"Top-Trainer" Hasenhüttl zwingt die Großen in die Knie
08.01.2021 | 12:14 Uhr
Ralph Hasenhüttl übernahm den FC Southampton vor rund zwei Jahren in akuter Abstiegsnot. Zwei Jahre später stehen die Saints, nach dem Sieg über Meister Liverpool, auch dank des Österreichers, auf dem sechsten Rang. Sky Sport erklärt, wie der Ex-Leipziger die Saints besser machte.
Ralph Hasenhüttl konnte nach dem packendem 1:0-Erfolg über Meister und Tabellenführer FC Liverpool seine Emotionen nicht mehr zurückhalten: Der Coach des FC Southampton sank nach Schlusspfiff auf die Knie und ließ seinen Tränen freien Lauf. Es waren Tränen der Freude und der Erleichterung, denn für den 53-Jährigen war dieser Triumph gleichbedeutend mit dem ersten Erfolg über Jürgen Klopps Reds.
Southampton steht nun nicht nur auf Platz sechs der Premier-League-Tabelle, das Team aus dem Süden Englands geht mit nur vier Punkten Rückstand sogar auf Tuchfühlung mit Liverpool und den anderen Top-Teams.
Diese Momentaufnahme ist kein Zufall. Mit einem Punkteschnitt von 1,42 Punkten pro Partie ist Hasenhüttl der dritterfolgreichste Trainer in der Premier-League-Geschichte des Traditionsklubs. Der ehemalige Trainer von RB Leipzig übernahm den Platz auf der Bank des Saints am 8. Dezember 2018 mit neun Punkten aus 15 Spielen auf einem Abstiegsplatz. Seitdem holte sein Team 111 Punkte in 78 Premier-League-Partien - in einer saisonübergreifenden Tabelle würde dies Rang neun bedeuten.
Einen besseren Punkteschnitt - Interimstrainer ausgenommen - lieferten nur Glen Hoddle (1,44 Punkte pro Partie zwischen 2000 und 2001) und Ronald Koeman (1,44 Punkte pro Partie zwischen 2014 und 2016).
Für den langjährigen Bundesliga-Trainer Friedhelm Funkel liegt die Entwicklung der Überraschungsmannschaft "eindeutig" an der Arbeit seines früheren Kollegen.
"Es macht einfach Spaß, Ralph in Southampton zu beobachten und zu sehen, wie er diese Mannschaft bis auf Platz sechs gebracht hat", gerät Funkel im exklusiven Sky Interview auf Hasenhüttl angesprochen ins Schwärmen.
"Als er gekommen ist, waren sie in Abstiegsgefahr. Das ist eine tolle Entwicklung, und die liegt eindeutig an Ralph Hasenhüttl", findet der 67-Jährige. Unter dem Strich habe sich der ehemalige Stürmer zu "einem Top-Trainer entwickelt."
Nicht nur Funkel scheint sehr angetan von der Arbeit Hasenhüttls zu sein. Auch die Verantwortlichen der Saints bewiesen in der Vergangenheit großes Vertrauen: Selbst nach der historischen 0:9-Demütigung gegen Leicester City im Oktober 2019 hielt die Führungsetage um Klub-Präsident Ralph Krüger an ihrem Cheftrainer fest.
Für den erfahrenen Funkel alles andere als selbstverständlich. "Normalerweise überlebt das kein Trainer", so der ehemalige Düsseldorfer Coach. Diesem Vertrauensbeweis wird der der ehemalige österreichische Nationalspieler nun mehr als gerecht.
Dass der englische Vizemeister von 1984 mit vergleichsweise kleinen Mitteln, im Sommer verließ mit Pierre-Emile Höjbjerg sogar noch ein absoluter Leistungsträger die Saints, auch Top-Mannschaften schlagen kann, liegt vor allem an Hasenhüttls riskantem, aber effektivem Spielsystem.
Der Teamchef spielt auf der Insel ähnlich wie zu seiner Zeit als Trainer von RB Leipzig in einem hohen 4-4-2-System. Bereits in seiner Zeit als Bundesliga-Coach hatte er auf konsequentes Pressing mit frühzeitigem Druck weit in der gegnerischen Hälfte gesetzt.
Dies hat die Hasenhüttl-Elf mittlerweile verinnerlicht: In der "Pressing-Tabelle" der laufenden Saison belegen die Saints mit durchschnittlichen 10,8 erlaubten gegnerischen Pässen pro Defensivaktion den dritten Platz. Nur Liverpool (10,3) und Marcelo Bielsas Leeds United (8,8) lassen weniger Pässe zu.
Neben dem druckvollen Anlaufen zeichnet Southampton die hohe Torgefahr nach Standards aus. Von insgesamt 29 Treffern erzielten Theo Walcott, Jannik Vestergaard & Co. 40 Prozent ihrer Treffer nach ruhenden Bällen. Kein Team der Premier League (mit mindestens zehn Toren nach Standards) hat in dieser Kategorie einen besseren Wert vorzuweisen. Mit James Ward-Prowse kann Hasenhüttl auf einen echten Freistoß-Experten zurückgreifen. Das Southampton-Urgestein (seit 2010 im Verein) traf in dieser Spielrunde bereits drei Mal per direktem Freistoß.
Nach nun mehr als zwei Jahren Amtszeit hat Hasenhüttl den FC Southampton von einem Abstiegskandidaten zu einer schwer bespielbaren Einheit, die nach 17 Spieltagen völlig verdient punktgleich mit Top-Klubs wie Tottenham Hotspur oder Manchester City ist, verwandelt. Trotz dieses Zwischenerfolgs dürfte der Österreicher noch lange nicht am Ende der Transformation der Saints sein ...