"Wontorra - der Fußball-Talk"
22.08.2018 | 11:47 Uhr
Bei "Wontorra - der Fußball-Talk“ spricht FCB-Präsident Uli Hoeneß über die Transferpolitik des Rekordmeisters, die "Causa Özil" und die Nationalmannschaft.
… über den neuen Trainer Niko Kovac: "Kovac ist jetzt seit sechs Wochen da, aber schon jetzt kann man sagen, dass wir den richtigen Trainer geholt haben. Er hat das Bayern-Gen und er weiß, was man von ihm erwartet. Alles, was wir in die Verpflichtung hineininterpretiert haben, das lässt sich jetzt schon sehen. Es wird hart gearbeitet, es wird wieder auf Disziplin Wert gelegt. Die Spieler haben nicht mehr so viele Freiheiten. Deshalb bin ich hundertprozentig davon überzeugt, dass wir eine sehr gute Saison spielen werden."
… zur Skepsis über Kovacs mangelnde Erfahrung: "Ich möchte daran erinnern, wir haben vor ein paar Jahren einen der größten Trainer der Welt geholt, Carlo Ancelotti. Der hat alles gewonnen, Champions-League-Siege gefeiert, und das ist total in die Hose gegangen. Deshalb ist nicht der Ruf und der Name entscheidend, sondern was ein Trainer daraus macht und deshalb bin ich sehr, sehr glücklich, dass wir mit Niko Kovac einen Mann haben, der noch Hunger hat, der einen Verein voranbringen will und die Sprache der Spieler spricht. Dass wir einen im Kader haben, der manchmal Probleme machen wird, das weiß er, das wissen wir, er wird das machen."
… zur Absage von Thomas Tuchel: "Erste Wahl war Jupp Heynckes. Und als er abgesagt hat, haben wir uns für Niko Kovacs entschieden. Und ob er erste, zweite oder dritte Wahl war, das ist ja nur Spekulation der Medien. Wir haben darüber nie gesprochen und wir werden nicht darüber sprechen. Thomas Tuchel hat ja nie abgesagt, er hatte nur vorher in Paris zugesagt. Dem hat es einfach so lange gedauert, dass wir auf Jupp Heynckes so lange gewartet haben. Bei einem so großen Trainer wie Jupp Heynckes wartet man bis zum allerletzten Tag und da ist er nervös geworden und hat in Paris zugesagt, was ich akzeptieren muss. Aber ob er jetzt der bessere Trainer ist als Niko Kovac, das werden wir am Ende der Saison sehen. Das Märchen, dass er unsere erste Wahl war, ist einfach falsch. Hasan Salihamidzic ist nach Frankfurt gefahren, hat in zwei Stunden alles klar gemacht. Kovac ist unser Trainer und wir sind sehr, sehr zufrieden, dass wir diese Wahl getroffen haben. Wir haben Tuchel kein konkretes Angebot gemacht."
… zum Versuch, Jupp Heynckes zu halten: "Wenn man überzeugt ist, von einem Menschen, der uns in der größten Not aus der Scheiße herausgeritten hat, dann lässt man den nicht einfach so fallen. Ich bin dafür bekannt, sehr hartnäckig zu sein. Erst als wir gemerkt haben, dass es gar nicht mehr geht, haben wir uns mit anderen Themen beschäftigt."
… über Julian Nagelsmann: "Julian Nagelsmann ist ein ganz toller Trainer, ein junger Mann, der fantastische Arbeit macht. Aber es ist in dem Alter und mit dieser Vita noch drei, vier, fünf Jahre zu früh für Bayern. Der wird sicherlich mal ein Trainer sein, der Bayern trainieren kann, aber noch nicht jetzt. Wir hatten ihn für 2019 nie im Auge. Glaubt mir, wir haben ein klares Konzept und da zählt bis jetzt Julian Nagelsmann nicht dazu. Wenn das so weitergeht, wird Niko Kovac viele Jahre bei Bayern trainieren."
… zu den wenigen Transferausgaben in dieser Transferperiode: "Ich verstehe manchmal die ganze Welt nicht: uns wird vorgeworfen, dass wir nicht die teuersten Spieler der Welt für 500 Millionen Euro gekauft haben, andererseits sagt jeder, bei dem Kader gibt's doch Probleme mit den Stars. Wenn wir jetzt noch drei teure Spieler gekauft hätten, würden sich diese Probleme doch potenzieren, was wollen die Leute? Am besten ist, man hat einen ausgewogenen Kader, aber wir haben uns schon Gedanken gemacht und wir sammeln im Moment ein bisschen Geldein, für den Fall, dass wir nächstes Jahr ein bisschen größer einkaufen müssen. In diesem Jahr sahen wir es nicht als notwendig an."
… über mögliche Starallüren von Franck Ribery und Arjen Robben: "Wir haben mit Kingsley Coman und Serge Gnabry zwei fantastische Spieler, die auf den Positionen spielen. Es wird ein Kunststück sein, das so auszutarieren, dass es funktioniert. Ich bin überzeugt, dass beide Spieler, Arjen und Franck, Verständnis haben, wenn sie mal nicht spielen, nur so kann der Übergang von der älteren zur jüngeren Generation funktionieren. Unter diesen Voraussetzungen hat der FC Bayern auch beide Verträge verlängert. Das zu moderieren, ist Aufgabe des Trainers."
… über den wechselwilligen Robert Lewandowski: "Robert Lewandowski hatten wir immer im Griff, nur seine Berater nicht. Dem haben wir keine Gesprächszeit gegeben. Karl-Heinz, Hasan und ich haben uns fest vorgenommen, dass wir stur bleiben. Wir wollen der Fußballwelt beweisen, dass auch bei Angeboten, die weit über 100 Millionen liegen und lagen, ein Verein mal Nein sagt und das werden wir durchziehen, egal was die nächsten Tage noch passiert. Ich bin überzeugt, dass man Angebote bis zu 150 Millionen hätte haben können, wenn man das wollte, aber wir hatten uns entschieden und das tut der Fußballwelt ganz gut, dass da ein Verein da ist, der nicht auf die Börse schauen muss, der nicht einen Oligarchen hat, keinen Öl-Magnaten, der bestimmt, was zu tun ist, sondern wir haben unser Geld weder im Lotto gewonnen noch geerbt, sondern wir haben es hart erarbeitet."
… über das schlechte Abschneiden gegen Saisonende: "Ich glaube auch, dass am Ende der vergangenen Saison ein bisschen Müdigkeit da war, die mit dazu geführt hat, dass die deutsche Nationalmannschaft in Russland nicht so gespielt hat wie das notwendig gewesen wäre. Wir sind uns im Klaren, wir beim FC Bayern haben auch die Verantwortung für den gesamtdeutschen Fußball, denn wenn es dem FC Bayern nicht gut geht, dann spielt auch die Nationalmannschaft nicht gut. Und deshalb werden wir mitverantwortlich sein, ob die Nationalmannschaft in den nächsten vier bis fünf Jahren wieder ganz nach oben kommt. Daran müssen wir hart arbeiten. Und wenn ich die Mannschaft teilweise in Russland gesehen habe, wie die über den Platz geschlichen sind, dann konnte ich von harter Arbeit nicht viel sehen. Da schließe ich die Bayern-Spieler mit ein. Sie haben nicht die Leistung gezeigt, die notwendig ist. Ich bin überzeugt, dass wir in den nächsten Wochen wieder entsprechende Leistungen von den Spielern der Nationalmannschaft sehen werden."
… über Sebastian Rudy: "Sebastian Rudy ist ein prima Spieler und ein sehr guter Charakter, aber er ist sehr ehrgeizig und will unbedingt spielen. Wenn die Ablösesumme stimmt, würden wir da eine Lösung anstreben. Ich denke, dass ich Verlauf der nächsten Woche Entscheidungen geben wird. Aber ich bin auch ein glücklicher Mensch, wenn Sebastian bei uns bleibt, weil er ein toller Junge ist, der dem FC Bayern gut zu Gesicht steht."
… zum knappen 1:0-Sieg der Münchner gegen Regionalligist SV Drochtersen/Assel: "Unsere Mannschaft hat nicht gut gespielt, aber in der 1. Runde muss man nur weiterkommen. Deswegen vergessen wir das Spiel gestern. Ich glaube, unsere Spieler haben auch geschaut, dass sie sich nicht verletzen, damit sie am Freitag gegen Hoffenheim spielen können. Drochtersen hat sehr gut gespielt, gegen Viertliga-Mannschaften muss man immer aufpassen. Jetzt kommen wieder schwierige Gegner in der Bundesliga, da ist die Motivation für unsere Spieler auch größer."
… über Jerome Boateng: "Jerome Boateng hat Karl-Heinz Rummenigge mitgeteilt, dass er sich verändern will und wir haben auch hier gesagt, wenn er einen Verein findet, mit dem man sich einigen kann, dann werden wir uns damit beschäftigen. Aber auch hier gilt, wenn sich das alles zerschlägt, sind wir sehr glücklich, wenn er bleibt, weil er ein fantastischer Spieler ist. Aber ich kann es ja sagen, es kommt nur noch Paris in Frage, wenn die entsprechend bezahlen, dann werden wir uns damit beschäftigen, wenn sie das nicht tun, bleibt er bei uns. Ich würde sagen, die Chancen stehen 50/50. Dieser Verein in Paris, sie müssen den Gashahn in Katar nur einen Millimeter nach rechts drehen, dann kommen da hundert Millionen Dollar raus. Wenn du diese Möglichkeiten hast, spielt es keine Rolle, ob schon Thilo Kehrer nach Paris gegangen ist oder nicht. Eine Leihe kommt bei Boateng nur in Frage, wenn für nächstes Jahr ein festes, unwiderrufliches Kaufangebot da ist."
… zum Financial Fairplay: "Dieses ganze Financial Fairplay können Sie in die Tonne klopfen, das ist sowieso nichts wert. Es wird jedes Jahr ad absurdum geführt. Wenn Paris einen Spieler will, werden sie Möglichkeiten finden. Man kann einen Spieler für ein Jahr ausleihen und einen Kaufvertrag für das nächste Jahr machen, dann fließt das Geld erst nächstes Jahr und schon ist das Financial Fairplay umgangen."
… über Ligakonkurrent Borussia Dortmund: "Ich glaube, Dortmund hat in der Breite seinen Kader sehr gut verbessert. Favre war auch in unseren Gesprächen dabei, aber da sind wir nicht weitergekommen. Er hat überall, wo er gearbeitet hat, bewiesen, dass er eine Mannschaft weiterbringt. Das wird auch in Dortmund nicht anders sein."
… über Vizemeister Schalke 04: "In Schalke scheint im Moment eine Euphorie zu herrschen. Mit dem Trainer sind sie offensichtlich sehr zufrieden. Von außen gesehen macht er einen sehr guten Job, auch Herr Heidel ist ein sehr tüchtiger Manager, der sich richtig hineingearbeitet hat. Die Erwartungen sind sehr hoch, man muss mal abwarten, ob sie dem gerecht werden. Da lebt der Fußball in der Stadt."
… über die fehlende Konkurrenz in der Liga: "Für uns wäre es besser, wenn die Distanz zwischen Bayern München und den anderen Vereinen kleiner wäre, weil das den Druck erhöht und bessere Leistungen bringt. Wenn man wie in den vergangenen Jahren im März oder April schon mit 20 Punkten Vorsprung zu den Auswärtsspielen fährst, das hat auch Auswirkungen auf die Leistungen in der Champions League. Dann ist es ganz schwierig, am Dienstag oder Mittwoch bei den ganz großen Teams den Schalter umzulegen."
… über die 50+1-Regel: "Wir waren dafür, die 50+1-Regel abzuschaffen. Nicht weil der FC Bayern sich davon Vorteile verspricht, sondern wir wollen den anderen Vereinen die Möglichkeit geben, sich wirtschaftlich zu verbessern. Wir wollen ihnen auch ein Alibi nehmen. Sie sagen immer, der FC Bayern ist nicht dafür, damit sie keine Konkurrenz bekommen, das ist falsch. Dem einen oder anderen Verein würde es die Möglichkeit geben, Investoren dazuzunehmen. Eine gesunde Konkurrenz sollte man fördern."
… über einen Mega-Transfer bei den Münchnern: "Der FC Bayern muss nicht in den Gesang einstimmen. Ich muss ehrlich sagen, dass ein Fußballspieler, der 200 Millionen kostet, 50 oder 60 Millionen im Jahr verdient, das kann der FC Bayern ja irgendwann machen, aber ich mache das nicht mit. Selbst wenn wir 500 Millionen auf dem Konto hätten, würde ich keinen 200-Millionen-Transfer machen. Denn kein Mensch ist 200 Millionen wert."
… über das Ziel Champions-League-Sieg: "Wir müssen wieder ein bisschen bescheidener werden. Ja, ich möchte das Champions-League-Finale erreichen, ich möchte Champions-Legaue-Sieger werden, aber ich möchte das nicht mit Schulden erkaufen und nicht von irgendeinem Mann abhängig sein, der heute in Fußball investiert und übermorgen in Pferde. Ist der Champions-League-Sieg das Maß aller Dinge? Wir müssen unsere Fans und Mitglieder zufrieden stellen mit möglichst großem Erfolg, aber in einem Gesamtpaket - möglichst seriös und wirtschaftlich. Das halte ich für wichtiger."
… über die Zeit seit seinem Wiedereinstieg: "In den vergangenen 12 Monaten haben wir uns wirklich gut zusammengerauft. Wir haben Matthias Sammer verloren, Hasan Salihamidzic installiert, was eine sehr gute Entscheidung war. Wir haben einen tollen, fleißigen, leistungsfähigen Mann hinzugewonnen. Auch Karl-Heinz und ich hatten gewisse Probleme miteinander. In der Zeit war Karl-Heinz alleine der Boss. Da muss man sich wieder ein bisschen zusammenraufen. Das ist gelungen. Es hat natürlich auch geholfen, dass Jupp Heynckes zurückkam, weil wir beide mit ihm befreundet sind. Hasan hatte auch einen starken Einfluss, weil er immer großen Wert darauf legt, dass es Harmonie im Verein gibt. Mit dem Weggang von Ancelotti, der den FC Bayern in eine Unruhe gebracht hat, hat sich der Verein richtig gut entwickelt."
… über Hasan Salihamidzic: "Das Image von Hasan Salihamidzic in der Öffentlichkeit ist völlig falsch. Er zeigt Karl-Heinz und mir manchmal ganz schön, wo es lang geht."
… über seine Zukunft und die von Karl-Heinz Rummenigge bei den Münchnern: "Unsere Verträge gehen bis Ende 2019, das sind jetzt noch circa eineinhalb Jahre. Die werden wir nutzen, um darüber nachzudenken, ob der eine oder andere weitermacht. Das wird die schwierigste Aufgabe sein. Ich hoffe, ich kann den Zeitpunkt selbst aussuchen kann, wenn ich sage ‚Das war's'. Das können wir dem Verein nicht antun, dass wir gleichzeitig aufhören. Denn eines ist ja ganz klar: die Lücke nach uns wird extrem groß. Egal wer das macht, es wird eine schwierige Zeit."
… über die Aufarbeitung des WM-Debakels: "Ich finde es klug, dass man erst in aller Ruhe die Analyse macht. Es gibt überhaupt keinen Grund für Schnellschüsse. Das bringt uns überhaupt nicht weiter. Aber man muss sich Gedanken machen, wenn Deutschland in einer vermeintlich leichten Gruppe Letzter wird. Das ist ein Alarmzeichen. Ich finde es gut, dass man sich Zeit gibt."
… über Löws eigene Entscheidung, seinen Vertrag zu erfüllen: "Er hat ja nunmal einen Vertrag. Der ist erst vor der WM verlängert worden. Es ist also normal, dass er erklären kann, ob er diesen Vertrag weiter erfüllt. Dieselben Leute, die das jetzt kritisieren, haben den Präsidenten vorher unter Druck gesetzt, wie man den armen Jogi Löw nicht verlängern und ihm das Vertrauen schenken kann. Er hat beim DFB hervorragende Arbeit geleistet, sowas schmeißt man nicht einfach weg. Aber Löw muss sich selbst hinterfragen, was schief gelaufen ist.
… über DFB-Präsident Grindel und die Causa Özil: "Ihm wurde ja auch die Sache mit Mesut Özil sehr stark vorgeworfen. Da ist vonseiten Özil beziehungsweise von seinem Management das Thema Rassismus und Diskriminierung ins Spiel gebracht worden, um davon abzulenken, dass er eigentlich seit längerer Zeit nicht mehr gut Fußball spielt. Da wurde auch teilweise Haarspalterei betrieben. Ich fand es zum Beispiel unmöglich, dass der Bundespräsident eingeschaltet werden muss, um das Thema Gündogan und Özil zu lösen. Das ist mir doch ein bisschen zu hoch aufgehängt. Wenn ich Führungskraft bin, dann entscheide ich, ob er zur WM fährt oder nicht und vielleicht hätte man unter dem Aspekt Erdogan und die Bilder zwischen der sportlichen Führung und den Spielern diskutieren sollen, ob das nicht die ganze Mannschaft dermaßen belastet, dass es klüger gewesen wäre, beide nicht mitzunehmen. Dann hätten wir uns das ganze Theater erspart. Die politischen Fragen muss die Führung klären und die haben sie meiner Meinung nach lange Zeit falsch eingeschätzt und das laufen lassen und sind von den Medien vor sich hergetrieben worden. Man hätte Özil dazu zwingen müssen, eine Erklärung abzugeben. Aber das ohne Erklärung laufen zu lassen, war wahrscheinlich der größte Fehler überhaupt."
… über Özil selbst: "Ich beobachte den Spieler schon lange und er ist ein gut vermarktetes Produkt, das ihn viel besser darstellt als er ist. Das ist für mich der einzige große Vorwurf. Wäre Löw häufiger nach London zu Arsenal gefahren und hätte ihn sich vor Ort mal angeschaut, hätte er ihn wahrscheinlich aus sportlichen Gründen nicht mitgenommen und dann hätten wir uns das ganze Theater erspart. Es ist ein Wunder, dass er jetzt bei Arsenal Kapitän ist."