"Oh, wie ist das schön": Endlich EM-Euphorie!
24.03.2024 | 22:37 Uhr
Knapp drei Monate vor Turnierbeginn ist sie endlich da, die EM-Euphorie! Mit dem begeisterten Auftritt in Frankreich hat das DFB-Team ein echtes Statement gesetzt und auch die Fans wieder mehr hinter sich gebracht. Das hat Gründe.
"Wir als Mannschaft müssen den ersten Schritt gehen und erfolgreich sein, dann können wir die Menschen abholen und emotionalisieren", hatte Joshua Kimmich vor dem Spiel gesagt. Das beeindruckende 2:0 in Lyon gegen EM-Topfavorit Frankreich war nun jener erster Schritt, der bei den Fans neue Lust auf das Heim-Turnier entfachte.
Mit "Oh, wie ist das schön" machten dann sogar die mitgereisten deutschen Fans im Groupama Stadium im Laufe der zweiten Halbzeit auf sich aufmerksam. Das hat es bei einem Spiel der deutschen Nationalmannschaft lange nicht mehr gegeben.
Schlagende Argumente für dieses Lied lieferte dieser Samstagabend, der mit 10,12 Millionen Zuschauern den bisher besten TV-Wert für eine Sportsendung in diesem Jahr aufstellte, aber zuhauf. Das Sensationscomeback von Toni Kroos, das am Reißbrett genialisch entworfene Blitztor mit Knalleffekt von Zauberer Florian Wirtz, dazu jede Menge Spiel- und "Lebensfreude" (Julian Nagelsmann), wo im November noch Verunsicherung und Tristesse herrschten. All das garniert mit elektrisierender Aufbruchsstimmung für die entwöhnte Fanseele.
"Das war mit das Beste, was wir in den letzten Jahren gespielt haben", schwärmte Sportdirektor Rudi Völler, "es hat unglaublich Spaß gemacht." Nagelsmann meinte: "Kompliment an die Mannschaft, es war schön anzuschauen." Sogar Gegenüber Didier Deschamps, Weltmeister-Trainer von 2018, verneigte sich vor dem vor der DFB-Auswahl: "Ein Bravo für die deutsche Mannschaft!"
Das Feuerwerk mit Nebel in französischen Nationalfarben war kaum verraucht, da zündeten die Pläne schon raketengleich: Pass Kroos, Schuss Wirtz - nach acht Sekunden war das schnellste Tor der deutschen Länderspielgeschichte perfekt. "Großes Kompliment" an Standardtrainer Mads Buttgereit, sagte Nagelsmann über den Ideengeber, "das ist nicht alltäglich." Wirtz habe es "sensationell gut" umgesetzt, der Schütze fand sein erstes Länderspieltor "überragend".
Wie das gesamte deutsche Spiel beim erst dritten Sieg in Frankreich, bei dem der Ballmagnet Kroos herausragte. Der Mann, der laut Völler "seit seinem 18. Lebensjahr Eiswürfel pinkelt", spielte genau so: "Toni Kroos war unfassbar!", zeigte sich Nagelsmann begeistert. "Die Zeit reicht nicht für das ganze Lob", meinte Jamal Musiala.
Der Bayern-Youngster, Wirtz und der Neuner Kai Havertz, der nach entzückendem Zusammenspiel das 2:0 erzielte, gaben ein magisches Offensiv-Dreieck ab, das sich auch für Defensivarbeit nicht zu schade war. Mit Robert Andrich scheint der gesuchte "Worker" neben Kroos gefunden, auch das Abwehrzentrum mit Antonio Rüdiger und Jonathan Tah findet immer besser zusammen. Die Versetzung von Kimmich nach rechts erwies sich als richtig, links zeigte sich Debütant Maximilian Mittelstädt als gute Turnier-Alternative.
Auch Nagelsmann darf sich auf die Schulter klopfen: Denn der radikal vollzogene Umbruch ohne Rücksicht auf große Namen wie Leon Goretzka oder Mats Hummels zeigt Wirkung. Nagelsmann setzt Spieler nach aktueller Form ein. Zeitweise standen in Lyon vier Stuttgarter und drei Leverkusener auf dem Platz.
Knapp drei Monate vor dem Eröffnungsspiel gegen Schottland hat Nagelsmann seine EM-Elf gefunden, sie bestand den härtestmöglichen Test beim bislang größten Favoriten mit Bravour. Sollte sich niemand verletzen, würde wohl einzig der diesmal fehlende Manuel Neuer noch in das Team rücken.
Das deutete Nagelsmann an, als er von der klaren Rollenverteilung sprach, die dem Team nun nach den vielen Experimenten auch Sicherheit gibt. Selbst für einst gesetzte Stars wie Leroy Sane oder Serge Gnabry scheint kein Platz in der ersten Elf, ein echter Flügelstürmer ist in der Dreizack-Taktik nicht mehr vorgesehen.
"Es entsteht was Großes", meinte Mittelstädt. Niclas Füllkrug, obwohl Opfer der Umbauarbeiten, lobte die "gesunde Hierarchie" in der Mannschaft, die Kapitän Ilkay Gündogan in offensiverer Rolle effektiver führt. Einen weiteren großen Unterschied zu den schwachen Auftritten der vergangenen Jahre machte Havertz aus: "Keiner hat sich versteckt, jeder hat sich getraut, an den Ball zu kommen." Da ist er, der von Nagelsmann eingeforderte Mut.
Um die Stimmung hochzuhalten, braucht Deutschland aber weiter Ergebnisse. Den neuen Esprit gilt es, im Klassiker gegen die Niederlande am Dienstag (ab 20.45 Uhr im Liveticker auf skysport.de) in Frankfurt erneut zu zeigen. "Wir haben mal den Blinker gesetzt Richtung Heim-EM", sagte Nagelsmann, "es wäre gut, wenn wir weiter Gas geben."
Sky Sport / SID
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