DFB-Team: Fünf Gründe, warum Deutschland gegen Japan wieder auf die Beine kommt
Auftrieb der Graugänse: Warum die DFB-Elf jetzt endlich losfliegt
09.09.2023 | 16:04 Uhr
Wenn heute Abend der Pfiff beim Testspiel ertönt, geht es um Hansi Flick und sein Team zwar noch nicht um alles, aber neun Monate vor der Heim-EM bereits um sehr viel. Hier kommen fünf (mit einem Augenzwinkern zu lesende) Gründe, warum sich die DFB-Elf gegen Japan endlich berappeln und es allen Kritikern zeigen wird.
Ungehalten trat Hansi Flick irgendwo an der Nordspitze von Katar in den frühen Morgenstunden eines glühenden November-Tags vor seine Schützlinge. Denn: Der Bundestrainer hat schlecht geschlafen.
Das lag nicht etwa an der lähmenden Hitze draußen vor den Türen und Fenstern des WM-Quartiers der Nationalmannschaft. Nein, er habe in den zurückliegenden Tagen den Rückhalt aus der deutschen Heimat vermisst und dadurch womöglich schlechte Träume bekommen.
Apropos: Wie ein schlechter Traum haben sich auch die darauffolgenden acht Tage angefühlt, als Flick und die deutsche Nationalmannschaft nach drei mehr und weniger enttäuschenden Auftritten krachend aus dem Turnier ausschieden. Nach der WM 2018 kam man bereits zum zweiten Mal in Folge nicht über die Gruppenphase hinaus.
Doch nun ist etwas Gras über die Wüste von Katar gewachsen - naja, aufgrund einer eher unglücklich getimten Doku-Veröffentlichung nicht ganz - und die DFB-Elf darf endlich wieder nach vorne schauen. Das muss sie auch allmählich, denn nun bricht die Crunchtime der Vorbereitung auf die Europameisterschaft im eigenen, so fußball- aber aktuell alles andere als DFB-verrückten Land an. Hier kommen fünf Gründe dafür, warum das mit Flick und den DFB-Stars schon alles hinhauen wird. Juhu!
1. Grund: Kimmich auf seiner "Lieblingsposition"
Hoffnung macht nämlich allen voran Lautsprecher Joshua Kimmich, der nun vielleicht erst einmal keiner mehr sein darf. Der ehrgeizig-ambitionierte, nach Titel und Erfolgen lechzende FCB-Leader könnte gegen Angstgegner Japan endlich wieder auf seiner bestbeherrschten und (so gar nicht) geliebten Rechtsverteidigerposition auflaufen.
Dort drückt der Schuh der DFB-Elf schon seit Langem. Mit Kimmich hinten rechts könnte die wackelige Viererkette die nötige Stabilität bekommen und das Team von Flick nach neun Gegentoren in den vergangenen vier Partien sogar endlich mal wieder zu null spielen. Doof nur für Kimmich, dass er dann nach seinem Verlust der Kapitänsbinde auch noch aus dem Zentrum nach außen verschoben werden würde. Dem anweisungsfreudigen "Joker" dürfte das zwar gar nicht passen, dem Team umso mehr.
2. Grund: Goretzka-Ausbootung als Abschreckung
Dass auch der so harmoniebedürftig wirkende Flick einmal in säuerliche Gemütslage geraten kann, hat die DFB-Doku nach seiner schlaflosen Nacht in der Wüste eindrücklich gezeigt. Die Ausbootung von Leon Goretzka spricht überdies für eine weitere, bislang verborgen gebliebene Facette des Bundestrainers: Der 58-Jährige greift auf dem Weg zum großen Triumph hartherzig und ohne Rücksicht auf Verluste durch.
Dass es dabei ausgerechnet Goretzka, der in den ersten drei Bundesliga-Partien zum Saisonauftakt im Vergleich zur Rückrunde wieder merklich in Aufschwung geraten ist, treffen sollte, spielt keine große Rolle für den Trainer. Es musste einfach ein Zeichen gesetzt, ein Exempel statuiert werden - und das kam mit Sicherheit auch in der mannschaftlich ungemein geschlossenen Kabine (Ironie!) an.
Die Goretzka-Ausbootung war ein feiner Kniff von Flick: Niemand will kurz vor der EM der Nächste sein, der rausfliegt. Die Stars spüren den rigorosen Druck von oben, also fangen sie nach über zwei Jahren unter dem Coach nun gegen Japan an, endlich einmal alles zu geben.
3. Grund: Leaderfrage geklärt
Dem gesteigerten Leistungsdruck in der Mannschaft kommt bei der Rückkehr zur internationalen Weltklasse eine weitere Entscheidung des Trainers zugute. Schließlich ist nun auch geklärt, wer die majestätische V-Formation, im Ornithologie-Fachjargon auch Keilformation genannt, an DFB-Stars anführen wird. Ist es ein Vogel? Ist es ein Flugzeug? Nein, es ist Ilkay Gündogan!
Der stille Dirigent aus Gelsenkirchen, der das derzeit vielleicht beste Team der Welt in der vergangenen Saison als Captain voranschreitend zum Premier-League-Titel, FA-Cup-Gewinn und Champions-League-Triumph geführt hat. In Manchester ist der 32-Jährige eine Legende, warum sollte Gündogan also nicht auch die aktuell fünftzehntbeste Nationalmannschaft auf Erden (gemäß offizieller FIFA-Weltrangliste) zurück zu altem Glanz führen?
4. Grund: Der Auftrieb der Graugänse
Die Oscar-verdächtige Dokumentation über die deutsche Nationalmannschaft und ihr Abschneiden bei der Schand-WM von Katar samt ihrer facettenreichen Fülle an achterbahnartigen Emotionsschüben, überwältigend tiefgreifenden Dialogen und dem über jeden Zweifel erhaben meisterhaft-dramatisch zugrunde liegenden Drehbuch, das selbst Sergio Leone wohl nicht hätte besser schreiben können, war in den vergangenen Tagen fraglos DAS dominierende Thema in der medialen Welt des Fußballs.
Vielleicht hat sich auch der eine oder andere Spieler die Doku noch einmal nostalgisch auf die Zeit in der Wüste zurückblickend angesehen. Klar, es wurde hier und da gewitzelt und gespöttelt über einige Vorgehensweisen der Verantwortlichen, doch das wird die Stars mit Sicherheit nur noch mehr pushen. All die Kritik dürfte den damals schon bedacht eingeflößten Teamgeist so richtig wecken. "Jetzt beweisen wir es allen", dürfte sich auch der notorische Zuspätkommer Julian Brandt dieser Tage gedacht haben.
Immerhin hat das Team im Zulal Wellness Resort überlebenswichtige Tugenden an die Flügel, äh... Hände bekommen, die auch eine Graugans ein Dasein auf Erden lang nicht mehr vergisst: "Wir geben uns gegenseitig Aufwind", zum Beispiel.
Ja, und auch für Graugänse kann aller (Flug-)Anfang schwer sein, immerhin sind sie die größte heimische und mit zwei bis vier Kilogramm zweitschwerste europäische Wildgans. Aber jetzt, über ein halbes Jahr nach den ersten Flugstunden unter dem feurigen Sonnenball der Wüste, dürften auch die DFB-Stars endlich ihre natürlichen Instinkte entdeckt haben und am Firmament zu Siegen gleiten. Angefangen mit einem Erfolg gegen die Wanderfalken aus Japan, selbstverständlich.
5. Grund: Pure Ehrlichkeit
Ach, was sollen eigentlich all die Ironie, all der Sarkasmus und all die Häme gegenüber der DFB-Elf? Saßen die Anhänger der Nationalmannschaft im Sommer 2014 nicht noch frohlockend vor den Fernsehern und Leinwänden der Republik und haben sie nicht alle als begeisterte Fans dank der Nationalmannschaft unvergessliche Erinnerungen mitgenommen?
Wahrscheinlich ist genau das der springende Punkt. Dass Weltklasse-Potential in der Mannschaft steckt, dass der Verband nahezu unerschöpfliche Möglichkeiten besitzt und auch Hansi Flick ein großer Erfolgstrainer sein kann, sind alles andere als Geheimnisse. Es ist in erster Linie die Enttäuschung über dieses nicht ausgeschöpfte Potential, die wohl manch einen zu dem kritisch-amüsanten Schaulustigen gemacht hat, den es heute zuhauf in den Reihen einst passionierter Nationalmannschaft-Fans gibt. Dabei wünscht sich der Großteil vermutlich nichts sehnlicher als eine mitreißende Elf, die sichtlich Spaß an ihrer Arbeit hat und schlicht alles auf den Rasen wirft.
Also mal ganz ehrlich: Schlechter als in den zurückliegenden Partien (fünf Niederlagen, drei Unentschieden, zwei Siege) geht es für Flick und Co. fast gar nicht mehr. Auch das ist ein Mutmacher für den unter Druck stehenden Bundestrainer. Der Tiefpunkt ist bereits erreicht, von hier an kann es nur bergauf gehen. Vielleicht mit einem fesselnden, überzeugenden und letztlich nachhaltig beflügelnden Sieg gegen Japan.
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