Bundesliga: Matthäus über Nagelsmann, Bayern und Upamecano-Rot

Man hat den Eindruck, dass nicht mehr alle hinter Nagelsmann stehen

''So sehe ich das'' - die Sky Kolumne von Lothar Matthäus.
Image: ''So sehe ich das'' - die Sky Kolumne von Lothar Matthäus.  © Sky

Sky Experte Lothar Matthäus sieht in seiner Kolumne den Rückhalt für Julian Nagelsmann in der Klubführung schwinden. Zudem blickt er in seiner Kolumne "So sehe ich das" auf die Gründe für die Formkrise des Rekordmeisters in der Bundesliga sowie den wieder spannenden Meisterkampf.

Nach 21 Spieltagen stehen Bayern, Dortmund und Union Berlin gemeinsam an der Tabellenspitze. Geil!

Auch wenn es so etwas seit Einführung der Drei-Punkte-Regel noch nie gab, weiß ich aus eigener Erfahrung, wie spannend und großartig so etwas ist. Ich habe es selbst 1983/84 erlebt, als auch drei Teams punktgleich an der Spitze standen. Ich habe aber bei Borussia Mönchengladbach und nicht beim VfB Stuttgart gespielt und wurde deshalb nicht Deutscher Meister. Und trotzdem war es überragend.

Auch die Bayern-Fans sollten sich freuen

Im Grunde muss ich sagen, dass sich auch die Fans des FC Bayern freuen sollten, dass wir endlich so einen Titelkampf erleben. Es wäre doch auch für sie endlich mal etwas ganz Besonderes, am letzten Spieltag mit einem Sieg die Meisterschale zu gewinnen und nicht schon an Ostern zehn Punkte Vorsprung zu haben. Sollten es die Bayern dieses Jahr ausnahmsweise einmal nicht schaffen, dann können sie es nach zehn Meisterschaften in Folge jemand anderem gönnen.

Am Sonntag kommt es zum absoluten Spitzenspiel zwischen dem FC Bayern und Union Berlin. Genau das ist es, wonach wir uns sehnen. Und selbstverständlich müssen wir alle Borussia Dortmund auf dem Zettel haben und sollten auf keinen Fall RB, Freiburg und die tolle Eintracht vergessen.

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BVB zeigt Woche für Woche die richtige Mentaliät

Endlich zeigen die Dortmunder Woche für Woche die richtige Mentalität. Spieler, die arbeiten, kämpfen und ihre Seele auf dem Platz lassen wie Özcan oder Ryerson - um nur zwei Beispiele zu nennen. Emre Can oder Julian Brandt sind jetzt konstant und auf ihrer idealen Position unglaublich wertvoll. Sie sind zu Charakter-Spielern gereift und werden bis zum Schluss um den Titel fighten.

Auffällig und richtig gut finde ich, dass Emre Can nun endlich nicht mehr permanent mit den Schiedsrichtern diskutiert. Das liegt auch daran, dass er nicht mehr auf der falschen Position eingesetzt wird, frustriert ist und seinen Unmut bei den Unparteiischen auslässt.

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So wie Julian Nagelsmann bei Borussia Mönchengladbach. Er war frustriert und enttäuscht und hat das am Ende am Schiedsrichter ausgelassen.

Klare Rote Karte für Upamecano

Obwohl er und seine Mannschaft durch ein grandioses Spiel in Paris gewonnen haben, hat er es nicht geschafft, relaxed und entspannt die Geschehnisse in Gladbach zu kontrollieren. Ich bleibe dabei und bin nach wie vor der festen Überzeugung, dass es eine klare Rote Karte für Upamecano war und ist.

Er blockiert Plea an der rechten Schulter, und dieser fällt nach links. Das ist eine ganz natürliche Reaktion des Körpers, erst recht in schnellem Tempo. Keine Schauspielerei oder Sonstiges war zu sehen und deshalb ist das eine Rote Karte. Man sieht ganz eindeutig auf den Bildern, wie es zum Fall des Gladbachers kommt. Upamecano ist zu Recht vom Platz gestellt worden, auch wenn das eine harte Entscheidung für Bayern war.

Lasst uns Nagelsmann nicht ewig dafür verdammen

Aufgrund dieser Szene und der Niederlage kam es dann zum Frust und der verbalen Überreaktion von Julian Nagelsmann in der Mixed Zone auf dem Weg in die Kabine. Ich persönlich würde Nagelsmann die verbale Entgleisung verzeihen, weil er sich umgehend dafür entschuldigt hat und dann ist es in meinen Augen auch gut. Es herrscht ein unglaublicher Druck auf diesem jungen Bayern-Trainer, es geht um Millionen und ich weiß selbst am besten, wie das ist, wenn man nach dem Spiel auf 180 ist und seinen Frust im Kabinengang am Schiedsrichter entlädt. Ich sage nur Karlsruhe.

Also bitte lasst uns Nagelsmann nicht ewig dafür verdammen. Es ist schön, dass es Emotionen gibt. Davon lebt dieser Sport und wir werden alle gut unterhalten. Ohne Frage hat es Nagelsmann jedoch übertrieben und die Formulierung "weichgespültes Pack" ist selbstverständlich überflüssig und war ein großer Fehler. Er hätte noch ein paar Meter weiter gehen sollen und sich in der Kabine, in der Toilette oder in sonst einem Raum einschließen sollen und dort fluchen und sich beschweren können. Aber natürlich nicht vor den Augen und Ohren der Journalisten. Das musste er wissen. Und danach auf der Pressekonferenz um milde Berichterstattung zu bitten, war auch nicht so schlau.

Ich gehe davon aus, dass das Sportgericht ihn bestraft und das ist auch in Ordnung. Aber danach sollte es wieder gut sein.

Bayern schafft sich selbst Probleme

Das große Problem des FC Bayern dieser Tage ist, dass das eine Problem noch nicht gelöst ist und sie sich selbst das nächste schaffen. Gnabry und Gucci. Neuer beim Skifahren und dann noch dieses Interview. Tapalovic fliegt raus, Sane kommt ständig zu spät und so weiter und sofort. Man müsste diese Dinge als Vereinsführung viel schneller erledigen, wegmoderieren, zumachen. Aber gefühlt macht das heutzutage keiner mehr, nicht richtig oder viel zu spät.

Hoeneß hätte sich vor den Trainer gestellt

Kommentator Kai Dittmann hat bei Sky90 ein sehr gutes Beispiel angebracht. Wie wäre es gewesen, wenn dieser junge und hochtalentierte Ausnahme-Trainer Julian Nagelsmann von Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß beschützt worden wäre und die beiden als Bodyguards an seiner Seite gehabt hätte?

Sie hätten es niemals zugelassen, dass ihr Trainer erst in die Situation gekommen wäre, die in Gladbach entstanden ist. Uli Hoeneß wäre der Erste gewesen, der sich um die Presse gekümmert und sich schützend vor den Trainer gestellt hätte. Aber leider ist es aktuell so, dass die unangenehmen Themen beim FC Bayern wochenlang lodern und keiner den Brand löscht. Wir halten uns in Deutschland ja gerne länger an Problemen fest. So wie bei der WM. Und bis wir irgendwas geklärt haben, sind wir ausgeschieden.

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Vor allem das Thema Neuer, in das sich jetzt auch Uli Hoeneß eingemischt hat und die aktuelle Führung zu einem Machtwort aufruft, zeigt, dass etwas nicht stimmt. Ich hätte schon lange versucht, das Ganze aus der Welt zu schaffen. Ich hätte mich mit Manuel an einen Tisch gesetzt und ihm gesagt: "Dank deines Unfalls haben wir einen neuen Torhüter für ungefähr neun Millionen verpflichtet. Dem müssen wir auch ein anständiges Gehalt zahlen. Außerdem zahlen wir dir weiter dein Gehalt, weil die Versicherung in so einem Fall nichts übernimmt. Was genau gedenkst du in diesem Falle finanziell zu übernehmen?"

Er hat den Klub durch dieses fahrlässige Verhalten so viel Geld gekostet. Wochen nach seinem Interview zu hören, dass man das klärende Gespräch immer noch nicht mit ihm gesucht hat, kann einfach nicht wahr sein.

Sanes Zuspätkommen muss bestraft werden

Nicht annähernd so tragisch und trotzdem ein Signal dafür, dass es in puncto Team-Hygiene einfach nicht ideal läuft, ist das Zuspätkommen von Leroy Sane.

Wenn ein Profi beim FC Bayern immer wieder unpünktlich ist, und das, obwohl man nicht gerade morgens um 6:30 Uhr am Trainingsgelände zu erscheinen hat, dann muss er das zu spüren bekommen. Dann spielt er einfach nicht von Anfang oder erstmal gar nicht mehr.

Kann die Entscheidung bei Müller verstehen

Womit wir beim nächsten Thema wären: Thomas Müller durfte beim wichtigen Spiel in Paris nicht beginnen und aufgrund der Roten Karten Upamecanos hat sich Julian Nagelsmann entschieden, ihn nach wenigen Minuten aus taktischen Gründen auszuwechseln. Das ist natürlich bitter für so eine Legende wie es Thomas ist und trotzdem kann ich es rein sportlich in diesem Fall verstehen.

Gnabry hat mehr Tempo, Choupo-Moting ist ganz vorne wichtig im Strafraum und der Trainer muss extrem schnell entscheiden. Aber natürlich ist es bei Thomas Müller ein Politikum. Nagelsmann steht auf die System-Spieler. Musiala ist die Zehn, Sane die Sieben, Choupo die Neun. So richtig ist da kein Platz für Thomas Müller. Sein kongenialer Sturmpartner Lewandowski ist auch nicht mehr da. Und ein Flügelflitzer ist Thomas auch nicht. Und wenn man ehrlich ist, hat er auch keine gute WM gespielt. Aber damit ist er in Deutschland nicht alleine.

Ich würde mir wünschen, das Thomas Müller sich nur noch auf den FC Bayern konzentriert. Als er in der Nationalmannschaft pausiert hat, habe ich den besten Müller aller Zeiten gesehen. Natürlich auch, weil er um Lewandowski herum gespielt hat. Aber das geht nun leider nicht mehr. Wir alle wollen es nicht wahrhaben, wenn die Zeit in der Nationalmannschaft zu Ende geht. Das ging auch mir so 2000.

Die Weltmeister von 1990 haben zehn Jahre später auch kaum mehr eine Rolle gespielt. Ich durfte zwar das Deutschland-Trikot noch tragen, aber richtig performt habe ich ehrlich gesagt dann auch nicht mehr. Bei all unseren Helden von 2014, die mittlerweile Hunderte von Spielen mehr in den Knochen haben, kommen Verletzungen hinzu wie bei Neuer oder Hummels und von hinten drängen die Musialas. Wobei Thomas, Mats oder Manuel immer noch sehr gute Spiele abgeliefert haben in den letzten Monaten.

Druck auf Nagelsmann steigt Woche für Woche

Es ist gerade keine leichte Zeit für Nagelsmann bei Bayern. Der Druck steigt gefühlt von Woche zu Woche. Aber man lässt ihn auch ehrlich gesagt oft ziemlich alleine. Ob das nach der Jahreshauptversammlung war, beim Moderieren in der Corona-Krise etc.

Die Frage ist, wieso man ihn von höherer Stelle nicht öffentlich so schützt und sich vor ihn stellt, wie es gerade ein Bayern-Trainer nötig hat, wenn viele Sachen auf ihn einprasseln? Man gewinnt langsam aber sicher den Eindruck, dass nicht mehr alle in der Vereinsführung hinter ihm stehen.

Anders ist das nicht zu erklären, denn gerade in schwierigen Zeiten ist es wichtig, dass man auch zusammensteht. Der Verein läuft den Krisenherden oft hinterher und die vielen ungemütlichen Themen, für die natürlich auch Nagelsmann verantwortlich ist, machen es nicht leichter.

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Darum läuft es bei Bayern in der Bundesliga nicht

Die Entlassung von Tapalovic oder jetzt die Beleidigung in Gladbach wirken nach. Über allem stehen beim FC Bayern die sportlichen Ergebnisse. In der Champions League hat Nagelsmann geliefert. Super Vorrunde und ein Sieg in Paris. Mehr geht bisher nicht. In der Bundesliga läuft es nicht so, wie es sollte. Es sind zu viele Unentschieden. Warum? Die einfache, aber logische Erklärung: Neuer fehlt hinten und Lewandowski vorne. Wenn man das größere Bild betrachtet, fehlt es in dieser Mannschaft am Mia-san-Mia.

Es fehlen die Spieler, für die es das Größte war, das Trikot des FC Bayern zu tragen. Lahm, Schweinsteiger, Alaba, Boateng, Hummels, Robben und Ribery. Noch vor vielen Jahren haben sogar die ausländischen Spieler wie Martin Demichelis, Lucio, Ze Roberto oder Pizarro gewusst und gefühlt, was es bedeutet, für den FC Bayern zu spielen. Das lag daran, dass die anderen um sie herum sie mitgezogen haben. Wo sind denn die Spieler, die heute einem Upamecano, de Ligt, Hernandez oder Sane und Gabry erklären, wie man dieses Motto mit Leben füllt und den Menschen in die Allianz Arena Woche für Woche das Gefühl gibt, dass sie von den Sitzen reißt?

Die heutige Spieler-Generation des FC Bayern lässt dies leider vermissen. Heute sind maximal Thomas Müller, Manuel Neuer, Joshua Kimmich und mit Abstrichen Leon Goretzka mit diesem Gen ausgestattet. Wenn dann auch noch der beste Stürmer der Welt weg ist, führt es dazu, dass man eben einen spannenden Meisterkampf ertragen muss und spielerisch nicht überzeugt.

Alle Kolumnen von Lothar Matthäus
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Rekordnationalspieler und Sky Experte Lothar Matthäus analysiert jede Woche exklusiv in seiner Sky Sport Kolumne aktuelle Themen der Fußballwelt - nur auf skysport.de

Brazzo und Oliver Kahn waren zwei der Spieler, die das Mia-san-Mia verkörpert haben, wie wenig andere in der Bayern-Historie. Uli Hoeneß hat die beiden mit Sicherheit auch deshalb mit diesen wichtigen Positionen ausgestattet. Aber ein bayerisches Essen und eine lange Unterhaltung am Tegernsee mit Uli sind nicht dasselbe wie ein Frühstück in der Maximilianstraße. Das ist kein Vorwurf an die heutigen Bosse. Es ist vielleicht auch eine andere Generation von Spielern, die für solche Emotionen, wie sie Hoeneß hervorrufen konnte, nicht so empfänglich ist.

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