Stille Transferoffensive: Freiburg bereit für Europa
26.07.2022 | 13:03 Uhr
Der SC Freiburg wird in der kommenden Spielzeit auf drei Hochzeiten tanzen. Dafür haben die Breisgauer sich in diesem Sommer ohne großes Aufsehen zu erregen enorm verstärkt - der Kader-Check.
Das langjährige Problem der Freiburger, sich vor jeder Saison komplett neu aufstellen zu müssen, ist bereits seit letztem Sommer passé. Leistungsträger nutzten zuvor nach jeder Überraschungs-Saison die Chance für den nächsten Karriereschritt, wechselten zu größeren Vereinen oder unterschrieben besser dotierte Verträge. Top-Spieler wie Robin Koch, Gian-Luca Waldschmidt oder Alexander Schwolow gingen allesamt nach einer starken Spielzeit.
Doch der stetige Aufstieg ließ die Breisgauer aus dem Hamsterrad ausbrechen - Spieler wollen plötzlich zum SC Freiburg. Außer DFB-Verteidiger und Neu-Dortmunder Schlotterbeck hielt der Tabellensechste der Vorsaison das Team zusammen. Die fixen Abgänge von Luca Itter, Janik Haberer und dem getauschten Ermedin Derovic werden nicht zum Problem für die Elf von Trainer Christian Streich, da die genannten Akteure keinen Stammplatz hatten.
Damit sind für die anstehende Saison ideale Grundlagen geschaffen, um an den Erfolgen des Vorjahres anzuknüpfen. Mit den zusätzlichen Einnahmen durch die Europa-League-Teilnahme sowie den rund 20 Millionen Euro des Schlotterbeck-Verkaufs, ist obendrein ein ordentliches Budget zusammengekommen, mit dem das Funktionärsteam um Sportdirektor Jochen Saier in diesem Sommer auf dem Transfermarkt aktiv werden konnte.
Und die Planungen der Freiburger sind zu Beginn der Vorbereitung mehr oder weniger abgeschlossen. Im Tor bleibt Mark Flekken, der nach einigen Jahren als Nummer zwei in der vergangenen Saison zum absoluten Leistungsträger avancierte. Der Niederländer behielt zehn Mal die weiße Weste. Gemeinsam mit Leipzigs Peter Gulacsi ist das Liga-Bestwert.
In der Defensive stand den Freiburgern mit der Kompensation von Schlotterbeck eine echte Herkulesaufgabe vor der Brust. Doch nur kurz nach Bekanntwerden seines Abgangs, verkündeten die Badener die Rückkehr von Matthias Ginter. Ein sensationeller Transfercoup aus diversen Gründen. Der DFB-Star wurde unter anderem mit dem FC Bayern, dem FC Barcelona, Inter Mailand oder der AS Rom in Verbindung gebracht, entschied sich aber für den Breisgau.
Der 28-Jährige kommt aus dem Freiburger Umland, hat zahlreiche soziale Engagements in der Umgebung und baute seinem Jugendklub sogar den Matthias-Ginter-Sportpark. Der Innenverteidiger ist in seiner Heimat verwurzelt und sofort Identifikationsfigur. Das Sahnehäubchen: Ginter kam ablösefrei von Borussia Mönchengladbach. Ein perfekter Schlotterbeck-Ersatz. Zusammen mit Philipp Lienhart bilden die beiden Abwehr-Spezialisten eines der besten Innenverteidiger-Paare der Bundesliga.
Auf der defensiven Außenbahn ist links Kapitän und DFB-Kandidat Christian Günter gesetzt - rechts deutet sich ein Konkurrenzkampf an. Lukas Kübler und Jonathan Schmid haben in der vergangenen Saison bereits um die Position "gestritten", mit dem im vergangenen Winter verpflichteten Hugo Siquet hofft obendrein ein belgischer U21-Nationalspieler auf seinen Durchbruch. Der Youngster präsentierte sich in der Vorbereitung in hervorragender Form, traf gegen Rayo Vallecano (3:0) sogar.
Im defensiven Zentrum setzen die Freiburger auf Routinier Nicolas Höfler, der im vergangenen Jahr einen zweiten Frühling auf der Sechs erlebte. Zwei Tore, sechs Vorlagen - die beste Saison in der Karriere des 32-Jährigen. In zweiter Reihe hofft einerseits Eigengewächs Yannik Keitel auf mehr Einsatzzeit, eine Neuverpflichtung für diese Position steht derzeit ebenfalls im Raum. Jüngst wurde der 20-jährige Lucien Agoume, der zuletzt von Inter Mailand an Stade Brest verliehen war, von italienischen Medien mit Freiburg in Verbindung gebracht.
Im zentralen Mittelfeld übernimmt Maximilian Eggestein den offensiveren Part. Der ehemalige Werder-Spielmacher ist bei Trainer Streich gesetzt und bleibt in der Rolle des Bindeglieds zwischen Defensive und Offensive.
Das neue Aushängeschild der defensivstarken Freiburger könnte in der anstehenden Spielzeit aber ausgerechnet der Angriff werden. Hier haben die Breisgauer bislang ohne Spielerverlust aufgestockt und eine enorme Breite sowie Variabilität im Kader geschaffen. Kreativspieler, Flügelflitzer, Knipser - Streich kann aus den Vollen schöpfen.
Kreativität: Neben Spielgestalter Vincenzo Grifo, der bislang das Mastermind in der Offensive der Freiburger war, hat der SCF mit Daniel-Kofi Kyereh einen weiteren feinen Techniker ins Team geholt. Der Zehner kam für rund 4,5 Millionen Euro vom FC St. Pauli, hatte dem Vernehmen nach auch andere Angebote aus dem In- und Ausland. Zu den ernsthaften Interessenten sollen dabei unter anderem Borussia Mönchengladbach, der VfB Stuttgart, Union Berlin, Werder Bremen sowie Besiktas Istanbul gehört haben.
Tempo: Obwohl auch Kyereh eine gute Grundgeschwindkeit hat, zählt der Neuzugang nicht zu den Flügelflitzern der Freiburger. Hier hofft Streich vor allem auf die Entwicklung von Kevin Schade. Obwohl dem 20-Jährigen der große Durchbruch aufgrund von Verletzungen bislang verwehrt blieb, haben die Breisgauer nach Sky Infos ein Angebot von 15 Millionen Euro vom FC Brentford für das Eigengewächs abgelehnt. Schade war in der vergangenen Saison der drittschnellste Spieler der Liga, soll in diesem Jahr zum neuen Shootingstar werden.
Hinzu kommen der ungarische Nationalspieler Roland Sallai und der variable Woo-yeong Jeong. Beide hatten großen Anteil am Erfolg der vergangenen Saison. Neuer Leistungsträger könnte Ritsu Doan werden. Der Japaner kam für immerhin 8,5 Millionen Euro von der PSV Eindhoven, ist damit nach Baptiste Santamaria (10 Millionen Euro) der zweitteuerste Neuzugang der Klub-Geschichte. Vom 24-Jährigen verspricht man sich viel: Hohes Tempo, Dribblings, Kreativität, Tore, Vorlagen - wie in der Saison 2020/2021 in Bielefeld und der bisherigen Vorbereitung bereits gezeigt.
Tore: Auch in der Spitze herrscht die Qual der Wahl. Neben dem noch an einem Mittelfußbruch laborierenden Lucas Höler und Freiburg-Ikone Nils Petersen, der stets für einige Treffer nach Einwechslung gut ist, gehört nun auch Michael Gregoritsch zum Kader. Der 28-jährige Österreicher kam im Tausch für Demirovic vom FC Augsburg, was bei einigen Fans für ein wenig Verwunderung gesorgt hat.
Demirovic hatte nach einem starken Debüt-Jahr so seine Schwierigkeiten in der zurückliegenden Saison, ist mit 24 Jahren und starken Veranlagungen allerdings noch entwicklungsfähiger. Bei Gregoritsch ist die Befürchtung gegeben, dass er wie in Hamburg, auf Schalke oder seiner Rückkehr nach Augsburg nicht sofort einschlägt. Doch der Offensivmann ist ein Stürmertyp, wie ihn der SC Freiburg zuvor nicht im Kader hatte.
Mit 1,93 Metern ist er der größte Feldspieler im Team, ist kopfballstark und kann den Ball gut abschirmen. In der vergangenen Spielzeit traf der Österreicher obendrein neun Mal, was nicht außer Acht gelassen werden sollte. Auch bei Gregoritsch, der jüngst beim 1:0-Testspielsieg gegen Stade Rennes sein Tordebüt feierte, ist das Zauberwort Variabilität.
Ohnehin wird es wie in den vergangenen Jahren nicht den einen Knipser geben, der Freiburg mit 15 bis 20 Toren auf die internationalen Plätze schießt. Die Breisgauer müssen in der Offensive als Team funktionieren und ihre enorme Kaderbreite nutzen. Am Ende kommen auf vier Offensiv-Positionen gleich neun potenzielle Startelf-Spieler. Damit ist der SC Freiburg nicht nur bestens für die Bundesliga, sondern auch die Aufgabe Europa League vorbereitet.
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