Vor dem Bundesliga-Auftakt
17.08.2017 | 21:47 Uhr
Der FC Bayern geht als klarer Favorit auf den Titel in die neue Bundesliga-Saison. Doch erneut wird er vor allem daran gemessen, wie er in der Champions League abschneidet.
Carlo Ancelotti hat die Ruhe weg. Das muss wohl auch so sein bei all dem, was da täglich auf ihn einprasselt. Stefan Effenberg etwa betont, der Trainer stehe "genauso unter Druck wie die Spieler auch". Oliver Kahn behauptet, "natürlich steht Ancelotti unter Beobachtung". Und mehr oder weniger deutlich machen ihm seine Vorgesetzten klar, dass er einen Umbruch bewerkstelligen soll, ohne die Saisonziele aus den Augen zu verlieren.
Carlo Ancelotti sagt erst mal in aller Ruhe, dass "wir uns freuen, dass die Saison beginnt, unser Traum ist, dass wir wieder Meister werden". Am Freitagabend eröffnet der FC Bayern die 55. Saison gegen Bayer Leverkusen - und dass sie mit dem sechsten Meistertitel nacheinander enden wird, scheint ausgemacht.
Die Münchner schwächelten sich durch ihre Vorbereitung mit der strapaziösen Reise nach Asien, die Verletztenliste ist lang, es fehlen Jerome Boateng, Thiago, Javi Martínez, James sowie Juan Bernat - zum Saisonauftakt außerdem Manuel Neuer. "Kein Problem" sei das für ihn, sagt Ancelotti. Niklas Süle (20 Millionen Euro) und Sebastian Rudy (ablösefrei) machen ihre Sache bislang gut.
"Das erste Spiel", sagt Ancelotti, "ist immer schwierig, aber ich denke, wir sind bereit für das Spiel, und ich hoffe, wir können ein gutes Spiel machen". Bayer Leverkusen wird dies mit seinem neuen Trainer Heiko Herrlich zu verhindern suchen.
Ancelotti kann ziemlich gelassen sein, denn in den vergangenen knapp zwei Wochen haben sich die Münchner ein wenig gefangen, sie konnten endlich anständig trainieren und sich einspielen. Sie haben den Supercup gewonnen und die erste Runde im DFB-Pokal. "Alles im Plan", sagt Ancelotti.
Mit dem Gewinn der Meisterschaft wird es aber wie immer nicht getan sein. "Die Messlatte", betont Kahn, "ist die Champions League, wie bei Pep Guardiola". Nur: So lange auf dem Transfermarkt "solche Verrücktheiten passieren", und so lange sie der deutsche Primus und Krösus nicht mitmacht, "kannst du nicht als FC Bayern München (...) den Anspruch haben, die Champions League zu gewinnen" - sagt Uli Hoeneß.
Der FC Bayern hat für 41,5 Millionen Corentin Tolisso geholt - der junge Franzose ist der teuerste Einkauf der Bundesliga-Geschichte. Ancelotti soll den jungen Franzosen einbauen, ihn entwickeln, ihn voranbringen, ebenso wie die anderen Jungen, wie Joshua Kimmich, wie Kingsley Coman, wie Süle. Und auch da steht der Italiener unter Druck. "Ob Carlo Ancelotti die Aufbauarbeit will und macht, werden wir erst in diesem Jahr sehen", sagt Hoeneß eindeutig zweideutig.
So ganz scheinen Karl-Heinz Rummenigge und Hoeneß ihrem Trainer, der im zweiten Jahr eines Dreijahresvertrages ist, nicht über den Weg zu trauen. Ancelotti hat einen neuen Co-Trainer - den ehemaligen Münchner Publikumsliebling Willy Sagnol, der vor dem Engagement durch kritische Anmerkungen zu seinem jetzigen Chef aufgefallen ist. Und sie haben ihm Hasan Salihamidzic als eine Art Aufseher vorgesetzt, auch wenn sie das nicht so sehen.
Sportdirektor Salihamidzic wird von Rummenigge und Hoeneß bereits als eine Art eierlegende Wollmilchsau gepriesen, die sich um alles kümmern wird: Nachwuchs, Profis, Trainer, Stimmung. Er sei, so der erste Eindruck, die "Königslösung", sagt Hoeneß bereits über Salihamidzic. Ancelotti war wohl der Meinung, er wäre auch ganz gut ohne Sportdirektor ausgekommen, aber das hat er "wohl falsch eingeschätzt", widerspricht Hoeneß. Carlo Ancelotti, so ist zu vermuten, wird auch das nicht aus der Ruhe bringen.