Die nächste Eskalations-Stufe beim VfB Stuttgart
29.01.2021 | 18:38 Uhr
Sky Reporter Alexander Bonengel beobachtet die Situation beim VfB Stuttgart ganz genau und analysiert den Machtkampf in der Führungsriege.
Gerade war ich im Begriff, einen Text zur Stellungnahme des VfB-Präsidenten Claus Vogt vom Mittwochvormittag zu schreiben, da folgte auch schon die nächste offizielle Stellungnahme des VfB, diesmal von den Präsidiumsmitgliedern Rainer Mutschler und Bernd Gaiser.
Erschienen mir die Ereignisse rund um die Führungsgremien des VfB Stuttgart bisher wie ein "House of Cards"-mäßiger Politthriller aus Machtkämpfen, Intrigen, Eitelkeiten und ganz viel schmutziger Wäsche (aber auch einer nicht zu unterschätzenden Spannung), tritt bei mir mittlerweile Ernüchterung ein: Es ist vor allem eine Geschichte des Versagens - und das in einer Zeit, in der das, was auf dem grünen Platz passiert, nach etlichen Jahren endlich mal wieder zu stimmen scheint.
Ich möchte hier nicht nochmal die Geschichte von den alten Seilschaften und den Hintergründen zur Datenaffäre erzählen. Diese sind an anderen Stellen schon ausreichend erläutert worden. Ich schreibe daher lieber darüber, was für mich hängen geblieben ist:
Claus Vogt hat beim VfB den Finger in eine große Wunde gelegt. Wirklich unfassbar ist jedoch der Umgang damit: Der öffentliche Brief von Thomas Hitzlsperger, der auch mit dem Abstand von mehreren Wochen noch unendlich befremdlich erscheint, die Verwunderung über die darauf folgende Kritik nach einer Vorgehensweise, für die man anderswo postwendend vor die Tür gesetzt worden wäre, der schlecht gespielte Burgfrieden danach, der Umgang des Beirats mit der Präsidentenfrage. Und, und, und…
Nächste Eskalationsstufe: Die Absage der Mitgliederversammlung durch Präsident Vogt und das wenige Stunden danach folgende Dementi der beiden Präsidiumsmitglieder - beides veröffentlicht auf der vereinseigenen Homepage.
Spätestens damit ist aus einem Thriller mit reichlich Popcorn-Faktor eine unsägliche Pannenshow geworden. Zwischendrin beschlich mich kurz der Gedanke, dass man bei "House of Cards" sicherlich nicht redlicher mit jemandem umgegangen wäre, den man loswerden will, um die eigene Macht zu sichern.
Aber sie wären dabei sicherlich geschickter gewesen: Durch die Attacken gegen ihn hat Vogt bisher nur gewonnen, zudem aus einer Situation heraus, in der er nichts mehr zu verlieren hat. Obendrein ist er in der öffentlichen Wahrnehmung zum einsamen Ritter im Kampf für Gerechtigkeit aufgestiegen. Das macht die nötige seriöse Bewertung von Vogts Wirken als Präsident zu einem Ding der Unmöglichkeit. Mögliche Fehler in der Gremienarbeit, mögliche Einmischungen außerhalb seiner Kompetenzbereiche - das alles ist längst kein Thema mehr.
Gremien-Possen wie diese führen unweigerlich auch zum sportlichen Niedergang. Die abschreckende Wirkung auf mögliche Sponsoren und Investoren ist dabei nur eine kleine Facette.
"Niemand ist wichtiger als der Verein", ein universeller Grundsatz, der beim VfB Stuttgart offenbar nicht gilt.
Fortsetzung folgt…