BVB hat etwas erreicht, was sonst nur die Bayern schaffen
06.03.2023 | 19:53 Uhr
Sky Experte Lothar Matthäus spricht in seiner Kolumne über den Meisterkampf in der Bundesliga und erörtert, welche Chancen Bayern und Dortmund in der Königsklasse haben. Außerdem zweifelt er an der Rolle von Joao Cancelo und erklärt seine Kritik an Leroy Sane und Serge Gnabry.
Wir haben einen Zweikampf um die Deutsche Meisterschaft. Ich denke, ab sofort kämpfen Borussia Dortmund und der FC Bayern München um den Titel. Es ist ein absolut spannender und verrückter Saisonverlauf bisher. Union war schon Erster, Freiburg, die Dortmunder über Nacht und jetzt wieder die Bayern. Zehn Spiele in Folge zu gewinnen ist fantastisch und ich ziehe den Hut vor Borussia Dortmund und ihren Leistungen der letzten Wochen und Monate. Sie haben eine absolut realistische Chance, Deutscher Meister zu werden.
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Auch weil die Bayern immer wieder Spiele haben wie in Stuttgart, in denen sie wackeln und auch Punkte liegen lassen können. Ich will nicht sagen, dass Bayern in Stuttgart schlecht gespielt hat, ganz und gar nicht. Sie waren überrascht, dass die Stuttgarter so aggressiv zu Beginn der Partie in die Zweikämpfe gegangen sind. Das macht etwas mit einem Gegenspieler. Vor allem wenn man nicht damit rechnet. Ich glaube schon, dass der Trainer sie vorgewarnt und darauf vorbereitet hat, aber sie haben es nicht konsequent befolgt. Und der VfB hätte gut und gerne auch in Führung gehen können oder in der letzten Minute fast den Ausgleich geschafft.
Die Dortmunder haben etwas erreicht, was sonst eigentlich nur die Bayern schaffen, nämlich einen größeren Rückstand aufzuholen und nun fast ganz oben zu sein. Das nennt man Mentalität. Das sieht man dieser Tage vor allem auch bei einem Spieler wie Marco Reus. Er ist Kapitän, aber nicht mehr unangefochtener Stammspieler. Und wenn er wie jetzt gegen Leipzig spielt, zeigt er eine super Leistung. Das ist das was ich beispielsweise Serge Gnabry und Leroy Sane vorwerfe. Ich mag diese Spieler wirklich. Sie sind, wenn sie wollen, genial. Schnell, dribbelstark, torgefährlich, unberechenbar.
Und ich verstehe auch die Auswechslung von Julian Nagelsmann in Stuttgart, als er die beiden plus Sadio Mane brachte. Ich kritisiere auch nicht in erster Linie ihre Körpersprache, die teilweise so wirkt, als hätten sie keine Lust. Was ich aber kritisiere, ist, dass sie nicht hinterherlaufen bei Ballverlust. Sie müssen dann im Sprint wieder zurück. Dass sie den Zweikämpfen aus dem Weg gehen oder sie nicht richtig führen. Das können und das müssen sie anders machen. Möglicherweise denken sie, dass sie bei kürzeren Einsätzen ohnehin nichts mehr bewirken können und lassen ein wenig den Kopf hängen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Sie müssen dann eigentlich noch viel mehr beweisen, warum der Trainer sie von Beginn an bringen soll und es ihm schwer machen.
So wie Marco Reus seinen Trainer unter Druck setzt mit einer Glanzleistung wie am Freitag gegen RB. Er war nicht beleidigt, weil aufgrund der Verletzung von Adeyemi zum Einsatz kam. Er hat ein Zeichen gesetzt. Was die anderen Nebenschauplätze angeht, hat sich Bayern in der letzten Zeit oft selbst die Themen aufgemacht. Aber ich will jetzt nicht schon wieder Modenschauen und Skifahrerei aufwärmen. Allerdings wundere ich mich schon ein bisschen in Sachen Joao Cancelo. Wenn ich diesen Spieler doch angeblich schon so lange haben wollte, dann muss ich wissen, ob er in mein System passt oder nicht. Und Stand jetzt sieht es so aus, als würde er nicht ganz in die Planung von Julian Nagelsmann passen. Ich verstehe aber auch, dass die Bayern drei schwere Verletzungen in Kauf nehmen mussten und dafür drei richtig gute Spieler geholt haben.
Sommer für Neuer, Blind für Hernandez und Cancelo für Mazraoui. Die Sache scheint aber die zu sein, das Cancelo in der Dreierkette nicht den defensiven Außenpart als Innenverteidiger spielen kann, der das Spiel mit aufbaut. Ich weiß auch nicht, ob sich die Laune des Portugiesen verbessert hätte, wäre er für die letzten zehn Minuten in Stuttgart hätte spielen dürfen, aber im Grunde ohnehin schon beleidigt ist. Ich fände auch eine Viererkette klasse, in der Davies und Cancelo die flinken Außenverteidiger sind und Upamecano plus de Ligt oder Pavard innen spielen. Aber Julian spielt lieber Dreierkette.
Davies links ist gesetzt. Rechts offensiv spielt verdientermaßen Coman und dann braucht er hinten rechts einen, der defensiv denkt, schnell, stabil und sicher im Zweikampf ist. Aktuell fällt die Wahl hier auf Stanisic. Es ist wie so oft als Bayern-Trainer: die größte Aufgabe ist es, all diese Stars bei Laune zu halten und das ist schwierig. Er muss es irgendwie schaffen, so wie es die große Gabe von Ottmar Hitzfeld oder Jupp Heynckes war und auch Hansi Flick sehr gut gemacht hat, denjenigen ihre Ersatzrolle so zu erklären, dass sie auch bei kurzen Einsätzen alles auf dem Platz geben und selbst dann wenn sie nicht spielen, den Kopf nicht hängen lassen.
Ich gehe davon aus, das Cancelo in den Unterhaltungen vor der Leihe aus Manchester das Gefühl bekommen hat, er werde spielen. Sonst wäre er nicht gekommen. Ob der Trainer die Gefühlslage dieses Spielers noch mal ins Positive drehen kann, wage ich zu bezweifeln. Ich glaube, der Klub wollte jede Position doppelt besetzt haben und für die großen Ziele kein Risiko eingehen. Ich kann die Enttäuschung von jedem verstehen, der über mehrere Wochen nicht von Anfang an auf dem Platz steht. Ob bei Gnabry, Sane, Cancelo oder jedem anderen.
Aber als Spieler von Bayern München muss man sich auf dem Platz zerreißen. Egal ob man ab der ersten Sekunde spielt, oder in der 89. Minute eingewechselt wird. Jeder ist wichtig und kann etwas bewirken. In der Offensive machen es momentan Choupo, Müller und Musiala einfach wirklich gut. Jamal ist teilweise bei seinen Dribblings und Gedanken im Vorwärtsgang fast zu schnell für seine Mitspieler, die dann manchmal im Weg stehen, weil sie nicht wissen, was als nächstes kommt. Es sieht aus wie bei Messi in seinen besten Zeiten. Nur der richtige Moment zum Torabschluss fehlt noch manchmal. Aber das wird noch besser werden. Er ist aber jetzt schon genial.
Alles in allem glaube ich auch deshalb, dass die Bayern gegen Paris weiterkommen. Sie sind die bessere Mannschaft und ich habe auch vor Messi nicht allzu viel Angst. Die größte Gefahr ist natürlich Mbappe. Klar kann er in der dritten Minute bei einem Konter seine Mannschaft in Führung bringen. Das ist am Mittwoch ein Spiel, bei dem alles passieren kann, und trotzdem bin ich sicher, dass die Bayern weiterkommen. Die Abwehr von PSG ist nicht so sattelfest, der Torwart nicht der Rückhalt der er früher einmal war. Und auch Dortmund hat richtig gute Chancen. Sie müssen vor Selbstvertrauen strotzen. Mit dieser Siegesserie im Rücken können sie auch das richtige Ergebnis bei Chelsea London einfahren. Die Mannschaft funktioniert, die Innenverteidigung sitzt, die Offensive trifft. Sie sind eine richtige Einheit. Ich glaube an die Dortmunder.
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