Die Stürmer-Situation beim DFB - aus Mangelware wird Überangebot

Bundestrainer Julian Nagelsmann hat (endlich) die Qual der Wahl.

Tim Kleindienst überzeugt nicht nur bei Borussia Mönchengladbach sondern auch im Nationaltrikot als Goalgetter.
Image: Tim Kleindienst überzeugt nicht nur bei Borussia Mönchengladbach sondern auch im Nationaltrikot als Goalgetter.  © DPA pa

Mehr als zehn Jahre sind seit dem Nationalmannschafts-Rücktritt von WM-Rekordtorschütze Miroslav Klose vergangen. Auf der Suche nach einem Nachfolger für die Mittelstürmerposition waren die Optionen über die Jahre meist rar gesät - das hat sich nun geändert.

Von Jeremy Weitz

Die Geschichte von DFB-Sturmkante Niclas Füllkrug ist schon fast zu schön um wahr zu sein. In der Saison 21/22 ging der gebürtige Hannoveraner noch in Liga zwei für den SV Werder Bremen auf Torejagd, mittlerweile steht "Lücke" in der Premier League bei West Ham United unter Vertrag und ist 22-facher Nationalspieler.

Füllkrugs Leistungsexplosion beim damaligen Aufsteiger aus Bremen konnte vom Timing her kaum besser sein. Zu dieser Zeit war er der einzige "echte" Mittelstürmer mit einem deutschen Pass, der für die Nominierung zur WM 2022 infrage kam. Bei der Heim-EM im vergangenen Sommer gesellte sich mit Deniz Undav dann der erste ernstzunehmende Knipser-Konkurrent zum DFB-Kader. Nur wenige Monate später, ist das Rennen um die Stürmerposition offen wie selten zuvor.

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"Timothy Smallservice"

Bedingt durch den Ausfall von Füllkrug für die Nations-League-Spiele Anfang Oktober trat der nächste Ex-Zweitliga-Goalgetter ins Rampenlicht der DFB-Elf: Tim Kleindienst alias "Timothy Smallservice". Mit 1,94 Meter bringt der beidfüßige Neu-Borusse die Gardemaße eines Prototyp-Mittelstürmers mit und fühlt sich auch in der Rolle des Zielspielers am wohlsten - entweder um den Ball selbst im Tor zu versenken oder um den besser postierten Mitspieler in Szene zu setzen.

Kleindienst ist extrem laufstark, spult im Schnitt beachtliche 11,1 Kilometer pro Spiel ab und geht auch sonst auf und abseits des Platzes immer voran. Jüngst führte der 29-Jährige Gladbach gegen Holstein Kiel erstmals als Kapitän aufs Feld und traf bereits nach 36 Sekunden zur Führung. Auch Fohlen-Coach Gerardo Seoane schwärmt bei BILD vom Ex-Heidenheimer: "Bei Tim waren wir absolut sicher, dass das (Kapitänsamt, Anm. d. Red.) nur Positives bei ihm bewirkt. Ich habe selten einen neuen Spieler erlebt, der so sehr vorangeht und so sehr die Kabine prägt."

So performen die deutschen Stürmer

Niclas Füllkrug 7 Spiele, ein Tor (verpasste 11 Spiele verletzt)
Deniz Undav 16 Spiele, 7 Tore, eine Vorlage
Tim Kleindienst 17 Spiele, 9 Tore (5 per Kopf=Ligaspitze), 6 Vorlagen
Jonathan Burkardt 15 Spiele, 11 Tore, zwei Vorlagen
Marvin Ducksch 18 Spiele, 5 Tore, 9 Vorlagen
Nick Woltemade 13 Spiele (6 mal Startelf), 7 Tore, 2 Vorlagen

Jonny B.

Wäre, wäre, Fahrradkette - so oder so ähnlich brachte es Sky Experte Lothar Matthäus einst auf den Punkt. Wie würden wir über Jonathan Burkardt reden, wenn er nicht regelmäßig von Verletzungen ausgebremst worden wäre? Würde der Mainz-05-Profi dann heute überhaupt noch für den FSV spielen? Vermutlich nicht. Doch mit seinen 24 Jahren ist bei "Jonny B." noch längst nicht aller Tage Abend. Und das weiß der Blondschopf auch in dieser Saison wieder eindrucksvoll unter Beweis zu stellen.

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Mit zehn Ligatoren rangiert er aktuell auf Rang drei der Torjäger-Liste und ist damit hauptverantwortlich für den herausragenden fünften Tabellenplatz seiner 05er. Auch in dieser Saison brilliert der Mainzer Kapitän wieder mit Tempo, Spielwitz und einem eiskalten Abschluss. Prompt reagierte auch Bundestrainer Nagelsmann auf das Formhoch und nahm die Absagen-Welle im Oktober zum Anlass, den Stoßstürmer für die Länderspielreise zu nominieren.

Kurz vor der Winterpause erlitt der Stürmer jedoch einen weiteren Verletzungsrückschlag. Burkardt hatte sich im Spiel gegen den FC Bayern München eine Muskelverletzung im hinteren linken Oberschenkel zugezogen. Wann er zurückkehren wird, hängt von seinem Heilungsverlauf ab. Er wird jedenfalls mehrere Wochen fehlen.

Bald (wieder) in Schwarz-Weiß?

Trotz ausbleibender Nominierung in diesem Jahr, machen zwei ehemalige Bremer Mannschaftskollegen in der laufenden Spielzeit mit wiederholt starken Auftritten auf sich aufmerksam: Marvin Ducksch und Nick Woltemade. Beide waren in ihrer Karriere auch schon in schwarz-weißen Trikots zu sehen, doch während Ducksch im November 2023 für die A-Nationalelf auflief, trug Neu-Stuttgarter Woltemade die Farben zuvor nur bei Leihverein SV Elversberg in Liga drei.

Beide zeichnet aus, dass sie trotz ihrer Körpergröße von 1,88 Meter (Ducksch) und 1,98 Meter (Woltemade) nicht nur als reine Zielspieler agieren. Ducksch tritt bei Werder stets als Dreh- und Angelpunkt der Offensivabteilung in Erscheinung und stellt im letzten Drittel mit seiner Übersicht und präzisen Abschlüssen für quasi jeden Gegner eine Gefahr da.

Auch Woltemade besticht mit spielerischer Finesse und weiß zudem seine beeindruckende Physis clever im Zweikampf einzusetzen. "Foulen ist teilweise gegen seine Statur das letzte Mittel", brachte es VfB-Trainer Sebastian Hoeneß nach dem 3:1-Sieg in Heidenheim auf den Punkt.

Deutschland hat also wieder Stürmer. Ob jung und talentiert, bestes Fußballeralter oder betagter, aber verlässlicher Goalgetter - Julian Nagelsmann bietet sich mehr und mehr die ganze Bandbreite an Spielermaterial. Welche Torjäger von der Liste im Sinne des Weihnachtsfestes künftig vom Bundestrainer mit (mehr) Länderspieleinsätzen beschenkt werden, wird sich bei den Nations-League-Partien im neuen Jahr zeigen.

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