DFB-Team: Lothar Matthäus Kolumne über Kimmich und Flick

Matthäus reagiert auf Flick: Das denke ich wirklich über Kimmich

''So sehe ich das'' - die Sky Kolumne von Lothar Matthäus.
Image: ''So sehe ich das'' - die Sky Kolumne von Lothar Matthäus.  © Sky

Sky Experte Lothar Matthäus erklärt in seiner Kolumne, wie er seine Kritik am Spiel von Joshua Kimmich gemeint hat. Der Rekordnationalspieler kann die Situation von Kimmich und von Bundestrainer Hans Flick nachempfinden, aber eine Sache kann er nicht nachvollziehen.

Ich glaube, dass Hansi Flick mich falsch verstanden hat, als er Joshua Kimmich am Donnerstag auf der Pressekonferenz verteidigt hat. Ich habe nicht gesagt, dass Joshua Kimmich ein schlechter Spieler ist. Im Gegenteil. Für mich ist er ein Weltklassespieler, und das sogar auf zwei Positionen: Sowohl auf der Nummer 2, wo er sehr früh bei Bayern angefangen hat, als auch da, wo er in den letzten Jahren gespielt hat.

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Ein Vergleich mit den Basketball-Legenden Kobe Bryant und Michael Jordan ist für jeden Sportler das höchste Lob. Bundestrainer Hansi Flick hat genau diesen Vergleich in Sachen Mentalität für Mittelfeldmotor Joshua Kimmich getan

Die Aussage, dass andere Spieler durch ihn schlechter geworden sind, bezieht sich nicht auf seine Leistung, sondern auf seine taktische Positionierung. Diese war vor ein, zwei Jahren etwas anders. Jetzt will er sehr häufig offensiv spielen, und dafür müssen andere Spieler Defensivaufgaben übernehmen.

Warum soll auf einmal Goretzka auf der Sechs spielen und Kimmich auf der Acht? Es hat alles funktioniert bei Bayern bis vor eineinhalb Jahren, sie haben mit Hansi Flick als Trainer sechs Titel gewonnen. Das ist mein Kritikpunkt.

Kimmich kann nicht alles allein machen

Ich finde Kimmichs Mentalität gut. Manchmal ist es ein bisschen zu viel mit den Interviews nach dem Spiel, aber das war bei mir ähnlich.

Kimmich kann nicht alles allein auf dem Platz machen, er hat Mitspieler, die auch hohe Qualität haben. Wenn er sich selbst zurücknimmt und andere wieder atmen und dort spielen lässt, wo sie ihre Stärken haben. Wenn man Kimmich auf halbrechts spielen lässt, muss Goretzka seine Position halten.

Warum suchen Flick und Tuchel nach einer Sechs?

Das Interessante an dieser Geschichte ist: Warum suchen Flick und Thomas Tuchel beide zurzeit nach einem Sechser? Auf einmal spielt Goretzka bei Flick auf Sechs, der vorher auf der Acht gespielt hat. Warum sucht Tuchel eine Sechs? Weil Kimmich für ihn diese Position nicht so ausfüllt, wie er es noch vor zwei Jahren in Weltklasseform getan hat.

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Kimmichs Ansprüche wurden nicht erfüllt

Kimmichs Ehrgeiz erinnert mich an meine Zeit. Ich hatte auch Tränen in den Augen, wenn wir verloren haben, wenn etwas auf dem Platz nicht funktioniert hat oder ich mit meiner eigenen Leistung unzufrieden war.

Ein Grund für sein Verhalten könnte sein, dass seine Erwartungen und Ansprüche bei den vergangenen großen Turnieren nicht in Erfüllung gegangen sind. Eine verkorkste WM 2018, das frühe Aus bei der EM und dann noch eine verkorkste WM 2022 on top. Er ist in einem sehr guten Fußballer-Alter und hatte ganz andere Ziele. Es kann sein, dass er deshalb zu viel will und dadurch die Mannschaft - und besonders die Mitspieler in seiner unmittelbaren Umgebung - ihre Stärken nicht optimal einbringen können.

Wenn Kimmich seine Position hält, profitieren alle

In erste Linie hat Kimmich als Sechser die anderen Mittefeldspieler zu unterstützen und abzuschirmen. Natürlich kann und soll auch ein Wechselspiel stattfinden, aber nicht so, dass die Mitspieler seine Arbeit machen müssen.

Wenn er das Zentrum freimacht, seine Ausflüge auf die halbrechte Seite macht und mit seinen Weltklasse-Chipbällen Tore einleitet, dann ist es ja in Ordnung. Aber dann ist er nicht mehr der Sechser. Das ist meiner Meinung nach das Problem. Wenn Kimmich seine Position hält, dann profitieren er selbst sowie seine Mitspieler und die Mannschaft davon.

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Persönlich habe ich gar nichts gegen Kimmich. Ich habe nie gesagt, dass er in einem Loch ist oder schlecht spielt. Das hat Hansi vielleicht falsch aufgefasst.

Ich kann Flicks Verhalten nachvollziehen

Er steht als Bundestrainer momentan unter Stress, das ist klar. In einem Jahr beginnt die EM, nicht in irgendeinem Land weit entfernt, sondern in Deutschland. Man hat Verantwortung, Ziele, Druck, man muss Ergebnisse liefern, da wird man dünnhäutig.

Ich kenne Hansi schon lange, wir stehen uns sehr nahe. Natürlich verstehe ich, dass ein Trainer seine Spieler in Schutz nehmen will. Andererseits hat Hansi selbst gesagt, dass jetzt keine Rücksichtnahme mehr gibt, dass nur noch Leistung zählt und er danach aufstellt. Hansi hat Kimmich in seinem neuen System etwas vorgeschoben und Goretzka hinten spielen lassen. Das hat nicht funktioniert.

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Die schwache Leistung der Nationalmannschaft gegen die Ukraine, vor allem defensiv, nimmt Trainer Hansi Flick auf die eigene Kappe. Nach der langen und kräftezehrenden Saison nimmt er seine Spieler in Schutz.

Ich verstehe eins nicht: Warum reiße ich etwas auseinander, was über Jahre in München erfolgreich funktioniert hat, nur weil ich etwas Neues ausprobieren will? Damit setze ich mich wieder unter Druck und gehe wieder in eine Diskussion. Aber wir brauchen Ruhe.

Ich glaube an Hansi, aber...

Wenn du als Trainer Ruhe haben willst, musst du so aufstellen, wie du es sagst. Flick will die besten Spieler spielen lassen, die performen, die ihre Leistung bringen, die in ihrem Verein Stammspieler sind. Wenn er das aber so nicht umsetzt, macht er sich angreifbar.

Wir hören, was er sagt, und wir vertrauen ihm. Ich glaube an Hansi, aber ich kann nicht seiner Meinung sein, wenn ich sehe, was auf dem Platz passiert.

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