Es war eine schwierige Entscheidung, jetzt steht sie fest: Top-Talent Can Uzun vom 1. FC Nürnberg wird für die türkische statt für die deutsche Nationalmannschaft spielen. Exklusiv bei Sky erklärt Uzun seine Beweggründe und bedankt sich beim DFB sowie Rudi Völler.
Absage für den DFB!
Top-Talent Can Uzun vom 1. FC Nürnberg hat sich nach langem Überlegen für die türkische Nationalmannschaft entschieden. Darüber setzte der 18-Jährige beide Verbände am Montag in Kenntnis.
Türkei-Coach Vincenzo Montella plant mit Uzun für die EM. Bei den anstehenden Länderspielen gegen Ungarn (22.3) und Österreich (26.3) wird er bereits dem Kader der A-Nationalmannschaft angehören. Nach Kenan Yildiz (18/Juventus) ist Uzun der nächste vielversprechende Offensivspieler, den der DFB an den türkischen Verband verliert.
Bitter aus deutscher Sicht! Eine DFB-Delegation um Sportdirektor Rudi Völler war Mitte Februar noch nach Nürnberg gereist, um Uzun kennen zu lernen und eine Perspektive in der deutschen Nationalmannschaft aufzuzeigen. Ein Gespräch, von dem sich der Shootingstar der 2. Liga (12 Tore in 21 Spielen) sehr geehrt fühlte.
Warum er nun doch die Türkei wählte, erläutert der gebürtige Regensburger ausführlich im exklusiven Interview mit Sky - und wählt Worte des Respekts und der Dankbarkeit in Richtung DFB und Völler.
Sky: Can Uzun, Ihre Entscheidung ist gefallen: Sie werden in Zukunft für die türkische Nationalmannschaft spielen. Warum?
Can Uzun: Ich habe auf mein Herz gehört. So eine Entscheidung ist keine Karriereentscheidung wie bei einem Vereinswechsel, sondern eine Herzensentscheidung. Die Nationalmannschaft muss man fühlen und hier haben mein Herz und mein Bauch gesagt, dass die Türkei die richtige Wahl für mich ist.
Nehmen Sie uns mal etwas mit: Wie lief der Entscheidungsprozess ab? Sie hatten ihre Entscheidung im zurückliegenden Herbst ja noch einmal vertagt.
Richtig. Ich wollte einfach noch etwas mehr Bedenkzeit haben. Ich habe in den vergangenen Monaten sehr viel mit meiner Familie und meinen engsten Freunden darüber gesprochen und habe mir auch ihre Meinung dazu angehört. Letztlich habe ich aber eine ganz persönliche Entscheidung aus dem Herzen getroffen. Es ist meine Entscheidung, die sich für mich sehr gut und absolut richtig anfühlt.
Inwieweit haben auch rein sportliche Überlegungen bei Ihrer Entscheidung eine Rolle gespielt?
Wie schon gesagt, es war eine Herzensentscheidung und da habe ich keine taktischen Überlegungen getroffen, mit welcher Nationalmannschaft ich möglicherweise größere Chancen auf Titel habe oder ich bessere Werbedeals bekomme. Bei der Nationalmannschaft spielt man mit dem Herzen, es geht um Ruhm und Ehre. Es gibt doch nichts Größeres, als eine Fußballlegende in seiner Heimat zu werden. Ich werde alles geben und mit Stolz für die Türkei spielen. Die EM 2032 ist in der Türkei und wir sind eine starke Generation mit herausragenden Talenten, jedes Turnier bis zur EM 2032 ist eine Ehre und die perfekte Vorbereitung. Ich werde alles geben, um Großes zu erreichen.
Man spricht in der Türkei von einer neuen Goldenen Generation des Jahrgangs 2005 - von den Ausnahmetalenten Arda Güler, Kenan Yildiz und nun auch Can Uzun. Yildiz kennen Sie besonders gut, Sie stammen beide aus Regensburg und sind gemeinsam mit ihm aufgewachsen. Hat die Aussicht darauf, in Zukunft mit ihm auf Torejagd gehen zu können, auch eine Rolle bei Ihrer Entscheidung gespielt?
(lacht) Das ist natürlich noch ein Bonus. Kenan ist seit meiner Kindheit mein allerbester Freund. Wir haben so viele Tage auf dem Bolzplatz in Regensburg verbracht, aber nie im Verein zusammengespielt. Das können wir jetzt endlich bei der türkischen Nationalmannschaft nachholen. Wir verstehen uns auf und neben dem Platz blind - und haben sehr viel vor!
Der DFB hat um Sie gekämpft. Es gab vor kurzem ein Treffen mit einer Delegation um Rudi Völler in Nürnberg. Wie lief das Gespräch ab?
Rudi Völler ist eine absolute Fußball-Legende - nicht nur in Deutschland. Meine Familie und ich haben es als riesige Ehre empfunden, dass er dieses persönliche Gespräch mit uns geführt hat und dafür extra nach Nürnberg gekommen ist. Auch mein Vater war sehr gerührt und geehrt. Rudi Völler war unglaublich nett und respektvoll und hat mir auch gesagt, dass ich auf mein Herz hören soll und keiner böse sein wird, wenn die Entscheidung dann nicht für Deutschland ausfällt. Das tat gut zu hören. Es wurde kein Druck gemacht, es war ehrlich, offen und sehr respektvoll. Auch Andreas Rettig und Toni di Salvo waren sehr sympathisch.
Hat das Treffen mit Völler die Entscheidung noch schwerer gemacht?
Letztlich habe ich auf mein Herz gehört, so wie es auch Rudi Völler mir geraten hat. Es war mir aber wichtig, vor meiner Entscheidung mit beiden Nationalmannschaften zu sprechen. Das ist auch eine Frage des Respekts. Deutschland wird neben der Türkei immer eine ganze wichtige Rolle in meinem Leben spielen. Ich bin in Regensburg geboren und zur Schule gegangen, habe bis heute viele Freunde hier. Und ich habe in Regensburg, Ingolstadt und Nürnberg das Fußballspielen gelernt und bin in Nürnberg Fußballprofi geworden. Das werde ich immer in meinem Herzen behalten. Ich wünsche der deutschen Nationalmannschaft daher nur das Allerbeste für die Heim-EM und die Zukunft. Ich kann allen sagen: Ich empfinde große Dankbarkeit für Deutschland. Die Türkei und Deutschland sind meine Heimatländer.
Das sind sehr respektvolle Worte - zumal die Türkei sich bereits seit dem Jugendbereich sehr um Sie bemüht hat.
Ich spiele schon seit der U17 für die türkische Nationalmannschat und habe schon eine U17-EM mit ihr gespielt. Sie haben immer an mich geglaubt. Viele meiner Verbandstrainer haben oft angerufen und den Kontakt mit mir und meiner Familie gehalten. Auch schon Stefan Kuntz hat mir im vergangenen Herbst vor seiner Entlassung signalisiert, dass ich bei guten Leistungen im Verein auch eine Chance auf die A-Nationalmannschaft und die EM 2024 in Deutschland habe. Das haben mir dann Hamit Altintop und Vincenzo Montella auch im persönlichen Gespräch genauso bestätigt. Mit Hamit Altintop stehen wir auch schon seit vergangenem Sommer im Austausch. Er hat sich sehr bemüht und war für mich ein wichtiger Faktor.
Hat sich Hamit Altintop wie auch Rudi Völler persönlich mit Ihnen getroffen?
Ja, ich habe Hamit Altintop vor kurzem persönlich in München getroffen. Meine Familie und ich haben es als sehr große Ehre empfunden, dass Hamit Altintop extra aus Istanbul für mich nach München geflogen ist, um mir, meiner Familie und meinem Berater die Pläne der türkischen Nationalmannschaft in einem persönlichen Gespräch mitzuteilen. Wir haben fast zwei Stunden über Fußball, die Türkei und die Ziele des türkischen Fußballs gesprochen - und auch über meine zukünftige Rolle in der türkischen Nationalmannschaft. Ich habe dann auch noch einmal ausführlich mit Vincenzo Montella telefoniert, von dem ich sicherlich viel lernen kann. Ich mag es, wie er mich fußballerisch sieht und wie er Fußball spielen lässt. Er war ein Topstürmer bei der AS Rom in der Serie A. Auch Hamit Altintop wird mir persönlich viel helfen können, er hat bei einigen der besten Klubs der Welt gespielt, hat sehr viel Erfahrung und ist sehr direkt. Ich hatte auch bei ihm ein gutes Gefühl. Ich fand es zudem beeindruckend, wie positiv Hamit auch von Rudi Völler und dem deutschen Fußball gesprochen hat, das war sehr respektvoll.
Eine solche Entscheidung ist mit sehr viel Druck verbunden. Hätten Sie vielleicht noch lieber etwas gewartet, um erstmal die Vereinskarriere weiter voranzutreiben?
Druck habe ich nicht empfunden. Ich habe es eher als Ehre empfunden, dass zwei große Fußballnationen so von mir überzeugt sind. Ich freue mich riesig darauf, mich bei der Nationalmannschaft zu zeigen, und ich will mit der Türkei maximal erfolgreich sein.
Auf was freuen Sie sich jetzt? Träumen Sie schon von der Europameisterschaft im Sommer in Deutschland? Die findet ja in ihrem Geburtsland statt. Wäre das eine ganze besondere EM für Sie, also so etwas wie eine persönliche Heim-EM?
Das wäre in der Tat eine sehr besondere EM für mich. Die Europameisterschaft im Sommer ist mein ganz großes Ziel. Hamit Altintop und Vincenzo Montella haben mir auch klar gesagt, dass ich dabei bin, wenn ich weiter gute Leistungen beim 1. FC Nürnberg bringe. Schon als Kind habe ich davon geträumt, eine EM und natürlich auch eine WM zu spielen. Es gibt für einen Fußballer nichts Größeres. Ich möchte so viele große Turniere wie möglich spielen und hier auch alles dafür tun so weit wie möglich zu kommen.
Abschließend: Was nehmen Sie sich denn persönlich für die EM im Sommer vor?
Ich will natürlich dabei sein und werde daher in jedem Spiel in der Liga alles geben, dass ich im Kader sein werde. Dann wird man sehen, was möglich ist.
Vielen Dank für das ausführliche Gespräch, Can Uzun!
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