FIFA Frauen WM 2023: Kolumne von Melanie Behringer zum DFB-Team & Spanien
"Deutschland muss wieder zu den eigenen Tugenden zurückfinden"
21.08.2023 | 15:02 Uhr
Melanie Behringer gewann 2007 mit den DFB-Frauen den WM-Titel. Die ehemalige Offensivspielerin und heutige DFB-Trainerin schwärmt in ihrer Kolumne für skysport.de vom Niveau bei der Weltmeisterschaft. Deutschland warnt sie zudem, die Lücke zur Weltspitze nicht zu groß werden zu lassen.
Glückwunsch an die Spanierinnen! Sie sind verdient zum ersten Mal Weltmeister geworden. Für Europameister England blieb dieses Mal nur der undankbare zweite Platz übrig. Spanien spielt mit dem Tiki-Taka einen ganz besonderen Fußball. Es ist schon eine sehr große Aufgabe, diesen Spielstil zu verteidigen.
In der Gruppenphase hat Spanien noch 0:4 gegen Japan verloren, das hat mich sehr überrascht. Davon haben sie sich aber augenscheinlich gut erholt. Beeindruckend finde ich Salma im Sturm, sie ist erst 19 Jahre alt. Wir durften mit unserer U17 beim DFB auch schon gegen sie spielen. Allergrößten Respekt vor ihrer Leistung. Nicht umsonst wurde sie als beste junge Spielerin ausgezeichnet.
Kuss sorgt für Empörung
Für Empörung sorgte der Kuss des spanischen Verbandspräsidenten Luis Rubiales bei der Siegerehrung auf den Mund von Spielerin Jennifer Hermoso. Das geht überhaupt nicht.
Und dennoch: Das Finale, aber auch das gesamte WM-Turnier war Werbung für den Frauenfußball. Ich glaube, wer davor noch kein Fan des Frauenfußballs war, wurde es jetzt, wenn er die Spiele gesehen hat. Das Niveau war in den meisten Spielen hoch. Schon im vergangenen Jahr bei der Europameisterschaft konnte man eine große Entwicklung erkennen. Diese Entwicklung hat sich in diesem WM-Turnier bestätigt.
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Es gibt keine "kleinen" Nationen mehr. Wenn ich nur an Jamaika denke, wie sie bis ins Achtelfinale gekommen sind. Das hätte vor dem Turnier wohl kaum einer für möglich gehalten. Verteidigen können alle. Früher war es nicht ungewöhnlich, auch mal ein Spiel mit 7:0 zu gewinnen. Das sieht man heutzutage so gut wie gar nicht mehr. Technisch und taktisch haben sich alle Mannschaften deutlich verbessert.
"Früher hatten die Gegner teilweise Angst vor uns"
Deutschland muss wieder zu den eigenen Tugenden zurückfinden. Früher hatten die Gegner teilweise Angst vor uns. Wir hatten eine großartige Mentalität, das fehlt mir aktuell etwas. Wir müssen nichts von den Top-Nationen um Spanien oder England kopieren, sondern wieder unsere Stärken, die uns immer ausgezeichnet haben, versuchen auf den Platz zu bringen. Wir können definitiv guten Fußball spielen, aber an Mentalität und Zweikampfhärte können wir wieder zulegen.
Wir müssen aufpassen, dass wir die Lücke zur Weltspitze nicht zu groß werden lassen. Beim FC Barcelona werden beispielsweise Ablösen zum Teil im sechsstelligen Bereich gezahlt. Das ist bei uns in Deutschland bisher nicht vorstellbar. In der Google Pixel Frauen Bundesliga gibt es nach wie vor Spielerinnen, die nebenher zur Arbeit gehen müssen. Dies ist ein auf Dauer nicht haltbarer Zustand. Dieser Prozess benötigt natürlich auch Zeit.
Wir sind auf dem richtigen Weg, aber in Zukunft muss dieser Weg intensiver beschritten werden. Zudem benötigen wir aber auch professionellere Strukturen in den Vereinen. Auch das öffentliche mediale Interesse muss deutlich erhöht werden.
Mitte September geht die neue Bundesliga-Saison schon wieder los mit der Partie des SC Freiburg gegen Bayern München. Darauf freue ich mich riesig. Ich werde auch vor Ort sein, zu beiden Klubs habe ich schließlich eine enge Verbindung. Um die Meisterschaft werden am Ende wieder die üblichen Verdächtigen mitspielen. Bayern, Wolfsburg, Hoffenheim werden das Feld anführen, dahinter kommen wahrscheinlich Freiburg und Frankfurt.
Zur Person:
Als Spielerin gewann Melanie Behringer (37) die WM 2007, die EM 2009 und 2013 sowie Olympia-Gold 2016, als sie zudem Torschützenkönigin wurde. Auf Vereinsebene spielte sie u.a. für den SC Freiburg und den 1. FFC Frankfurt sowie den FC Bayern München. Mit den Münchnerinnen gewann sie zweimal die Deutsche Meisterschaft, ehe sie ihre Karriere 2019 beendete. Als Co-Trainerin der U-17-Auswahl saß sie u.a. beim 4. Platz bei der WM 2022 in Indien auf der Bank. Aktuell ist sie Co-Trainerin der U19, die in Belgien Vize-Europameister wurde. Danach übernimmt sie die U16 als Cheftrainerin.
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