Leno über Özil: "Mesut bringt keine negative Energie rein"
19.12.2020 | 13:52 Uhr
Nach zwölf Spielen nur 13 Punkte, Platz 15 - beim FC Arsenal läuft es nicht. Torhüter Bernd Leno erklärt vor dem Spiel gegen den FC Southampton im exklusiven Sky Interview, woran es bei den Gunners hapert. Außerdem spricht der Nationalkeeper über Mesut Özil, Bundestrainer Joachim Löw und seine DFB-Kollegen Kai Havertz und Timo Werner.
Sky Sport: Herr Leno, der FC Arsenal hat beim 0:1 gegen Burnley eigentlich eins der besten Saisonspiele abgeliefert, aber trotzdem wieder verloren. Woran hakt es im Moment?
Bernd Leno: Nach ein paar Spielen hatten wir dieses Mal endlich wieder ein paar klare Torchancen, die aber nicht reingemacht. Auch von der Intensität und der Einstellung war das eine ordentliche Leistung von uns. Immer noch keine gute zwar, aber in der aktuellen Situation ein Schritt in die richtige Richtung.
Sky Sport: Ist das große Problem im Moment tatsächlich die Chancenverwertung?
Leno: Klar, wenn man sich die Statistik so ansieht, fehlen uns natürlich die Tore. Aber die Offensive ist gar nicht so sehr das Problem. Wir machen das Spiel momentan einfach viel zu langsam, der Gegner kann sich dann immer sortieren und das macht es dann schwer, vorne die richtigen Lücken zu finden. Gegen Tottenham hatten wir tausende Flanken in den Strafraum geschlagen, aber wir haben da keinen Spieler vorne, der sich gegen die robusten Innenverteidiger durchsetzen kann. Das macht es dann auch schwierig. Da verpassen wir es, schnell umzuschalten. Wir spielen insgesamt zu behäbig und machen unnötige Fehler.
Sky Sport: Dabei lief es zu Beginn ja richtig gut. Sieben Gegentore in den ersten acht Spielen, das war die beste Abwehr der Liga zu dem Zeitpunkt. Jetzt aber acht Gegentore in den letzten fünf Spielen. Was ist passiert?
Leno: Pech war es sicher nicht, denn das passiert nicht in dieser Regelmäßigkeit. Die Zahlen sprechen für sich, dass es zuletzt nicht gut lief. Vor haben wir zuletzt oft verdient verloren. Wir haben in Leeds zwar 0:0 gespielt, aber das war ein glücklicher Punkt. Wir haben gegen Tottenham verdient verloren, gegen Wolverhampton auch, gegen Aston Villa sogar 0:3. Das waren einfach viel zu viele schwache Ergebnisse und enttäuschende Leistungen. Die Einstellung ist schlecht, die Disziplin fehlt, dazu haben wir kein Selbstvertrauen. Viele Faktoren kommen aktuell zusammen. Das haben wir intern sehr klar angesprochen und jeder ist sich einig, dass wir das sehr schnell ändern müssen.
Sky Sport: Gerade nach der letzten Niederlage und seinem Platzverweis gegen Burnley steht Kapitän Granit Xhaka in der Kritik. Wie sehen Sie die Aktion Ihres Kapitäns?
Leno: Granit weiß selbst am besten, dass er einen Fehler gemacht hat. Das muss ihm niemand sagen. Der Trainer hat es natürlich trotzdem deutlich gesprochen, aber damit hat es sich jetzt für uns. Er ist ja jetzt auch noch gesperrt. Jeder ist frustriert im Moment. Er hat sich in der Situation nicht unter Kontrolle gehabt. Es wird intern auf niemanden gezeigt, jeder hat hier mal Mist gebaut. Solche Fehler passieren, dürfen sich aber nicht wiederholen. Wir hatten auch nach dem Platzverweis noch die Chance den Ausgleich zu erzielen, auch das Spiel zu gewinnen. Für uns ist das Ding jetzt gegessen.
Sky Sport: Auch Trainer Mikel Arteta bekommt aktuell einiges ab. Am Anfang war er noch der Heilsbringer mit dem FA-Cup- und Community-Shield-Sieg, plötzlich steht er in der Kritik. Inwiefern ist das Thema in der Mannschaft?
Leno: Das ist gar kein Thema. Der Trainer kann am wenigsten dafür, dass wir in dieser Situation sind. Wenn man sich anschaut, wie wir teilweise auf dem Platz rumgelaufen sind, dann ist die Schuld einzig bei den Spielern zu suchen. Das muss ich so ehrlich sagen. Wir bekommen rote Karten, machen Fehler, stehen ungeordnet. Das sind Sachen, die wir tausend Mal klar angesprochen haben. Das ist am Ende fehlender Fokus bei den Spielern. Der Trainer ist in der Kabine gar kein Thema, es kommt keinerlei Kritik an ihm auf. Wir kritisieren uns selbst und die Spieler wissen, dass sie in der Verantwortung stehen. Qualität haben wir ja eigentlich, aber auf einmal kam dieser Bruch. Den kann aber niemand nur an einer Person festmachen.
Sky Sport: Momentan geht viel über die Außen und relativ wenig durch das Zentrum. Nur fünf Mannschaften spielen seltener durch die Mitte als Arsenal. Dabei ist doch eigentlich ein sehr kreativer, offensiver Mittelfeldspieler im Kader: Mesut Özil. Arsene Wenger meinte zuletzt, dass er Arsenal sehr wohl helfen könnte. Wie sehen Sie das?
Leno: Das ist natürlich eine schwierige Frage. Er ist ja für die Hinrunde noch nicht einmal gemeldet, also wäre er wenn überhaupt erst ab Januar wieder eine Option. Der Trainer hat diese Entscheidung getroffen. Natürlich hat Mesut außergewöhnliche Qualität, das steht doch außer Frage. Aber der Trainer hat 25 andere Spieler ausgewählt, dass müssen wir akzeptieren. Er trainiert ganz normal mit, er verhält sich professionell, versteht sich auch gut mit allen Mitspielern. Mesut bringt keinerlei negative Energie in die Gruppe. Alles andere liegt nicht in seinen und auch nicht in meinen Händen.
Sky Sport: In der Nationalmannschaft ist Özil ja schon länger kein Thema mehr. Sie waren zuletzt mit dabei beim 0:6 in Spanien, das eine große Krise ausgelöst hat. Jetzt ist entschieden worden: Joachim Löw darf weitermachen. Die richtige Entscheidung?
Leno: Ich finde es defintiv richtig! In der Mannschaft ist es auch überhaupt kein Thema, dass Joachim Löw in der Kritik steht. Die Spieler stehen hinter ihm. Wir befinden uns nach wie vor mitten in einem großen Umbruch. Klar, das 0:6 war ein sehr schlechtes Spiel, gar keine Frage. Aber ich finde, es gehört sich einfach nicht, wie in der Öffentlichkeit mit dem Thema umgegangen wurde. Die Kritik danach war viel zu hart. Die Fans und auch die Mannschaft glauben nach wie vor an den Bundestrainer. Die Öffentlichkeit sollte jetzt auch mal wieder positive Energie reinbringen, sonst schadet man nur seinem eigenen Land. Jeder will bei der EM eine positive Atmosphäre haben. Ich habe das Gefühl, dass die Leute nur darauf warten, dass wir verlieren und scheitern, damit sie wieder negative Energie verbreiten oder ihren Frust rauslassen können. Ich weiß nicht, ob das wegen Corona ist oder was auch immer. Deswegen finde ich es ein bisschen schade, dass auf Joachim Löw so viel herumgehackt wird.
Sky Sport: Jetzt ist die deutsche Community in London seit vergangenem Sommer durch Timo Werner und Kai Havertz angewachsen. Haben Sie Ihren beiden Nationalmannschaftskollegen geholfen, sich einzuleben?
Leno: Ich bin ja im Norden von London, die beiden sind im Osten. Wir sind gefühlt zwei Stunden voneinander entfernt. Aber natürlich haben wir uns ausgetauscht, was es so für Restaurants gibt. Leider dürfen wir uns aktuell nicht treffen, weil man nur mit seinem eigenen Haushalt rausgehen darf. Deswegen müssen wir unsere 'Dates' noch verschieben, hoffentlich wird das aber bald besser. Ich gebe ihnen Tipps, was in London alles geht und was man machen kann. Ich hoffe, dass ich mit Kai und Timo in Zukunft mehr Zeit verbringen kann und würde es sehr gerne sehen, wenn noch der eine oder andere Deutsche mehr in die Premier League wechselt.
Das Interview führte Jogi Hebel.