Rekordnationalspieler und Sky Experte Lothar Matthäus analysiert jede Woche exklusiv in seiner neuen Kolumne "So sehe ich das" aktuelle Themen aus der Bundesliga und der Fußballwelt auf skysport.de. Dieses Mal dreht sich alles um die vermeintliche Schiedsrichter-Fehlentscheidung im Pokalfinale.
Es war ein interessantes und spannendes Pokalfinale. Die neutralen Fans sind froh, dass mit Frankfurt nicht die Mannschaft gewonnen hat, die sonst fast immer den Pokal in den Händen hält.
Die Eintracht ist an ihre Grenzen gegangen und hatte das notwendige Glück. Die Frankfurter haben leidenschaftlich und diszipliniert gespielt und waren im Abschluss konzentrierter.
Beim FC Bayern hat nicht die Qualität oder die Mentalität eines Arturo Vidal gefehlt. Vidal war die letzten Wochen auch nicht dabei, es hat auch ohne ihn geklappt. Martinez, Hummels, Alaba und Kimmich können auch dazwischenhauen. Die Mannschaft hat nicht die Leistung gebracht, wie man es von ihr gewohnt ist. Einige haben unterirdisch gespielt.
Vielleicht war das Aus in der Champions League gegen Real Madrid noch in den Köpfen, viele Spieler waren eventuell in Gedanken schon bei der Weltmeisterschaft.
Bayern war im Abschluss unkonzentriert, hatte zwei Pfostenschüsse und Pech mit der falschen Schiedsrichterentscheidung in der Nachspielzeit. Frankfurt hat an diesem Tag das Optimum für sich herausgeholt. Das waren entscheidende Faktoren, die zu dieser Pokalsensation geführt haben.
Videobeweis: Zwayers unverzeihliche Fehlentscheidung
Ich bin für den Videobeweis, trotz solcher Fehlentscheidungen. Der Videobeweis hat zu mehr Gerechtigkeit beigetragen. Aber wenn man so eine klare Szene hat, muss der Schiedsrichter - egal in welcher Situation und in welcher Spielminute - sie so beurteilen wie sie war. Auch mit Hilfe des Video-Assistenten. Wenn ein Schiedsrichter so ein Foul ohne Videobeweis nicht pfeift, kann man immer noch sagen, er habe schlecht gestanden oder es nicht richtig gesehen.
So etwas wie am Samstag kann sich ein Schiedsrichter aber nicht erlauben. Die Fehlentscheidung ist unverzeihbar. Ich habe Verständnis für die Schiedsrichter, sie haben einen schweren Job, aber wenn ich schon die Hilfe durch den Videobeweis habe, dann muss ich ihn auch richtig nutzen und so beurteilen, wie ich es auf dem Bildschirm sehe. Auch mit Unterstützung des Videoschiedsrichters. Es ist natürlich Anspannung da, 80.000 im Stadion und die ganze Welt schauen zu, aber dann braucht der Schiedsrichter auch die hundertprozentige Unterstützung vom Videoassistenten.
Aus meiner Sicht war Felix Zwayer von Anfang an für diese Aufgabe nicht der richtige Mann. Diejenigen, die in der Saison die besten Leistungen gezeigt haben, sollten nominiert werden und nicht einer, nur weil er Lokalmatador ist. Es war schon ein Fehler in der Ansetzung des Schiedsrichters, auch wegen der Geschichte mit dem Spiel gegen Leipzig, wo er die Bayern eindeutig bevorzugt hat.
Bayern wird noch einmal auf dem Transfermarkt aktiv
Uli Hoeneß hat am Sonntag einen großen Transfer in diesem Sommer ausgeschlossen, aber wenn Bayern München überzeugt ist, dass ein Spieler den Verein verstärken und ihm helfen kann - nicht nur in der Gegenwart, auch in der Zukunft - wird der FC Bayern auf dem Transfermarkt in dieser Saison zuschlagen. Egal wie die Aussagen von Hoeneß oder Rummenigge sind. Ich sage: Der FC Bayern hat seine Transfers für die nächste Saison zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen.
Wenn er die Chance hat, gewisse Ziele auch international zu erreichen, dann wird der FC Bayern weiterhin auf dem Transfermarkt tätig sein. Bayern ist wirtschaftlich der gesundeste Verein der Welt. Wenn dieser Verein mit dieser Fachkompetenz im Hintergrund die Möglichkeit sieht, sich durch Transfers mittel- und langfristig zu verbessern, wird das auch diesen Sommer schon passieren.
Verständnis für Wagner und Löw
Man muss Sandro Wagner so nehmen, wie er ist. Dass er ehrgeizig ist und sich nicht verbiegen lässt, spricht für seinen Charakter. Deshalb hatte ihn Jogi Löw zur Nationalmannschaft mitgenommen. Löws Aussage, dass er mit Petersen einen interessanten Spieler hat, der von der Bank kommt und gleich da ist, war für Sandro ein Schlag ins Gesicht. Es hat eigentlich nichts gegen ihn gesprochen. Natürlich hat er sauer und enttäuscht reagiert. Er hätte vielleicht zweimal schlucken sollen und nicht gleich zurücktreten sollen. Er hat sich nach seinem Wechsel von Darmstadt über Hoffenheim immer weiterentwickelt und ist bei Bayern noch stärker geworden. Deswegen kann ich die Enttäuschung von Spielerseite her nachvollziehen. Ich verstehe aber auch Jogi Löws Entscheidung. Da geht es auch um gewisse Dinge, die nicht nur im Sportlichen liegen. Da passt Nils Petersen vielleicht besser in Löws Philosophie. Es gibt Regeln auf und außerhalb des Platzes. Und wenn sich einer in irgendeiner Form nicht daran hält, hat der Trainer das Recht, ihn wegzulassen.
Champions League: So kann Klopp Real überrumpeln
Dass Liverpool im Finale steht, damit hätte man am Anfang der Saison nicht unbedingt gerechnet. Sie haben ähnlich wie Frankfurt im Pokal alles herausgeholt, vor allem mit ihrer tollen Offensive.
Sie haben viel Qualität, aber die Erfahrung spricht für Real Madrid. Auch die Balance zwischen Abwehr und Angriff ist ein Vorteil für Madrid, weil Liverpool in der Defensive gewisse Schwächen hat. Real ist ganz sicher der Favorit, sie sind erfahrener in Endspielen, aber ich traue Liverpool eine Überraschung zu. Jürgen Klopps Mannschaft kann Real mit ihrem Angriffsfußball, mit ihrer Geschwindigkeit und Gegenpressing überrumpeln. Sie dürfen aber in der Defensive so wenig zulassen, wie es nur geht.
Heynckes trauriger Abschied
Für Jupp Heynckes ist es schade, die Karriere mit so einer Niederlage zu beenden. Er ist ein ehrgeiziger und akribischer Trainer, er wurde aber in den letzten zehn Tagen von seiner Mannschaft sehr enttäuscht. Die Spieler haben nicht mehr das gegeben, was sie hätten geben müssen. Nach dem 1:4 gegen Stuttgart hat er nach Ausreden gesucht, aber die Mannschaft hatte einfach schlecht gespielt. Zum ersten Mal war nicht die Mannschaft auf dem Platz, die Heynckes geformt hatte. Vorher hat alles leicht und sicher ausgesehen, aber die Leichtigkeit ist ihr in den letzten Spielen abhandengekommen.
Keine gelungene Bayern-Saison
Es war eine Saison mit Tiefen (schwacher Saisonstart, Ancelotti-Entlassung) und Höhen (Heynckes, Meisterschaft). Es ist klar, dass man jetzt beim FC Bayern nicht alles schlechtredet. Aber dass in München keiner mit dem Ausgang der Saison zufrieden ist, ist auch völlig normal. Die Meisterschaft ist aufgrund der Möglichkeiten der Bayern und der Schwäche der anderen Mannschaften ein Muss. Aber wenn man zwei „Endspiele" verliert, kann man nicht von einer gelungenen Saison reden.