Selecao vor der WM 2018
27.03.2018 | 13:10 Uhr
1:7 verlor Brasilien im Halbfinale der Heim-WM 2014 gegen Deutschland - ein Ergebnis, das ein ganzes Land in Schockstarre und tiefe Trauer stürzte. Das Debakel hat aber eine Art Selbstheilung in Gang gesetzt. Sky Sport stellt den kommenden Testspiel-Gegner Deutschlands vor.
Am kommenden Dienstag trifft die deutsche Nationalmannschaft in Berlin auf Brasilien (ab 20 Uhr im Liveblog auf skysport.de). An die Südamerikaner hat der DFB gute Erinnerungen. Am 08. Juli 2014 entfachte Deutschland gegen den Rekord-Weltmeister ein wahres Feuerwerk und schoss den WM-Gastgeber mit 7:1 aus dem Estadio Governador Magalhaes Pinto in Belo Horizonte und damit aus dem Turnier.
Der Traum vom Titelgewinn im eigenen Land war auf heftige Art und Weise zerplatzt. Ein ganzes Land wirkte wie paralysiert. Doch das heftige Debakel hatte auch etwas Gutes. Der brasilianische Fußballverband CBF drehte jeden Stein um und startete eine Art Selbstheilung, die Brasilien wieder zu einem Top-Favoriten auf den WM-Titel 2018 in Russland macht.
Der Schock nach dem krachenden Aus gegen Deutschland wirkte aber noch eine gewisse Zeit nach. Im darauffolgenden Jahr scheiterte die Selecao unter dem nach der WM installierten Trainer Carlos Dunga in der Copa America bereits im Viertelfinale an Paraguay (4:5 n.E.). In der Copa America Centenario 2016 - der Jubiläumsausgabe des Turniers - war gegen Peru, Ecuador und Haiti bereits in der Gruppenphase Schluss.
Es folgte eine der wohl wichtigsten Entscheidungen der vergangenen Jahre. Tite übernahm vom geschassten Dunga und führte Brasilien zu neuer Stärke. Die Südamerikaner marschierten durch die WM-Qualifikation und landeten am Ende mit 41 Punkten souverän auf dem ersten Platz. Seit 1997 werden die WM-Teilnehmer Südamerikas in einer Zehner-Gruppe ausgespielt. Seit damals gab es nur eine Mannschaft, die noch mehr Zähler einfuhr: Argentinien im Vorfeld des Endturniers in Japan und Südkorea 2002 (43 Punkte).
Die derzeitige Bilanz von Tite liest sich damit mehr als gut: 18 Spiele, 14 Siege, 3 Remis und nur eine Niederlage - im Testspiel gegen Argentinien (0:1).
Diese Entwicklung ist auch Nationalspieler Toni Kroos nicht verborgen geblieben. "Wenn ich mir heute die Mannschaft im Vergleich zu 2014 ansehe, ist sie zwei Klassen besser. Sie haben richtig gute Leute - eine gute Zusammenstellung. Brasilien gehört auf jeden Fall zu den WM-Favoriten."
Auch Teamkollege Jerome Boateng schließt sich der Meinung von Kroos an: "Brasilien ist das gleiche Kaliber wie Spanien, wenn nicht sogar mit noch etwas mehr Offensivkraft."
"Sie haben im Gegensatz zur WM 2014 eine bessere Balance. Die Mischung stimmt bei ihnen jetzt viel besser. Sie sind wieder das Brasilien, das jeder kennt", ergänzt Ilkay Gündogan.
Kroos und Gündogan werden noch konkreter und verbinden die positive Entwicklung mit einer ganz bestimmten Personalie: Casemiro. Kroos' Mannschaftskollege von Real Madrid tue der Selecao gut und gebe dem Team eine Komponente, die bislang nicht vorhanden gewesen sei.
Der 26-Jährige, der seit 2015 bei den Königlichen unter Vertrag steht, dient bei Brasilien als Bindeglied zwischen Defensive und Offensive und diktiert in den von Tite bevorzugten 4-1-4-1- und 4-3-3-Systemen den Spielrhythmus der Südamerikaner. Zudem vereint der Mittelfeldspieler brasilianischen Samba-Fußball mit europäischer Zweikampfhärte - eine Kombination, die dem fünfmaligen Weltmeister sichtlich gut tut.
Auch in den anderen Mannschaftsteilen gibt es bei Brasilien mittlerweile neue Kräfte, die unbekümmert und ohne die Negativ-Erfahrung des 1:7-Debakels gegen Deutschland frischen Wind ins Team und in das Spiel der Südamerikaner bringen. 2014 noch brach die Offensive nach dem Ausfall von Neymar komplett zusammen. Der Superstar trug den offensiven Part nahezu alleine auf den Schultern. Fred, Hulk, Bernard und Oscar waren entweder außer Form oder hatten ihre beste Zeit schon hinter sich.
"Aktuell ist Brasilien nicht mehr so abhängig von Neymar wie noch 2014. Sie sind in der Breite besser aufgestellt und haben einige Stars", ordnet Leroy Sane den kommenden Gegner ein.
Mit Gabriel Jesus, Philippe Coutinho, Roberto Firmino und Douglas Costa verfügt Brasilien derzeit über deutlich mehr Geschwindigkeit, Qualität und Torgefahr. 41 Tore in 18-WM-Qualifikationsspielen unterstreichen dies eindrucksvoll.
Nicht nur offensiv, sondern auch in der Defensive haben die Brasilianer einen deutlichen Sprung in den vergangenen beiden Jahren vollzogen. Ein großen Anteil daran hat sicherlich Torhüter Alisson von der AS Roma. Der 25-Jährige Schlussmann bringt es bislang auf 23 Länderspiele in der A-Nationalmannschaft der Südamerikaner. Stolze 14-mal blieb er dabei ohne Gegentor. In keiner einzigen Partie musste er mehr als einmal hinter sich greifen. Zahlen, die für die Qualität des Keepers und für eine gewonnene defensive Stabilität sprechen.
Bei Brasilien ist somit eine Entwicklung in allen Mannschaftsbereichen zu erkennen - nicht nur qualitativ, sondern auch personell. Beim jüngsten Test gegen WM-Gastgeber Russland (3:0) standen mit Dani Alves, Thiago Silva, Marcelo, Willian und Paulinho nur noch fünf Akteure vom 1:7-Debakel auf dem Platz.
Tite hat die Selecao einmal umgekrempelt, ihr neues Leben eingehaucht. Ob dies letztendlich für eine Wiedergutmachung in Russland genügt, bleibt abzuwarten. Mit Brasilien ist aber auf jeden Fall zu rechnen. Der Test gegen die DFB-Elf am Dienstag dürfte einen kleinen Vorgeschmack auf die neue Stärke der Südamerikaner liefern.