Hamann zu Regeländerungen bei der WM: Videobeweis sorgt für Chaos
Auch vierte Einwechslung kommt
09.06.2018 | 08:24 Uhr
Bei der Weltmeisterschaft in Russland (14. Juni bis 15. Juli) stehen beim Blick auf das Regelwerk drei Neuerungen im Vordergrund. Vor allem der heiß diskutierte Videobeweis wird auf dem Prüfstand stehen. Sky Experte Dietmar Hamann erwartet, dass die Schiedsrichter überfordert sein werden.
"Das wird ein organisiertes Chaos!", bezieht Sky Experte Dietmar Hamann klar Stellung. Die Regeln für das Eingreifen des Videoassistenten sind bei der WM dieselben wie in der abgelaufenen Bundesliga-Saison. Das Ganze soll allerdings transparenter als in Deutschland ablaufen.
Für die Zuschauer innerhalb und außerhalb der Stadien sollen keine Fragen offen bleiben. Wiederholungen und Grafiken werden auf den Anzeigetafeln zu sehen sein. Zudem sollen die relevanten Informationen aus den Gesprächen zwischen Schiedsrichtern und Videoassistenten an die TV- sowie Radio-Kommentatoren weitergeleitet werden. Erklärungen soll es auch auf der FIFA-Internetseite geben.
1. Neuerung: Videobeweis
Aber wie sieht das in der Praxis aus? Rufen wir uns ein Szenario aus dem DFB-Pokal-Finale ins Gedächtnis: Der FC Bayern liegt 1:2 gegen Eintracht Frankfurt zurück. In der Nachspielzeit trifft Kevin-Prince Boateng Javi Martinez im Strafraum klar am Fuß - der Spanier fällt, doch der Pfiff von Schiedsrichter Felix Zwayer bleibt aus. Dann bekommt er einen Hinweis des Videoassistenten und schaut sich die Szene erneut an, aber er bleibt dabei. Selbst Kevin-Prince Boateng gesteht bei Sky: "Ich treffe ihn ganz klar - danach muss der Schiri entscheiden. Ich dachte, er gibt Elfmeter. Den muss er pfeifen. Wir haben Glück gehabt."
Alle Fußball-Fans sollten sich mal vorstellen, wie die Reaktionen im Stadion ausgesehen hätten, wenn die Anhänger des FC Bayern die Szene direkt im Anschluss auf der Videowand hätten brühwarm serviert bekommen - und das in Zeitlupe!
"Die FIFA geht zweifellos ein sehr hohes Risiko ein", sagte Ex-Schiedsrichter Urs meier der Münchner Abendzeitung (Freitag). "Aber: Den Mutigen gehört die Welt." Der heute 59-Jährige glaubt, dass die neue Technologie bei der WM ungewollt im Fokus stehen wird: "Ich denke, wir werden sehr viele Diskussionen über den Videobeweis erleben."
Dietmar Hamann erwartet Ungemach auf die Zuschauer zukommen: "Als Schiedsrichter gehst du zu einer WM, das größte Turnier was wir haben und führst einen Videobeweis ein, bei dem 90 oder 95 Prozent mit ihm das erste Mal in Kontakt kommen. Ich verstehe das nicht und das wird Chaos. Mich würde es nicht wundern, wenn es keine großen Diskussionen geben wird. Ich habe kein Verständnis dafür, das in einer solchen Phase einzuführen."
Pro Spiel werden neben dem Videoassistenten ein weiterer Schiedsrichter und ein weiterer Assistent im Studio zum Einsatz kommen, Letzterer speziell für die Bewertung von Abseits-Situationen. Unterstützt wird dieses Trio außerdem von einem sogenannten "Support" - einem Offiziellen, der das Spiel im Fernsehen beobachtet und gegebenenfalls auch noch zusätzlich eingreifen kann.
2. Neuerung: Vierte Einwechslung
Nach zwei Jahren der Testphase - unter anderem im DFB-Pokal - hat das IFAB grünes Licht für die Möglichkeit der vierten Einwechslung in der Verlängerung bei Spielen der K.o.-Runde gegeben. Laut des IFAB war die Testphase "erfolgreich."
3. Neuerung: Kommunikation
Laut des Regelwerks dürfen "kleine, tragbare Elektro - oder Kommunikationsgeräte in der technischen Zone eingesetzt werden, sofern dies zu Taktik- oder Coachingzwecken oder zum Wohl der Spieler geschieht". Bei der deutschen Mannschaft wird Assistenztrainer Marcus Sorg von der Tribüne aus Informationen an den zweiten Assistenten Thomas Schneider auf der Bank weiterleiten.
85 Minuten vor dem Anpfiff muss die Startelf der FIFA mitgeteilt werden. Auf der Ersatzbank dürfen höchstens 23 Personen (11 Offizielle und 12 Reservisten) sitzen. Ein Spieler aus dem 23-köpfigen Kader kann bis 24 Stunden vor dem ersten WM-Spiel seiner Mannschaft ersetzt werden, wenn er aufgrund einer Verletzung ausfällt.
Regelwerk Gruppenphase:
Die ersten beiden Mannschaften der acht Gruppen qualifizieren sich für das Achtelfinale. Die Platzierung in den Gruppen ergibt sich in folgender Reihenfolge:
1. Anzahl der Punkte aus allen Gruppenspielen.
2. Tordifferenz aus allen Gruppenspielen.
3. Anzahl der in allen Gruppenspielen erzielten Tore.
Wenn zwei oder mehr Mannschaften aufgrund der drei erwähnten Kriterien gleich abschneiden, wird ihre Platzierung gemäß folgenden Kriterien ermittelt:
4. Anzahl der Punkte aus den Direktbegegnungen der punktgleichen Teams in den Gruppenspielen.
5. Tordifferenz aus den Direktbegegnungen der punktgleichen Teams in den Gruppenspielen.
6. Anzahl der in den Direktbegegnungen der punktgleichen Teams in den Gruppenspielen erzielten Tore.
7. Fairplay-Wertung, ermittelt anhand der Anzahl Gelber und Roter Karten in allen Gruppenspielen.
8. Losentscheid.
Regelwerk K.o.-Runde:
Sollte ein Spiel nach der regulären Spielzeit unentschieden stehen, wird die Partie um zweimal 15 Minuten verlängert. Steht auch dann kein Sieger fest, geht es ins Elfmeterschießen. Der Spielplan sorgt dafür, dass Mannschaften aus derselben Gruppe erst wieder im Finale aufeinandertreffen können.
Sperren:
Gelbe Karten aus der Qualifikation werden gestrichen. Sperren nach Roten Karten bleiben gültig. Nach zwei Gelben Karten aus zwei verschiedenen Spielen folgt eine Sperre für die nächste Partie. Eine Gelb-Rote Karte hat ein Spiel Sperre zur Folge. Eine Rote Karte wird mindestens mit einer Sperre von einem Spiel geahndet. Die FIFA-Disziplinarkommission entscheidet über die Länge der Sperre. Einzelne Gelbe Karten werden nach dem Viertelfinale gestrichen. Somit kann kein Spieler aufgrund der zweiten gelben Karte für das Finale gesperrt sein. (sid/Sky Sport)