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Bayern-Superstars: "Immer diese Vorschuss-Lorbeeren"

Reingegrätscht - die Kolumne von Kai Psotta*

Reingegrätscht - die Kolumne von Kai Psotta
Image: Reingegrätscht - die Kolumne von Kai Psotta  © Sky

James Rodríguez wurde heute als "die neue Granate" des FC Bayern München in der Allianz Arena mit viel TamTam vorgestellt. Trainer Ancelotti schwärmt von seinem Wunschspieler. Sky Reporter Kai Psotta war bei der Präsentation des Kolumbianers, der von Real Madrid an die Münchener ausgeliehen wurde, dabei und schildert seine eigenen Eindrücke und Erfahrungen mit prominenten Neuzugängen beim Rekordmeister.

Karl-Heinz Rummenigge hat alles richtig gemacht. Zumindest aus Sicht seiner Frau Martina und seiner Tochter, wobei er offen ließ, ob es Charlotte oder Ricarda war. Sie hätten ihm, so verriet er bei der Vorstellung von James Rodríguez gesagt, dass der Kolumbianer "gut aussieht".

Die große Frage ist, ob der von Real Madrid ausgeliehene Offensivspieler, für den FC Bayern mehr ist, als nur eine optische Bereicherung.

Presse mit verfrühten Urteilen

Die Antwort darauf ist bereits von vielen gegeben worden. Dabei hat Rodríguez noch nicht eine Sekunde für den FC Bayern gespielt. Trotzdem jubeln wir, zu völlig verfrühten Urteilen neigenden Sportjournalisten, diesen 26-jährigen Kerl bereits in den Himmel. Oder zweifeln an ihm!

James Rodriguez und Karl-Heinz Rummenigge präsentieren das neue Trikot des Kolumbianers.
Image: James Rodriguez und Karl-Heinz Rummenigge präsentieren das neue Trikot des Kolumbianers.  © Getty

"Respekt, Bayern! James ist eine echte Granate. Man kann Bayern nur gratulieren, dass sie diesen James bekommen konnten und sofort zugeschlagen haben", jubelt BILD über die Verpflichtung. SPORT BILD feiert ihn als "Granaten-Transfer zum Schnäppchenpreis".

Die ZEIT hingegen schreibt sehr skeptisch: "Er war nicht mal Ersatzspieler. Der WM-Torschützenkönig kommt, das ist spektakulär. Aber mit dort ausgemusterten Spielern wie James Rodríguez wird es schwer für Bayern, besser zu werden als Real Madrid."

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Natürlich gibt es nichts Spannenderes, als jetzt über den Neuen zu diskutieren. Aber den Bayern jetzt schon zu gratulieren, halte ich für genauso falsch, wie sie zu kritisieren.

Ich weiß noch genau, wie ich 2015 einen gewissen Douglas Costa in den Himmel geschrieben habe, nachdem er gleich in seinem ersten Spiel gegen den Hamburger SV ein Tor erzielt und eines vorbereitet hatte.

Nach neun weiteren Vorlagen bis Ende September gingen mir fast die Superlative aus. Vergleiche mit Ribéry wurden gezogen. Seine Power im Antrieb gelobt. Bayern sei nun schwerer berechenbar. Alles völlig verfrühte Tasten-Orgasmen! Douglas Costa ist jetzt erstmal weg! Viel bleibt nicht.

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Rodríguez im CL-Finale nicht im Kader

Daher werde ich persönlich jetzt erst mal abwarten, ehe ich mich lobend oder kritisch über Rodríguez äußere.
Sicher könnte man jetzt anbringen, dass er nach Reals Champions-League-Sieg diesen Sommer im Anzug und mit Krawatte auf dem Platz stand und aktiv nichts zum Erfolg beigetragen hat. Ihm war nicht einmal der Platz auf der Bank angeboten worden, Trainer Zinédine Zidane hatte ihn aus dem Kader gestrichen. Wie im Endspiel im Jahr zuvor kam er keine Minute zum Einsatz.

Fakt ist aber auch: nur weil er sich bei Real Madrid nicht durchgesetzt hat, heißt das noch gar nichts. Spieler sind Menschen. Bei einem Verein funktionieren sie in Perfektion. Bei einem anderen Verein aber nicht, weil sie sich in der Stadt nicht wohl fühlen, ihnen ihr kongenialer Partner fehlt oder weil sie sich in einer Fußball-Kabine nicht zu 100 Prozent geborgen fühlen. Und genau diese weichen Faktoren können am Ende ausschlaggebend sein.

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Özil: Eigene Gesetze in jeder Kabine

Mir war das lange Zeit selber nicht so klar, bis es mir Mesut Özil ausführlich erklärt hat. Er beschrieb es so: "In jeder Kabine herrschen eigene Gesetze. Es gibt eine eigene Hierarchie. Es gibt laute und leise Spieler. Solche, die ständig reden und das Sagen haben. Und eher introvertierte, die man in der Kabine kaum wahrnimmt. Einige haben Chaos in ihren Spinden, andere sind totale Ordnungsfanatiker. Eigentlich ist es in einer Kabine nicht viel anders als in einem Klassenzimmer in der Schule. Wo es den Klassensprecher gibt, die Streber, die Clowns, die lieben und die fiesen Schüler. Es gibt welche, die sich besser, und welche, die sich schlechter verstehen. Wie die einzelnen Mitspieler ticken, das muss man als Neuer erst einmal herausfinden. Man muss entdecken, zu welchen Spielern man am ehesten passt."

Darauf wird es nun auch bei Rodríguez ankommen. Gelingt es ihm, sich in der Bayern-Kabine zu etablieren? Oder wird die Bayern-Kabine zu einer Problem-Kabine, angesichts der vielen neuen Charaktere, die sich nun in der Hierarchie einordnen müssen. Weil ausgeglichene Spieler, Ruhepole, wie Philipp Lahm und Xabi Alonso weg sind, und sich nun viele neue, wie Corentin Tolisso, kein ganz einfacher Charakter, beweisen wollen und müssen?

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Welches Gefühl gibt Carlo Ancelotti nun seinem Wunschspieler? Immerhin ist Rodríguez für Ancelotti, was Thiago einst für Pep Guardiola war.

Viele offene Fragen zum Rodríguez-Transfer

Ich könnte jetzt noch viele Fragen zu diesem Transfer stellen. Zum Beispiel warum Real Madrid Rodríguez überhaupt abgegeben hat? Wie Ancelotti verhindern will, dass Thomas Müller angesichts der Konkurrenz nach einer ohnehin schon schwachen letzten Saison in ein richtiges Tief rutscht? Warum die Bosse überhaupt einen Ancelotti, der nach wie vor nicht unumstritten im Verein ist, einen Wunschtransfer durchdrücken ließen? Was die Verpflichtung von Rodríguez für die Identität des Vereines bedeutet? Und so weiter.

Ich werde mich jetzt aber in Geduld üben. Weil ich weiß, dass ich wirkliche Antworten erst später bekommen werde!
Ich will Rodríguez jetzt spielen sehen. Nicht nur in der Bundesliga gegen Durchschnittsteams. Sondern in großen Duellen. Dann werde ich darüber urteilen, ob man Bayern gratulieren kann oder nicht.

*Diskutieren Sie mit Kai Psotta unter Twitter: @KPsotta und #reingegraetscht oder schreiben Sie an kai.psotta@sky.de.
Kai Psotta arbeitet seit Januar 2017 bei Sky. Zuvor berichtete er sieben Jahre bei BILD über den FC Bayern. Psotta veröffentlichte sieben Bücher, unter anderem „Die Paten der Liga", ein Insiderbuch über die Geschäfte von Spielerberatern. Zuletzt war er mit der Autobiographie von Mesut Özil („Die Magie des Spiels) wochenlang in der Spiegel-Bestseller-Liste. Am 1. Juni erschien sein neuestes Werk „Mythos Real Madrid" (Plassen Verlag)

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