Acht Trainer werden in dieser Saison ihr Bundesliga-Debüt feiern. Ewald Lienen, Technischer Direktor vom FC St. Pauli und Sky Experte, analysiert im zweiten Teil des exklusiven Sky Interviews die Trainer-Situation, spricht über die Verantwortung der Vereine und wirbt um Geduld für die "Neulinge".
Ewald Lienen über ...
… die acht Trainer, die in der kommenden Saison ihr Bundesliga-Debüt feiern werden:
"Das ist eine besondere Situation und hängt auch damit zusammen, dass in den vergangenen Jahren immer mehr jüngere Fußball-Lehrer die Chance erhalten haben, sich zu beweisen. In diesem Punkt ist die Hemmschwelle bei den Vereinen grundsätzlich gesunken.
Von den acht Debütanten sind mit Achim Beierlorzer (1. FC Köln), Steffen Baumgart (SC Paderborn) und Urs Fischer (Union Berlin) drei bei den Aufsteigern unter Vertrag, was ein relativ normaler Vorgang ist. Dagegen haben Ante Covic (Hertha BSC) und Alfred Schreuder (TSG Hoffenheim) zuvor noch nie im Profibereich als Cheftrainer gearbeitet.
David Wagner (Schalke 04), Oliver Glasner (VfL Wolfsburg) und Marco Rose (Borussia Mönchengladbach) haben sich ihre Sporen zunächst im Ausland verdient. Schon in der Vergangenheit war es oftmals der Fall, dass Trainer, die im Ausland erfolgreich waren, automatisch Kandidaten für die Bundesliga waren.
Natürlich haben alle drei hervorragende Arbeit geleistet - sei es in Huddersfield, Linz oder Salzburg. Allerdings darf nicht der Blick auf unsere Trainer-Talente in der zweiten oder dritten Liga verloren gehen. In den vergangenen Jahren sind beispielsweise neben Wagner auch Daniel Farke oder Jan Siewert aus dem Amateurbereich ohne jegliche Profi-Erfahrung in die Premier League bzw. Championship gewechselt."
… die generelle Trainer-Konstellation in der Bundesliga:
"Unabhängig von den neuen Trainern ist es eine hochinteressante Mischung. Es gibt elf Trainer aus Deutschland, drei Trainer aus der Schweiz, zwei aus Österreich und zwei aus der Niederlande. Alle sind der deutschen Sprache mächtig, sprich: Die Bundesligisten legen viel Wert auf die sprachliche Komponente.
Auf der anderen Seite ist es auffällig, dass nicht mehr so viele erfahrene Leute auf der Trainerbank sitzen. Covic und Schreuder waren noch nie als Cheftrainer im Profibereich unterwegs und betreten absolutes Neuland. Schreuder ist sogar zum ersten Mal überhaupt in der Rolle des Cheftrainers. Von den zehn Coaches, die schon da waren, gibt es mit Friedhelm Funkel, Christian Streich, Lucien Favre, Adi Hütter und Peter Bosz nur fünf, die über langjährige Trainer-Erfahrung im Profibereich verfügen.
Dabei ist gerade die Erfahrung ein ganz wichtiger Punkt für einen Trainer. Wenn man in bestimmten Situationen steckt, die man schon mal erlebt hat, muss man nicht mehr experimentieren, sondern weiß genau, was zu tun ist.
Auch interessant: Von den elf deutschen Trainern haben mit Wagner, Kovac und Covic drei einen Migrationshintergrund. Die Gesellschaft verändert sich immer mehr, und das schlägt sich auch in der Bundesliga nieder. Es wird immer internationaler und das ist auch gut so."
… die fehlende Erfahrung der acht Bundesliga-Debütanten und die Verantwortung der Vereine:
"Wenn ein Verein einen Trainer ohne jegliche Bundesliga-Erfahrung verpflichtet, dann muss er auch dafür sorgen, dass im näheren Umfeld genügend Erfahrung vorhanden ist. Da sind die Vereine in der Verantwortung, darauf zu achten.
Ich erachte es als sinnvoll, einem jungen, unerfahrenen Trainer einen erfahrenen Co-Trainer, Sportdirektor oder Teammanager an die Seite zu stellen, der ihm zwischendurch einen Tipp geben kann. Es ist schon vorgekommen, dass eine Konstellation mit einem jungen Trainer und jungen Sportdirektor plötzlich eskalieren kann."
… die fehlende Geduld mit Trainern im Fußball-Geschäft:
"Es ist kein Geheimnis, dass viele Klubs wenig Geduld aufbringen. Teilweise auch, weil zumeist um das Trainerteam herum keine vernünftige Organisationsstruktur installiert wurde, die in Ruhe analysieren und helfen kann.
Dies führt oftmals zu Wechseln auf der Trainer- oder Sportdirektor-Position, die eine gewisse Kontinuität verhindern. Das Resultat daraus sind oft große Unruhe und schlecht zusammengestellte Kader. Zu frühe Trainer-Entlassungen sind auch ein Misstrauens-Votum gegenüber der Mannschaft und für einen Spieler ist es das Schlimmste, sich alle paar Monate auf einen neuen Trainer einzustellen, der eine ganz andere Ansprache hat. Das ist total kontraproduktiv.
Die Vereine dürfen bei der ersten Ergebniskrise daher nicht gleich in Panik verfallen. Klar muss man aufpassen, dass man nicht in einen kompletten Negativ-Trend fällt, aber man kann dafür nicht immer den Trainer verantwortlich machen. Um so etwas zu verhindern, muss es im Umfeld die entsprechenden Leute geben, die dazu bereit und in der Lage sind, Teamarbeit und Hilfestellung zu leisten und gemeinsam Krisen zu durchleben. Denn viele Dinge lassen sich auch korrigieren."
… die Zeit, die ein Trainer bekommt, um seine Ideen umzusetzen:
"Das hängt von jedem Klub individuell ab. Wenn man jemanden neu verpflichtet hat, kann man eigentlich nicht davon ausgehen, dass alles sofort reibungslos funktioniert. Aber wenn man von der menschlichen, inhaltlichen und der Kader-Qualität überzeugt ist, dann sollte man dem ganzen Prozess auch die nötige Zeit geben."