Kommentar: Özil-Statement wird den Konflikt nicht lösen
Özil äußert sich über Foto mit Erdogan
22.07.2018 | 16:57 Uhr
Das vielleicht Wichtigste zuerst. Mesut Özil hat sich dem Druck gebeugt und das gemacht, was alle von ihm gefordert haben: er hat sich geäußert und erklärt. Das verdient Respekt. Sogar großen.
Was man fast jeder seiner Zeilen entnehmen kann, ist, er fühlt sich von Deutschland mehr als missverstanden, wie sich ein Deutsch-Türke fühlt, der definitiv und völlig zurecht zwei Länder im Herzen trägt. Der Mittelfeldspieler schildert eindrucksvoll, was es für ihn heißt, in zwei Kulturen aufgewachsen zu sein und diese in sich zu vereinen.
Aber er geht in seiner Argumentation auch in die Offensive. Ein Fehler sei das Treffen definitiv nicht gewesen, ganz im Gegenteil: er würde es immer wieder so machen. Sein Hauptargument ist, dass er ja den Präsidenten der Türkei getroffen habe und nicht explizit Präsident Erdogan.
Erdogan missbraucht das Amt
Er sagt damit indirekt, egal wer Präsident seiner zweiten Heimat sei, er würde ihn immer treffen. Genau darin liegt aber das Problem. Erdogan ist zwar ein gewählter Präsident, aber einer der aktuell Menschenrechte, Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit mit den Füßen tritt und die demokratische Grundordnung und Gewaltenteilung in der Türkei mit seiner Politik aushöhlt.
Erdogan missbraucht das Amt des türkischen Präsidenten, welchem Özil mit seinem Treffen ja eigentlich Respekt zollen wollte. Auch wenn Özil Fußballer ist und mit Erdogan nach eigener Aussage nur über Fußball geredet hat. Er ist ein Weltstar mit einer gesellschaftlichen Verantwortung: Für seine Fans, für Menschlichkeit und für Werte.
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Dieser Verantwortung kommt Özil mit seiner Erklärung mitnichten nach. Das Statement wird nicht zur Befriedung des Konflikts führen. Aber Mesut Özil hat sich geäußert. Das muss man ihm zugestehen, genau wie seine eigene Meinung.
Özils Statement im Wortlaut:
"Die vergangenen Wochen haben mir die Zeit gegeben, zu reflektieren und über die letzten Monate nachzudenken. Daher möchte ich meine Gedanken und Gefühle darüber erklären, was passiert ist.
Wie bei vielen anderen Leuten geht meine Abstammung auf mehr als nur ein Land zurück. Ich bin in Deutschland aufgewachsen, meine familiären Wurzeln liegen aber in der Türkei. Ich habe zwei Herzen, ein deutsches und ein türkisches. Während meiner Kindheit hat mich meine Mutter gelehrt, immer respektvoll zu sein und nie zu vergessen, wo ich herkomme. Und über diese Werte denke ich bis heute nach.
Im Mai habe ich Präsident Erdogan während eines Charity-Events in London getroffen. Das erste Mal hatten wir uns 2010 getroffen, nachdem er sich zusammen mit Angela Merkel in Berlin das Spiel zwischen Deutschland und der Türkei angeschaut hatte. Seitdem haben sich unsere Wege mehrfach gekreuzt. Ich bin mir bewusst, dass unser Foto für eine große Resonanz in den deutschen Medien gesorgt hat. Einige haben mir vorgeworfen, ich würde lügen oder ich sei hinterlistig. Aber das Bild, das wir gemacht haben, hatte keinerlei politische Absichten. Wie ich bereits sagte, hat mich meine Mutter dazu gebracht, niemals meine Herkunft, mein Erbe und meine familiären Traditionen zu vergessen.
Für mich ging es bei einem Foto mit Präsident Erdogan nicht um Politik oder um Wahlen, sondern darum, das höchste Amt des Landes meiner Familie zu respektieren. Mein Beruf ist Fußballer, nicht Politiker und unser Treffen war keine Befürwortung irgendeiner Politik. Tatsächlich haben wir über dasselbe Thema gesprochen wie jedes Mal, wenn wir uns treffen, nämlich Fußball, denn er war selbst Spieler in seiner Jugend.
Auch wenn die deutschen Medien etwas anderes dargestellt haben, ist die Wahrheit, dass die Ablehnung eines Treffens mit dem Präsidenten respektlos gegenüber den Wurzeln meiner Vorfahren gewesen wäre, die mit Sicherheit stolz darüber gewesen wären, wo ich heute bin. Für mich hat es keine Rolle gespielt, wer der Präsident war, sondern dass es der Präsident war. Respekt vor einem politischen Amt zu haben, ist eine Auffassung, die sicher auch die Queen und Premierministerin Theresa May vertreten haben, als sie Erdogan in London ebenfalls getroffen haben. Ob es der türkische oder der deutsche Präsident gewesen wäre, meine Handlungen wären nicht anders gewesen.
Ich verstehe, dass es vielleicht schwer nachzuvollziehen ist, da in einigen Kulturen ein politischer Führer nicht getrennt von der Person betrachtet werden kann. Aber in diesem Fall ist es anders. Was auch immer das Ergebnis der letzten Wahlen gewesen wäre, oder der Wahlen davor, ich hätte das Bild trotzdem gemacht."