WM 2022: Stimmungscheck in Katar: Wie es bei der WM wirklich zugeht
Stimmungscheck vor Ort: Wie es bei der WM wirklich zugeht
27.11.2022 | 11:23 Uhr
Viele Fans feiern in Katar. Die Südamerikaner machen die Spiele ihrer Teams zu Highlights. Die deutsche Elf darf dagegen nur auf wenig Unterstützung hoffen.
Dem Schuss von Lionel Messi folgt der unnachahmliche Torschrei von zehntausenden Argentiniern. Das 1:0 des Superstars gegen Mexiko sorgte im Lusail Iconic Stadium für absolute Ekstase bei den Südamerikanern. Der Lautstärkepegel ist unglaublich. Gespräche mit dem Sitznachbarn über die Entstehung des Treffers sind nur mit Schreien ins Ohr möglich.
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Das Duell der Albiceleste gegen Mexiko war wohl das stimmungsvollste der bisherigen WM. Die Südamerikaner sorgen generell für Enthusiasmus rund um die Spiele ihrer Mannschaften, die Partie am Samstagabend in Lusail sorgte für einen Höhepunkt. Aber der Reihe nach.
Mexikaner & Argentinier feiern gemeinsam
Schon tagsüber laufen viele mexikanische Fans am Strand von Doha entlang. Ohne Bier, dafür mit Tröten in der Hand. Sie sind leicht in der Überzahl und werden es auch am Abend im Stadion sein.
Angekommen am Lusail Stadium ist die Vorfreude auf die Partie bei beiden Fanlagern schon drei Stunden vor dem Anpfiff spürbar. Obwohl es für die Argentinier ein Endspiel ist - bei einer Niederlage wären sie bereits ausgeschieden - sind ihre Fans bester Laune. Im Umlauf des Stadions sind viele Fangruppen zu sehen, die immer wieder Gesänge anstimmen und sich mit lauten Anfeuerungsrufen in den Hintergrund von Journalisten schieben, die vor der Kamera gerade live in ihre Heimatländer von der Partie berichten.
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Was besonders schön zu beobachten ist: Die Lager beider Nationen feiern gemeinsam. Es wird natürlich geneckt, provoziert, aber es ist zu jeder Zeit ein friedliches und respektvolles Miteinander - trotz der großen Rivalität und der enormen sportlichen Bedeutung der Begegnung.
Das mäßige Spielniveau hat auf die Stimmung keinen Einfluss
Das Stadion ist ausverkauft. Fast 90.000 Zuschauer finden in der größten der acht WM-Arenen Platz, 88.966 sind es genau. Rund eine halbe Stunde vor Anpfiff ist fast jeder Platz belegt. Musik dröhnt aus den Boxen des Stadions, doch die Fans schaffen es immer wieder diese zu übertönen.
Etwas, das beim Auftaktspiel der deutschen Mannschaft gegen Japan unmöglich war. Über weite Strecken der Partie war es da ruhig, fast schon gespenstisch. Telefonieren während des Spiels? Kein Problem! Jedes Wort war verständlich. Doch davon ist hier keine Spur. Argentinier und Mexikaner stacheln sich gegenseitig an, ein Lager will lauter als das andere sein. Es herrscht schon vor dem Anpfiff ohrenbetäubender Lärm, echte Fußballstimmung. Gänsehaut.
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Das Spiel hält über weite Phasen nicht das, was es verspricht. Die Fans stört das überhaupt nicht, die Stimmung ist aufgeheizt. Das Lusail Stadion kocht. Nicht wegen der Temperaturen, die bei Anpfiff um 22 Uhr Ortszeit immer noch bei 22 Grad liegen, sondern wegen der völlig enthusiastischen Anhänger. Torchancen gibt es in der ersten Hälfte wenig, laute Aufschreie gibt es trotzdem fast im Minutentakt.
Jedes Foul wird lauthals kommentiert von den Rängen. Von Boykotthaltung oder Null-Bock-Stimmung spürt man nichts. Wie bei allen Spielen mit Beteiligung der südamerikanischen und afrikanischen Teams. Die Senegalesen feierten ihre Mannschaft trotz der späten Niederlage gegen die Niederlande (0:2) noch weit nach Abpfiff, die Brasilianer machten aus ihrem Auftaktspiel gegen Serbien (2:0) trotz der Schock-Nachricht der Neymar-Verletzung eine einzige Party.
Deutsche Unterstützung hält sich in Grenzen
Das deutsche Spiel gegen Japan zählte dagegen zu den stimmungsärmsten dieses Turniers. Sogar Vogelgezwitscher war während der Partie zu hören. Das ist auch den DFB-Kickern nicht verborgen geblieben. "Wir wissen, dass bei diesem Turnier der Support vielleicht nicht ganz so gegeben ist, wie wir das kennen. In diesem Jahr ist es vom Gefühl her im ersten Spiel etwas weniger gewesen", sagte Kai Havertz. Mit "etwas weniger" hatte er die so gut wie gar nicht vorhandene Unterstützung von den Rängen gegen Japan noch freundlich formuliert.
Rund 35.000 Tickets hat der DFB für die WM in Katar abgesetzt. Deutlich weniger als vor vier Jahren in Russland (62.000) und 2014 in Brasilien (53.000). Gegen Japan wurden im Vorfeld rund 8000 deutsche Fans im Khalifa International Stadium erwartet. Im Stadion wirkte es so, als sei gerade einmal die Hälfte vor Ort gewesen.
Auf Häme folgt Ekstase
Zurück nach Lusail: Nach der Pause nimmt das Spiel Fahrt auf - und noch mehr Emotionalität. Denn: Beide Teams spielen jetzt auf das Tor, hinter dem ihre Fans in klarer Überzahl sitzen. Kurz nach Wiederanpfiff gibt es einen Freistoß aus gut 25 Metern für Argentinien. Messi schnappt sich den Ball, begleitet von lauten "Messi, Messi"-Rufen.
Die Spannung ist spürbar, ein besonderer Moment liegt in der Luft. Auf den Tribünen haben Tausende ihr Handy gezückt, um das mögliche Messi-Tor live auf Video zu haben. Messi läuft an - und setzt die Kugel einen Meter über das Tor. Hämisches Gelächter der Mexikaner folgt, fast noch lauter als die Messi-Rufe kurz zuvor.
Ein zweites Mal lässt Messi sich aber nicht bitten. Der nächste Schuss kommt aus dem Spiel heraus. Keine Zeit, um schnell noch die Smartphones zu zücken. Was übrigens auch viel besser ist. Für den Moment, für die Emotionen, für die Begeisterung, mit der sich die argentinischen Fans Sekunden später in den Armen liegen. Messi trifft und es gibt kein Halten mehr. Weder auf den Rängen, noch auf dem Platz.
DFB-Elf darf nicht zu viel Unterstützung von den Fans erwarten
Nur wenige der mehr als 700 Tore, die der 35-jährige Ausnahmefußballer in seiner Karriere erzielt hat, hat er so emotional gefeiert. Nur wenige Tore hatten so eine Bedeutung. Nicht nur für ihn, sondern für sein ganzes Land. Messi sprintet beim Jubellauf fast noch schneller als bei seinen meisten Läufen im Spiel. Es gibt nur eine Richtung. Vor die Tribüne, hin zu den Fans. Die Augen ungläubig aufgerissen, aus dem Mund der pure Jubelschrei.
Die Fans flippen aus, wildfremde Menschen liegen sich in den weiß-blauen Trikots in den Armen. Und: Die wenigen Mexiko-Fans, die im Pulk der Argentinier sitzen, zücken ihre Handys. Lionel Messi in diesem Moment aus nächster Nähe zu fotografieren - es lässt sogar die Enttäuschung über den Rückstand für kurze Zeit verschwinden.
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Die Argentinier feiern, die Mexikaner feuern ihre Mannschaft weiter an. Von Aufgeben ist El Tri noch weit entfernt. Es reicht am Ende aber nicht. Der eingewechselte Enzo Fernandez macht drei Minuten vor dem Ende den Deckel drauf. Feiner Schlenzer ins obere Eck - das Stadion vibriert erneut. Diesmal ist es ein anderer Jubel der Argentinier. In ihm steckt nicht die Erlösung, die Erleichterung, die noch beim 1:0 zu spüren war. Es ist Freude, die Gewissheit des Sieges, die durchs Stadion geht.
Und die Messi & Co. die Gewissheit gibt, dass sie auf ihre Fans zählen können. Ein Gefühl, dass die DFB-Elf - leider - nicht hat. Die Unterstützung für die Elf auf dem Rasen muss von der deutschen Bank kommen. Von den Rängen dürfen Manuel Neuer & Co. gegen Spanien - leider - nicht allzu viel erwarten.