Sergio Ramos: Anführer mit "Drecksack"-Qualitäten
Nach dem Champions-League-Sieg mit Real Madrid
29.05.2018 | 00:04 Uhr
Sergio Ramos polarisiert wie kaum ein anderer Spieler. Im Champions-League-Finale zwischen Real Madrid und dem FC Liverpool (3:1) wird deutlich, was für ein Typ er ist.
Gareth Bale schießt eines der schönsten Tore in der Geschichte der Champions League und Loris Karius leistet sich einen der größten Patzer. Und dennoch dreht sich alles um Sergio Ramos. Der Kapitän von Real Madrid steht mal wieder im Mittelpunkt.
Nicht, weil er als erster Spieler seit Franz Beckenbauer (1974 bis 1976) eine Mannschaft als Kapitän zu drei Titeln im höchsten europäischen Klubwettbewerb geführt hatte. Für Gesprächsstoff sorgt vielmehr seine - in den Augen der Fans - unfaire Spielweise.
Matthäus verteidigt Sergio Ramos
In der 26. Minute hakte er sich bei Mohamed Salah ein und zog den Ägypter in Wrestling-Manier zu Boden. Der Liverpool-Star zog sich eine Schulterverletzung zu und musste ausgewechselt werden. Sogar seine WM-Teilnahme ist in Gefahr. "Er zieht ihn auf die Schulter. Das ist schon brutal", klagte Jürgen Klopp den Welt- und Europameister an und weiter: "Damit wird sich Ramos in Ägypten auch keine Freunde gemacht haben."
Dieser Umstand wird Ramos genauso wenig tangieren wie die Debatte auf Twitter, ob es sich um ein übliches Foul oder eine gezielte Attacke gehandelt habe. "Er wollte ihn sicher nicht verletzen", meinte Sky Experte Lothar Matthäus, "aber ich glaube, er wollte ihm schon wehtun. Ein Zeichen setzen, ihm zeigen: Heute kommst du nicht weit."
Ein Zeichen setzen. Das machen die großen Spieler. Die Anführer. Und Sergio Ramos ist ein geborener Anführer, der mit einem unbändigen Siegeswille ausgestattet ist. "Ramos ist genau der Spielertyp, den Real braucht", sagte Michael Ballack bei Sky. Vor der Auswechslung von Salah sei Liverpool leicht überlegen gewesen, "danach hat sich das Blatt ein bisschen gedreht", erklärte der Vize-Weltmeister von 2002.
Ellenbogencheck gegen Karius
Ramos schickte Salah nach dem Spiel via Twitter noch Genesungswünsche. "Der Fußball zeigt dir manchmal sein schönstes Gesicht. Und manchmal sein bitterstes. Vor allem sind wir Kollegen. Schnelle Genesung, Salah! Die Zukunft wartet auf dich."
Ramos ist ein Profi durch und durch, kämpft immer bis zur letzten Sekunde für sein Team. Er tut alles für den Erfolg. Mit allen Mitteln - und das immer am Rande der Legalität. Wie in der 49. Minute gegen Liverpool. Der 32-Jährige traf Karius mit dem Ellenbogen am Kopf, nur zwei Minuten später leistete sich dieser den ersten Mega-Bock.
Ob ihn die Aktion beeinträchtigt hat, ist unklar. Doch es sind Szenen wie diese, die erklären, warum der spanische Nationalspieler so sehr polarisiert. Er ist bekannt für sein überhartes Einsteigen, nicht umsonst ist er mit 24 Platzverweisen Rekordhalter auf der iberischen Halbinsel. Übertriebene Schauspieleinlagen zählen ebenfalls zu seinem Portfolio.
Shitstorm nach Schauspieleinlage
Vor einem Jahr legte er im Champions-League-Finale gegen Juventus Turin einen unrühmlichen Auftritt hin. Beim Stand von 3:1 wollte Turins Juan Cuadrado den Ball für einen Einwurf holen und berührte Sergio Ramos dabei leicht am Rücken. Plötzlich sank der Innenverteidiger wie vom Blitz getroffen zu Boden, wälzte sich und schrie vor Schmerzen. Die Folgen des komischen Schauspiels: Cuadrado sah Gelb-Rot und Ramos kassierte einen Shitstorm.
Auf der anderen Seite ist er einer der besten Abwehrspieler der Welt. Auch das ist unbestritten. Sein Stellungsspiel ist brillant und kaum ein anderer Verteidiger strahlt so eine Torgefahr aus wie er. Diese Erfahrung musste auch schon der FC Bayern machen.
Die 90 Minuten von Kiew haben gezeigt, wer Sergio Ramos ist. Er ist ein Anführer mit "Drecksack"-Qualitäten. Und wahrscheinlich gewinnt man nur mit so einem Spieler drei Mal hintereinander die Champions League.