WM 2018: Wird Deutschland wieder Weltmeister? Pro und Contra
Gelingt dem DFB-Team die Titelverteidigung?
19.05.2018 | 20:30 Uhr
Joachim Löw hat am Dienstag seinen vorläufigen WM-Kader benannt. Ist die aktuelle Mannschaft stark genug für die Titelverteidigung? Die Sky Redakteure Robert Gherda und Sven Becker nehmen das Aufgebot unter die Lupe und wägen die Chancen ab
Contra: Deutschland gelingt die Titelverteidigung nicht
Die Katze ist also aus dem Sack! Bundestrainer Joachim Löw hat sich auf seinen vorläufigen WM-Kader festgelegt.
Klar, als Titelverteidiger und Confed-Cup-Sieger zählt Deutschland automatisch zum engeren Favoritenkreis - fernab von Namen. Aber hat dieser Kader, der am 4. Juni noch um vier Spieler verkleinert werden muss, auch das Zeug zum erneuten WM-Triumph?
Für mich ist es eher unwahrscheinlich. Warum? Es gibt einige Gründe!
Typen fehlen
Das größte Manko: Dem aktuellen Team fehlt es im Vergleich zur Weltmeistermannschaft 2014 in der Sturmspitze an Erfahrung. Sicher, Timo Werner - Jogis vermeintliche Sturmspitze - hat bei RB Leipzig und auch der Nationalmannschaft einen Riesensprung nach vorne gemacht, aber es ist seine erste WM - und das mit 22.
Er wird das Turnier sicher nutzen, um einen weiteren Schritt in seiner Entwicklung zu machen, er wird uns aber nicht zum Titel schießen. Er ist halt noch kein Miroslav Klose - was man ihm auch gar nicht vorwerfen kann.
Des Weiteren fehlen der Mannschaft nach den Abgängen von Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Miroslav Klose, Per Mertesacker oder auch Lukas Podolski wichtige Typen in ihren Reihen.
Wir erinnern uns alle an einen im Gesicht blutenden Schweinsteiger im Finale gegen Argentinien - was für eine Willensleistung! Ich möchte Mats Hummels, Jerome Boateng - der allerdings auch erstmal wieder richtig fit werden muss - oder auch Sami Khedira ihre Führungsqualitäten nicht absprechen, aber im Vergleich zu einem Schweinsteiger bei der WM 2014…
Apropos Typen: Einen echten Typen lässt Joachim Löw obendrein noch freiwillig zuhause: Sandro Wagner. In meinen Augen ein Fehler. Mit seiner unbekümmerten Art und seiner absolut profihaften Einstellung hätte er dem Kader gut getan. Beim FC Bayern hat er eindrucksvoll bewiesen, dass er sich auch ins zweite Glied einordnen kann - ohne Nebengeräusche. Und wenn er eingewechselt wurde, hat er oft getroffen. Der perfekte Joker.
Neuers Ausstrahlung nicht zu ersetzen
Und dann wäre da noch der Fuß der Nation. Ohne Manuel Neuer wäre Deutschland in Brasilien nur schwerlich Weltmeister geworden. Nun droht sein Ausfall. Zumindest wird er nicht in Bestform nach Russland reisen. Nach seiner monatelangen Zwangspause kann das auch nicht anders sein.
Mit Marc-Andre ter Stegen steht natürlich ein starker Ersatz zur Verfügung. Auch hier das "Problem": Die Ausstrahlung eines Manuel Neuer hat der Barca-Torwart noch nicht.
Wie gesagt, das deutsche Team gehört definitiv zum engeren Favoritenkreis, aber gegen Mannschaften wie Frankreich, Spanien, Brasilen oder auch Argentinien wird es ein ganz enges Höschen.
Pro: Deutschland wird wieder Weltmeister
Am 15. Juli wird Deutschland etwas gelingen, was zuletzt Brasilien im Jahr 1962 schaffte. Das DFB-Team wird seinen WM-Titel verteidigen.
Kritiker bemängeln, dass Leadertypen früherer Jahre wie Bastian Schweinsteiger, Lukas Podolski oder auch Miroslav Klose nicht mehr dabei sind. Aber auch die jetzige Truppe hat in Mats Hummels oder Sami Khedira genügend Anführer, um in kritischen Phasen voranzugehen.
Zudem ist der Kader noch stärker als vor vier Jahren. Löw hat auf jeder Position die Qual der Wahl und das Team ist eingespielt. Vor der Niederlage mit einer besseren B-Elf gegen Brasilien blieb Löws Elf 22 Spiele (!) ungeschlagen. Deutschland ist in Normalform gegen kein Team dieser Welt Außenseiter - im Gegenteil:
Mehr Unterschiedsspieler als 2014
In Punkto "Unterschiedsspieler" ist das Team 2018 mit Leuten wie Marco Reus, Leroy Sane oder Timo Werner dem Pendant von vor vier Jahren sogar deutlich voraus.
Zuletzt wurde außerdem die letzte große Baustelle geschlossen. Beim Turnier in Brasilien stand mit Klose nur ein Angreifer im Aufgebot, der zudem bei seinem damaligen Verein Lazio Rom nicht zum Stamm zählte.
Bei der EM in Frankreich 2016 mussten das DFB-Team die Segel im Halbfinale streichen, weil es keinen Backup für den verletzten Mario Gomez gab. In Russland verfügt der Titelverteidiger mit Werner über einen absoluten Knipser, der Weltklasse verkörpert
Viel Qualität im Angriff
Werner ist zwar erst 22, aber ein Thomas Müller netzte beispielsweise 2010 als 20-Jähriger schon fünfmal. Es gibt nicht erfahren oder unerfahren, sondern nur gut oder schlecht. Und Werner ist sogar überragend. Zudem stehen mit Mario Gomez und Nils Petersen zwei weitere Torjäger Gewehr bei Fuß.
Apropos Fuß: Viel wurde in den letzten Wochen über Manuel Neuer diskutiert, der nach seinem Mittelfußbruch weiter auf sein Comeback wartet. Aber selbst wenn der Kapitän nicht nach Russland fahren sollte - mit Marc Andre ter Stegen steht ein Torhüter parat, der wahrscheinlich bei jedem anderen WM-Teilnehmer die Nummer eins wäre.
Seine Saison beim FC Barcelona war herausragend und er hat mehrfach bewiesen, dass er allerhöchsten Ansprüchen genügt. Nicht zufällig feierte ihn die spanische Presse schon als "Messi mit Handschuhen". Er wäre auch am 15. Juli ein sicherer Rückhalt…