Wechsel zu Newcastle United: Wer ist Ex-Milan-Star Sandro Tonali?
Drei Ikonen im Rekordmann vereint! Das Kollektiv-Wesen Tonali
05.07.2023 | 20:16 Uhr
Sandro Tonali war die Schlüsselfigur bei AC Milan. Nun sagt der 23-jährige Spielmacher "Arrivederci" und wechselt rekordweise zu Newcastle United. Höchste Zeit, sich einen Mann anzuschauen, der gleich drei italienische Ikonen in sich vereint. Tonali ist das Kollektiv-Wesen des Calcio.
Für seinen nächsten Sommerneuzugang greift Newcastle United tief in die Tasche. Den Transfer von Milans Sandro Tonali lassen sich die Magpies satte 70 Millionen Euro kosten. Und während sich die Engländer völlig zurecht über einen Transferhammer freuen, macht sich im rot-schwarzen Teil der lombardischen Hauptstadt seit Anfang der Woche nichts als Frust breit.
Mit Tonali, der durch seinen Transfer gleichzeitig zum teuersten Italiener jemals sowie zu Milans Rekordverkauf avanciert, verlieren die Rossoneri nicht nur ihren Architekten, Abräumer und vielleicht wichtigsten Mann, sondern auch - und noch viel wichtiger - ihre große Identifikationsfigur in spe, die eine ganze Ära hätte prägen sollen.
Rot-Schwarze Bestimmung
Doch auf Anfang. Als Tonali, ein Kind der Lombardei, mit zwölf Jahren in die Nachwuchsabteilung von Brescia Calcio kam, schien schnell klar, dass man es mit einem ganz besonderen Talent zu tun hatte. Bei den "Rondinelle" schaffte das Wunderkind schon ein paar Jahre später den Durchbruch zum Profi bei der damaligen Zweitliga-Mannschaft. Und das als 17-Jähriger.
Es folgten die zweifache Auszeichnung zum Serie-B-Spieler des Jahres sowie der Aufstieg ins Oberhaus mit Brescia. Dort war Tonali mit gerade einmal 19 Jahren der Lenker und Denker - italienisch: der Regista - im Spiel der Rondinelle. Er allein entschied, ob Brescia den Angriff mit Tempo führt, das Spiel auslagert oder es verlangsamt. Wie einst Andrea Pirlo, der seine Karriere ebenfalls bei Brescia begonnen hatte.
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Als gesetzter Spielmacher konnte er den Wiederabstieg zwar nicht verhindern, doch dank seiner mehr als überzeugenden Auftritte, rief er internationale Top-Klubs auf den Plan. Trotz Offerten von Barcelona, Manchester United und Juventus, wie Brescias Präsident Massimo Cellino damals verriet, entschied sich Tonali für jenen Verein, der offenkundig für ihn bestimmt war und die Versalien "AC" trägt.
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"In Mailand, wo ich herkomme, unterstützen mehr oder weniger alle diese Mannschaft. Auch mein Vater, der diese Leidenschaft auf mich übertragen hat, als ich noch ein Kind war. Ich wollte mir dieses Trikot unbedingt überstreifen. Ich musste nach Mailand gehen. Ich musste es einfach tun", erklärte der damals 20-Jährige auf seiner Vorstellungs-Pressekonferenz in Mailand inbrünstig.
Pirlo mit einer Prise Gattuso
Tonali und Milan, eine Verbindung, die auf Anhieb zu harmonieren schien. Womöglich auch aufgrund der Ähnlichkeit zur erwähnten rot-schwarzen Gottheit Pirlo. Vieles an Tonali erinnert an ihn. Sie ähneln sich in Statur, Aussehen und Ausstrahlung auf dem Platz. Tonali gleitet über den Rasen, hat einen 360-Grad-Scan. Er beherrscht Traumpässe, serviert Traumflanken und schießt obendrein auch noch Traumtore. Alles, für das Pirlo, wie kein zweiter stand.
Doch trotz der nicht von der Hand zu weisenden äußerlichen Ähnlichkeit unterscheidet die beiden auf dem Platz taktisch doch einiges. Pirlo war einer der elegantesten Fußballer seiner Zeit. Mit seiner Präzision im Spiel, seiner Intelligenz und dem technischen Vermögen dirigierte er seine Mannschaft.
Sein Spiel war jedoch immer auch geprägt von einer gewissen Statik. Tonali ist da anders, athletischer und schneller. Außerdem ist sein Spiel defensivorientierter, er antizipiert gegnerische Bälle und teilt mitunter ordentlich aus im Zweikampf. Neben der Finesse Pirlos trägt Tonali also einen weiteren Spielertyp in sich: Gennaro Gattuso, der mit einer Hingabe über die Fußballplätze dieser Welt grätschte wie sonst keiner.
Kollektiv-Wesen Tonali
Und damit nicht genug. Tonalis nun ehemaliger Coach bei Milan, Stefano Pioli, legte noch einen obendrauf: "Am ersten Tag fragte ich Sandro nach seiner idealen Position. Er sagte: "Die Leute vergleichen mich mit Pirlo, aber ich betrachte mich eher als Gattuso." Pioli fügte darauf hinzu: "Ich denke, wenn wir Daniele De Rossi zu dieser Mischung hinzufügen, vervollständigt ihn die Beschreibung."
De Rossi, 17 Jahre lang das lodernde Herz der AS Roma, also auch noch. Tonali ist der moderne Spielmacher par excellence, der gleich mehrere Spielertypen in sich vereint. Ja, Tonali ist das Kollektiv-Wesen des italienischen Calcio - nicht nur des rot-schwarzen. Umso schmerzt sein Abgang. Die Bestimmung sah nicht nur den Wechsel zur und Aufstieg bei der AC, sondern eigentlich auch eine ganze Ära in der Serie A vor.
Das hat sich - zumindest vorerst - erledigt. Coach Pioli muss das Team ohne seinen unangefochtenen Stamm- und Führungsspieler neu gestalten. Und ohne diesen begnadeten Fußballer, der nicht nur zuhauf mit Mailänder Ikonen verglichen wird, sondern wohl auch selbst eine solche im Verein hätte werden können.
Tonali wollte wohl bleiben
Warum also kehrt er Mailand den Rücken? Tonali selbst wollte Milan nicht verlassen, wie zahlreiche italienische Medien - unter anderem La Repubblica - berichten. Die Lombarden hätten das Geld aus dem Verkauf von Tonali allerdings dringend nötig gehabt. Tonali sei in Tränen ausgebrochen, als er erfuhr, dass der Verein ihn verkaufen wollte. Gegenüber La Gazzetta dello Sport erklärte er noch im vergangenen Dezember, er wolle "für den Rest seiner Karriere" bei Milan bleiben.
Nun aber packt Tonali seine Koffer und tritt die - für italienische Spieler seines Typus eher unkonventionelle - Reise nach England in die Premier League an. Dort freut sich Newcastle-Coach Eddie Howe über den Neuzugang: "Er ist ein Ausnahmetalent, das mit seiner Mentalität, seiner Physis und seinen technischen Fähigkeiten sehr gut zu uns passen wird". Trotz seines jungen Alters sei der Mittelfeldspieler bereits eine "Schlüsselfigur in einer der besten europäischen Ligen und in der Champions League" gewesen.
Eine Rolle, die ihm fortan auch bei den Magpies zukommen soll.
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