WM 2022 in Katar: Kolumne von Sky Reporter Sven Töllner - Oha, Katar
Berührungspunkte: Fehlanzeige
08.08.2023 | 10:19 Uhr
Sky Reporter Sven Töllner blickt in seiner Kolumne "OHA, KATAR" auf die WM im Wüstenstaat - und schildert seine ganz persönlichen Eindrücke.
WIR haben schon verdammt schlechte WM-Endrunden abgeliefert - meist nach den großen Erfolgen. Die Schmach von Cordoba '78 vier Jahre nach dem Heim-Triumph. Das Aus gegen Bulgarien '94 nach der Notte Magica von Rom im Jahr der Wiedervereinigung.
Nun das Early-Check-out-Double in Russland und Katar - quälende Tiefschläge für den DFB. Der reflexartige mediale Kollektiv-Aufschrei, Grundsatzdebatten und Ultimativ-Forderungen. Gelernte Abläufe. Aber irgendwas ist anders. Was sich 2018 bereits nachdrücklich angedeutet hatte, liegt jetzt - zumindest in der gefühlten Wahrnehmung - wie eine Smog-Wolke über der Fußball-Nation: Die Fans verspüren die schwarz-rot-goldene Gleichgültigkeit. "Die Mannschaft" hat die Herzen vieler Anhänger verloren - Berührungspunkte: Fehlanzeige.
Es braucht eine strukturelle Kurs-Korrektur
Natürlich gibt es erhebliche sportliche Probleme. Versäumnisse und Fehleinschätzungen, die die Nationalmannschaft mit Ansage eingeholt haben. Es braucht ohne jeden Zweifel eine strukturelle Kurs-Korrektur, um den eklatanten Abstand zur Weltspitze zu verringern. Das wird Jahre dauern. Um die Sympathien der Fans zurückzugewinnen, wird die vage Aussicht auf sportliche Besserung mutmaßlich nicht genügen.
Die Verantwortlichen haben die fortschreitende Entfremdung sehenden Auges zugelassen, ihr teilweise Vorschub geleistet. Camps in größtmöglicher Abgeschiedenheit, abgeschottete Trainingseinheiten. Dazu Spieler, die irritierend unterkühlt daherkommen oder - wie Thomas Müller - instinktlos den Moment kapern, um Punkte in eigener Sache einzufahren.
Trending
- Interesse wird konkreter! Topklub will Davies
- Füllkrug-Flucht aus England?
- Nur Platz 16! BVB will den ersten Auswärtsdreier
- Drastische Maßnahmen bei Chelsea || Mbappe-Streit mit PSG geht weiter
- 360 Mio.! Details zu Reds-Deal durchgesickert
- Kuriose PK-Momente! Kind amüsiert Rose
- Drastische Maßnahmen! Chelsea setzt Top-Talent unter Druck
- "Irritiert über die Kritik": Weltmeister nimmt Neuer in Schutz
- Money Messi! Superstar in anderen Sphären
- Streit zwischen Mbappe und PSG geht in die nächste Runde
Der Dank an die Anhänger mit dem Blick in die Kamera wäre an vielen Stellen sehr viel besser aufgehoben gewesen, als beim Live-Interview im unmittelbaren Anschluss an das zweite Vorrunden-Aus ensuite. Unser herrlich schelmischer Bayern- und DFB-Held ein Ego-Player? Vermutlich nicht. Und doch wirkte der überraschende Auftritt nicht wie ein spontaner emotionaler Ausbruch.
Doch alles nicht so spontan beim Müller-Interview?
Da hat einer ein Drehbuch im Kopf gehabt, in dem er sich für den Showdown selbst eine starke Szene reingeschrieben hat. Stand der Plan schon vor dem Spiel? Alles in allem jedenfalls überaus verstörend, wie Müller den Augenblick der sportlichen Demütigung zugunsten seiner eigenen Belange instrumentalisiert. Und muss es eigentlich sein, dass Mario Götze seiner Enttäuschung über den unerwünschten Exit bei Instagram in englischer Sprache Ausdruck verleiht? Internationalisierung, Markenbildung - was man da alles beachten muss! Und dann auch noch Fußball spielen…
Sind es die Zeichen der Zeit, ein Merkmal der Generation, das außer dem 29-jährigen DFB-Frischling Niclas Füllkrug kaum ein Nationalspieler so zu reden scheint, wie ihm der Schnabel gewachsen ist? Der Verdacht, dass die Kultur im "Die Mannschaft"-Kosmos eher früher als später dazu führt, dass die glattgebügelte Rhetorik als hoffähig und notwendig betrachtet wird, steht jedenfalls ganz schön stramm im Raum.
Natürlich ist es nicht das automatische Allheilmittel, die Führungskräfte zu tabularasieren. Direkt nach dem Abpfiff ist überdies noch nie ein Nationaltrainer zurückgetreten. Hansi Flicks ungläubiger Blick nach den entsprechenden Fragen garniert mit dem Hinweis auf seinen laufenden Vertrag wirkte angesichts der überdeutlich offenbaren fußballerischen Fehlentwicklung gleichwohl entlarvend. Ein Beleg für das verquaste Selbstverständnis im Maschinenraum der Turniermannschaft a.D.?
Wird alles besser, wenn Bierhoff geht?
Die Konstante in den 18 Jahren seit dem blamablen EM-Auftritt in Belgien und den Niederlanden heißt Oliver Bierhoff. Ein versierter Redner, stets unantastbar im Hinblick auf Styling und Frisur. Natürlich auch ein kluger Kopf mit guten Ideen und nachweisbaren Anteilen an den Erfolgen, die in diese Ära fallen.
Das Emblem des gewieften Marketing-Strategen hat der Golden-Goal-Boy von 1996 gleichwohl nie ablegen können. Wollte er wohl auch nie. Der Eindruck, dass da einer die Geschicke des Gefüges leitet, der trotz einer beachtlichen Spieler-Karriere viel zu wenig Gespür für die Geschehnisse auf dem Rasen und auf den Rängen hat, hat sich in den knapp zwei Jahrzehnten seiner Amtszeit deutlich verfestigt.
Wird alles besser, wenn Bierhoff geht? Das weiß keiner. Muss sich der Geschäftsführer grundsätzliche Fragen gefallen lassen? Ja, natürlich. Im Idealfall stellt er sie sich selbst. Aber ist der 54-Jährige frisch und flexibel genug, um sich zumindest so weit neu zu erfinden, dass sein Einfluss auf die Abläufe wieder sinnstiftender, gesünder und auch ein wenig irdischer wirkt? Fraglich!
Zum zweiten Mal in Folge ist die DFB-Elite-Abteilung ungelenk in ein WM-Turnier hineingestolpert und hat es nach drei Spielen verfrüht wieder verlassen. Die Handhabung der Erdogan/Özil-Gündogan-Affäre ist den damaligen Verantwortlichen um Reinhard Grindel genauso auf die Füße gefallen, wie die flott vorgetragenen Muskelspiele von Bernd Neuendorf kurz bevor er nach der erwartbar robusten Reaktion der Infantino-Armee den Befehl zum Einknicken nach unten weitergab.
Erhebliche Anstrengungen notwendig
Mit Blick auf die Heim-EM in zwei Jahren sind erhebliche Anstrengungen notwendig - derzeit ist es jedenfalls schwer vorstellbar, dass sich bis zur Euro 2024 ein akzeptables Maß an allgemeiner Vorfreude entwickelt. Der Kader muss besser werden! Die Außendarstellung auch!!
Ein erster Schritt zu einem verbesserten Image könnte eventuell sein, nicht ständig zu versuchen ein Image zu kreieren. So lange herumzufeilen bis es endlich glatt genug ist, hat sich nicht als Erfolgskonzept erwiesen. Wer hat denn schon ernsthaft etwas gegen Ecken und Kanten einzuwenden!?
Die umfassende Aufarbeitung hat Neuendorf ja bereits angekündigt. Vermutlich kein Fehler, bei den notwendigen Kurskorrekturen anständig Tempo zu machen. WIR haben die Summe an Fehlentwicklungen satt und würden nur zu gern guten Gewissens den "Fehlfarben" das Wort erteilen: "Es geht voran" - irgendwann. Demnächst. Hoffentlich!