest bis Ende Juni. Oder höchstens?
Vom Niederrhein dröhnt die Skepsis derweil immer lauter durch die Republik. Mönchengladbach befindet sich mittlerweile seit geraumer Zeit im Rückschritt-Rhythmus. Der Dreier gegen Bochum nach fünf sieglosen Spielen in Folge verschafft Gerardo Seoane die Gelegenheit zum Durchatmen. Die bisherigen Auftritte in dieser Saison waren gleichwohl viel zu häufig viel zu dürftig. In der Grauzone der Tabelle fühlen sie sich bei der Borussia ausgesprochen unwohl. Der Glaube daran, dass mit Seoane der Schritt zurück Richtung Europa gelingen kann, soll im Einzugsgebiet rund um den Bökelberg auch schon mal ausgeprägter gewesen sein.
Alexander Rosen steht fest an Pellegrino Matarazzos Seite, heißt es aus Hoffenheim. Acht Spiele ohne Dreier hatten aber sehr wohl erhebliche Zweifel daran aufkommen lassen, dass der Hoffenheimer Geschäftsführer diese Haltung als unerschütterlichen Dauerzustand aufrechterhalten können wird. Sieg in Dortmund - Ruhe im Karton. Erstmal…
Nenad Bjelica ist nach der Doppel-Watschn für Leroy Sane wohl einigermaßen knapp an einer Express-Freistellung vorbeigeschliddert. Der Union-Coach dürfte mit einer Prise Erleichterung registriert haben, dass Steffen Baumgart im Volkspark angeheuert hat, statt in Dauerschleife über der Alten Försterei zu kreisen. Die Vorbehalte gegen den Fischer-Nachfolger sollen allerdings immer noch nicht bei allen Berliner Verantwortungsträgern restlos zerstoben sein. Anzunehmen, dass in Köpenick nach dem angestrebten Klassenerhalt ein weiterer geschärfter Blick auf die Passgenauigkeit der Konstellation geworfen wird. Allein schon aus Sorgfaltspflicht.
Auch in Frankfurt (Platz 6!) und Leipzig (Platz 5) mussten wohl schon einige Risse gekittet werden. Toppmöller und Rose waren beide mehrfach unter Rechtfertigungs-Druck für uneingeplante Schwächephasen geraten. Fortsetzungen folgen vielleicht…
Alle Kandidaten - bis auf Thomas Tuchel - haben in den verbleibenden elf Spielen natürlich noch die Gelegenheit, Eindrücke zu korrigieren und ihre kurzfristige berufliche Perspektive aus der Schieflage herauszusiegen. In einigen Fällen wird Handlungsbedarf entstehen, und ganz auszuschließen ist es sicher nicht, dass die halbe Liga in der kommenden Spielzeit ein neues Gesicht auf der eigenen Trainerbank präsentiert.
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