Matthäus-Kolumne: "So sehe ich das"
05.10.2018 | 09:30 Uhr
Rekordnationalspieler und Sky Experte Lothar Matthäus analysiert jede Woche exklusiv in seiner Kolumne "So sehe ich das" aktuelle Themen aus der Bundesliga und der Fußballwelt auf skysport.de. Dieses Mal freut er sich über Marco Reus und eine attraktive Bundesliga.
Unsere Bundesliga macht momentan so richtig Spaß. 32 Tore gab es am sechsten Spieltag, das sind 3,5 im Schnitt pro Spiel. So sieht Attraktivität aus, dafür kommen die Menschen ins Stadion.
Ich durfte beim Topspiel am Samstag in Leverkusen sein. Allein dieses 2:4 gegen Dortmund war ein Fußballfest. Was Leverkusen in der ersten, aber vor allem der BVB in der zweiten Halbzeit abgeliefert haben, war Fußball vom Allerfeinsten. Die beste Werbung für unsere Bundesliga.
Womit wir bei Schwarz-Gelb wären. Lucien Favre ist ein Tüftler. Und wenn früher sein Augenmerk in Berlin oder Gladbach eher auf der Defensive lag, hat er nun die Spieler, mit denen er Fußball zum Zungeschnalzen spielen lässt.
Vorne weg liegt es nicht nur, aber vor allem, am Dortmunder Kapitän Marco Reus. Mit welcher Leichtigkeit, Zielstrebigkeit, Fantasie und Konzentration sich Reus auf dem Platz bewegt, ist ein Genuss. Langsam zeigt sich der Riesen-Vorteil, den der BVB hat, weil Reus und Favre sich seit Jahren so gut kennen und schätzen. Unter Favre ist Reus in Gladbach zum Top-Spieler gereift, und diese perfekte Kombination findet in Dortmund gerade ihre Fortsetzung.
Aktuell sieht es wirklich so aus, als ob es Favre gelingen könnte, mit dieser Truppe dem FC Bayern bis zum Schluss einen spannenden Meisterschaftskampf zu bieten (Die Tabelle der Bundesliga). Das wird kein Selbstläufer für die Bayern, auch wenn sie natürlich weiterhin der absolute Topfavorit sind. Mit welcher Geschwindigkeit Pulisic, Sancho, Alcacer und Reus in der Offensive die Gegner momentan auseinander nehmen, ist beeindruckend.
Dazu spielt Bürki so konstant wie selten zuvor und die Abwehr sowie das zentrale Mittelfeld des BVB sind aktuell ebenso klasse. Nur fünf Gegentore und keine Niederlage sagen alles. Diese Borussia macht endlich wieder richtig Freude. Vor allem, weil sich außer dem FC Bayern und seinen Fans, ganz Fußball-Deutschland freut, dass es nach langer Zeit möglicherweise einen richtigen Titelkampf gibt.
Und nicht nur das: Es ist ebenso schön zu sehen, dass sich Mannschaften wie Hertha oder Augsburg sowie Hoffenheim am ersten Spieltag etwas gegen die Bayern trauen, und nicht beim Aufwärmen schon verloren haben. Mut, gesunde Aggressivität, Selbstvertrauen - und auch gegen die Bayern ist was drin.
Gladbach und Hertha haben wie die Bayern zwölf Tore auf dem Konto. Bremen und Augsburg nur eins weniger. Die Teams spielen erfrischend, und deshalb macht unsere Liga momentan so viel Spaß wie lange nicht. Der Blick auf die europäischen Wettbewerbe zeigt ähnlich Positives. Nur RB Leipzig hat aus deutscher Sicht seine erste Partie verloren (2:3 gegen Salzburg). Alle anderen haben unsere Liga toll vertreten. Wir können langsam wieder stolz auf unsere Teams sein.
Ein paar kleine oder auch größere Sorgenfalten dürfte es gerade in München beziehungsweise Gelsenkirchen geben. Es ist keine Krise, aber eine unerwartete Delle für Kovac und sein Team. Da wird in diesen Tagen ganz sicher ordentlich Tacheles geredet an der Säbener Straße.
Wenn Niko merkt, dass der eine oder andere nicht mitzieht und das macht, was er fordert, wird's ungemütlich. Versprochen.
Schalke hat endlich den ersten Sieg eingefahren. Die offensive Ausrichtung von Tedesco gegen die aktuell beste Defensive der Liga (Mainz mit nur vier Gegentoren) hat sich ausgezahlt. Jetzt ist der Kopf etwas freier, die Woche im Training wird schöner als die bisherigen und sie können mit mehr Selbstvertrauen sowohl nach Moskau in der Champions League als auch am kommenden Wochenende nach Düsseldorf fahren.
Die Liga lebt und in allen Tabellenregionen herrscht Spannung. So soll es sein. So soll es bleiben.
Übrigens: Auch die 2. Bundesliga ist momentan ein Genuss und gibt eine Menge her. Ausverkauftes Hamburg-Derby, Spannung in der Tabelle. Der HSV hat die 2. Bundesliga noch nicht angenommen und hat weiterhin Probleme. Nur der 1. FC Köln scheint unaufhaltsam in Richtung Wiederaufstieg zu eilen. Vor allem dank der zwölf Treffer (in acht Spielen) von Simon Terodde.
Ich bin bekanntlich kein Fan von Zweitliga-Spielern in der Nationalelf. Aber in diesem Fall, empfehle ich Löw Terodde mal eine Chance zu geben. Vor allem, weil wir im Sturmzentrum wenig Alternativen haben und er in großartiger Form ist. Unsere Bundesligen sind so attraktiv und ansehnlich wie lange nicht. Bravo. So muss das sein. Bitte so weitermachen!