Schlechtes Zeugnis für FCB-Bosse: "Die Bayern-DNA ist in Gefahr"
13.04.2022 | 23:02 Uhr
Der FC Bayern ist in der Champions League bereits im Viertelfinale am FC Villarreal gescheitert. Zum jetzigen Saisonzeitpunkt fällt das Zeugnis für die sportliche Führung der Münchner desaströs aus.
In einem "Bayern-Spezial" analysieren die Sky Bayern-Reporter Uli Köhler und Marc Behrenbeck die Gründe für das Scheitern des FC Bayern in der Königsklasse. "Das Aus kam nicht unerwartet. Es ist das finale Ergebnis einer unglücklichen Entwicklung", machte Köhler deutlich.
Bereits in den vergangenen Monaten wurde deutlich, dass hinter den Kulissen beim deutschen Rekordmeister der Haussegen schief hängt. Viele Topstars wie Robert Lewandowski, Serge Gnabry oder Niklas Süle sind unzufrieden, wie die Verantwortlichen mit ihnen kommunizieren.
Gegen Villarreal war kaum einer der Bayern-Stars in Topform. Zudem konnte Trainer Julian Nagelsmann aufgrund der fehlenden Kaderbreite kaum von außen einen Impuls in so einem wichtigen Spiel von außen setzen. Auf dem Platz ging in dieser schwierigen Phase keiner vorweg und zeigte Führungsstärke.
Gier und Wille haben offensichtlich gefehlt. Die Münchner haben den Gegner offenbar auch unterschätzt und konnten anschließend den Schalter nicht mehr umlegen. "Der FC Bayern hat es weder nur im Hin- oder Rückspiel verloren, sondern in beiden Spielen zusammen. Sie hatten gleich zweimal die Chance. Daher sind sie mehr als verdient ausgeschieden", erklärte Behrenbeck.
Die sportliche Verantwortung für die Leistungen der Mannschaft liegt in erster Linie beim Trainer. Julian Nagelsmann, der im Sommer das Ruder von Hansi Flick übernommen hat und mit viel Elan in seine neue Aufgabe gestartet ist, hat gerade in den vergangenen Wochen einige Fehler gemacht.
Seine Spieler sollen insbesondere mit der Trainingsintensität sowie auch taktisch unzufrieden mit den Ideen des 34-Jährigen sein. Nagelsmann implementierte die Dreierkette ins Bayern-Spiel und verstärkte das Zentrum mit vielen Akteuren hinter Torjäger Lewandowski. Gegen Villarreal ging die Ausrichtung schief.
Insgesamt hat der FCB schon seit Längerem defensiv viele Baustellen, Nagelsmann bekommt diese Probleme nicht in den Griff. Besonders wenn es mal nicht läuft, wie im Pokal gegen Borussia Mönchengladbach oder in der Liga gegen den VfL Bochum, drohen sogar Debakel. Eine klare Handschrift des Trainers fehlt.
Positiv ist hingegen die Weiterentwicklung einzelner Spieler wie Jamal Musiala oder auch die Einbindung von Talenten wie Paul Wanner. Auch als Kommunikator und FCB-Repräsentant gibt Nagelsmann in seinem ersten Jahr an der Säbener Straße eine gute Figur ab. "Er macht insgesamt keinen schlechten Job, aber es genügt nicht, um den FC Bayern zu dem Erfolg zu führen, auf dem Niveau er sein muss", resümierte Behrenbeck.
Letztendlich holt Nagelsmann in seiner ersten Bayern-Saison wohl nur einen Titel, die deutsche Meisterschaft.
Zwischennote: 4
Der Sportvorstand hatte Nagelsmann vor der Saison für eine Ablösesumme von 25 Millionen Euro von RB Leipzig losgeeist. Damit hat er, wenn auch für eine hohe Summe, mit Sicherheit einen starken Nachfolger für Hansi Flick präsentiert. Da der gebürtige Bosnier aber mit dem heutigen Bundestrainer immer wieder aneinandergeraten war, war Salihamidzic auch mit für den Abschied Flicks verantwortlich.
Die einzigen Pluspunkte sammelt der 45-Jährige durch die Vertragsverlängerungen von Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Kingsley Coman. Ansonsten fällt das Zwischenfazit für den Sportvorstand durchweg negativ aus. "Die Süle-Nummer ist das beste Beispiel, das beim FC Bayern etwas komplett schiefgelaufen ist. Der spielt für dasselbe Gehalt ab Sommer für Borussia Dortmund und geht ablösefrei", so Köhler.
Ständige öffentliche Diskussionen bezüglich Vertragsangelegenheiten und Wertschätzungen der Spieler sind unter Salihamidzic besonders auffällig. "Du musst auch für Mannschaft, Verein und einzelne Spieler eintreten und sie verteidigen. Ein gutes Beispiel ist Leroy Sane. Du kannst ihn für die Leistung kritisieren, aber er fühlt die Rückendeckung derzeit nicht", analysierte Behrenbeck.
"Salihamidzic taucht nicht wirklich öffentlich auf. Er gibt mal hier und da ein Statement ab, aber das er mal einen klaren Standpunkt zu seiner Mannschaft und seinen Spielern hat, ist nicht der Fall", ergänzte Köhler und fügte hinzu: "Er hat sich leider komplett verändert. Da fehlt mir die menschliche Wärme."
Anzulasten sind der Bosnier vor allem die Transferflops. Salihamidzic hat sich für Spieler wie Bouna Sarr oder Omar Richards eingesetzt und sie nach München geholt, das Vertrauen und das investierte Geld konnten die Spieler allerdings nicht zurückzahlen. "Bis auf Alphonso Davies ging kein Spieler von Salihamidzic durch die Decke. Ein Sportvorstand wird an seinen Transfers gemessen und an nichts anderem", machte Behrenbeck deutlich.
Auf der anderen Seite konnte der Sportvorstand kaum eigene Transfererlöse generieren. Im Gegenteil: Stars wie Süle oder David Alaba verlassen den deutschen Rekordmeister ablösefrei. Salihamidzic versprüht kein Mia san Mia. Und mit dem Vertrag für Lucas Hernandez, der rund 18 Millionen Euro an der Säbener Straße verdienen soll, wurde zudem das Gehaltsgefüge der Münchner gesprengt.
"Dass Spieler vom FC Bayern wegwollen, gab es in der Vergangenheit so gut wie nie. Aber das Lewandowski ernsthaft überlegt, den FC Bayern zu verlassen, zeigt, dass er nicht mehr unbedingt daran glaubt, dass der Verein international noch zu den Topadressen gehört", analysierte Behrenbeck.
Zwischennote: 5
Der dritte FCB-Verantwortliche im Bunde ist Oliver Kahn. Ähnlich wie Salihamidzic fällt auch der Vorstandsboss des deutschen Rekordmeisters insbesondere durch eine schwache Kommunikation in dieser Spielzeit auf. "Kahn agiert unsichtbar. Wenn er was sagt, dann steckt wenig Inhalt dahinter. Er ist keine Führungspersönlichkeit", meinte Köhler.
International genießt der ehemalige Welttorhüter ein hohes Ansehen, ist ein wichtiger Vertreter bei der European Club Association und führt den Verein mit viel Ruhe. Allerdings steht der 52-Jährige als CEO viel zu selten im Mittelpunkt, spricht kaum einmal Klartext bei Personalfragen und redet häufig die Bayern-Probleme einfach schön.
"Kahn ist kein großer Kommunikator und koppelt sich oft ab, das ist intern ein großes Problem. Auch mit seiner CEO-Rede bei der Jahreshauptversammlung hat er keinen Fan mitgenommen", kritisierte Köhler. Der Unterschied im Auftritt zwischen ihm und den einstigen FCB-Leitwölfen Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge ist offensichtlich.
"Diese Kultur, der FC Bayern, dieser andere Verein, wird nicht gelebt. Das CL-Aus ist erst der Anfang, wenn es so weiter geht. Die Bayern-DNA ist in Gefahr. Sie haben viel weniger Geld als die großen Scheich-Klubs, haben das aber immer über die Familie kompensiert. Hoeneß und Rummenigge haben auf den Zusammenhalt immer ganz großen Wert gelegt", so Köhler. Kahn muss dort nun nach dem Königsklassen-K.o. als allererstes anpacken.
Zwischennote: 4-
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