Terzic-Taktik passt nicht zur DNA der Borussia
14.11.2023 | 10:20 Uhr
Die Leistungen von Borussia Dortmund in der laufenden Bundesligasaison passen nicht zu den Ansprüchen des Vizemeisters. Sky Experte Lothar Matthäus erklärt, was jetzt beim BVB passieren muss. Der Rekordnationalspieler schätzt die Lage der Trainer bei Union und in Köln ein und blickt auf die kommenden Länderspiele.
In der gesamten bisherigen Bundesligasaison haben die Leistungen von Borussia Dortmund nicht gestimmt.
Nachdem die Dortmunder in der zweiten Saisonhälfte der vergangenen Saison überragende Spiele gemacht hatten und auch mit dem Druck fertig wurden, hat mich der BVB in dieser Saison überhaupt noch nicht überzeugt.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Probleme allein am Weggang von Jude Bellingham liegen. Von den einzelnen Spielern her sind die Dortmunder gut aufgestellt, aber irgendwo passt es nicht mehr. Profis, die in der vergangenen Saison überragend gespielt haben, kommen nicht mehr an ihre Grenzen. Emre Can ist verletzt, Julian Brandt lässt sein Können ab und zu durchschimmern, aber auch seine Leistungen sind nicht konstant.
Was genau mit der Mannschaft passiert ist, kann ich von außen nicht beurteilen. Ich weiß nicht, wie die Atmosphäre in der Kabine ist oder wie das Verhältnis zwischen den Spielern und dem Trainer ist.
Gegen Newcastle hat man ihre Qualität gesehen und die Dortmunder haben aus den beiden Spielen sechs Punkte geholt, aber in der Bundesliga bleiben sie hinter den Erwartungen zurück. Wenn ihr Ziel ein Champions-League-Platz ist, sind sie immer noch in der Verlosung, aber ich glaube, dass sie gerade nach der letzten Rückrunde mit der verpassten Meisterschaft höhere Ambitionen hatten. Edin Terzic hat selbst gesagt, man wolle Pokale am Borsigplatz hochalten.
Der Rückstand auf die Plätze eins und zwei beträgt jetzt schon zehn, bzw. acht Punkte. Von daher sollte man sich jetzt fragen: Wie kriegen wir die Probleme in den Griff? Wie schaffen wir es, dass wir nicht nur Punkte holen, sondern vor allem auch sportlich überzeugen?
Das Können und die Qualität sind vorhanden. Sie haben einen Torjäger, schnelle Außenspieler wie Adeyemi und Malen und gute Mittelfeldspieler wie Brandt, Nmecha oder Can - das sind alles Nationalspieler. Man hat Geschwindigkeit, Erfahrung, Zweikampfstärke - die Mannschaft kann ganz sicher anders performen, aber sie ist verunsichert.
Warum hat man gegen Bayern so abwartend gespielt? Wenn sie mal mutig nach vorne gespielt haben, hat es phasenweise ordentlich ausgesehen. Man kann nicht gegen Bayern - und auch in Stuttgart - nur defensiv denkend spielen. Das ist nicht die DNA dieser Mannschaft.
Gegen Bayern standen fünf, sechs Offensivspieler auf dem Platz, aber Edin Terzic hat entschieden, kompakt hinten zu stehen und nach Ballgewinn schnell umzuschalten. Mit dieser Taktik hatten sich die Dortmunder ein bisschen angefreundet, mit ihr hatten bis zum Bayern-Spiel zumindest die Ergebnisse gestimmt. Aber den Erlebnisfußball, den man von Dortmund gewohnt war, spielen sie zurzeit nicht.
Zu meiner Zeit gab es, wenn es mal nicht lief, Teamsitzungen, auch mal ohne den Trainer und nur zwischen den Führungsspielern, in denen man sich gegenseitig wachgerüttelt hat. Klartext reden, sich einmal alles an den Kopf werfen, das ist es, was jetzt passieren muss.
Die Dortmunder sind noch im Pokal dabei und haben alle Chancen, in der Champions League zu überwintern. Deswegen gehe ich nicht davon aus, dass der Trainer unter Druck steht. Aber wenn die Ergebnisse und die Leistungen über längere Zeit nicht stimmen, kommen automatisch Diskussionen von außen. Wichtig ist, dass man intern offen und ehrlich miteinander umgeht und weiß, was falsch gemacht wird und was man besser machen muss.
Auch bei Union Berlin und beim 1. FC Köln wird man intern besprechen, was man machen kann, um die Krise zu stoppen. In Berlin und Köln ging es mit Urs Fischer und Steffen Baumgart in den vergangenen Jahren fast nur bergauf, jetzt stehen beide auf Abstiegsplätzen. Dass man angesichts der Erfolgsgeschichten, die beide Trainer in ihren Vereinen geschrieben haben, einen anderen Umgang miteinander hat, ist völlig normal. Man hat bei Union und Köln gesehen, dass das Innenverhältnis zwischen Trainer und Mannschaft nach wie vor in Ordnung ist. Ich habe nicht das Gefühl, dass zum jetzigen Zeitpunkt und trotz der schwierigen Tabellensituation, die Verantwortlichen in Berlin und Köln den Trainer infrage stellen.
Die deutsche Nationalmannschaft hat gegen die Türkei und in Österreich zwei Spiele vor sich, in denen die Gegner Probleme bereiten können. Die spannende Frage ist, wie sich Julian Nagelsmann das Zusammenspiel im zentralen Mittelfeld vorstellt.
Bisher haben Joshua Kimmich und Ilkay Gündogan im DFB-Team nicht zusammen funktioniert - aber Nagelsmann war bisher auch nicht ihr Trainer. Wenn Kimmich und Gündogan zusammenspielen, nehmen sie sich häufig/gerne ihre Stärken, weil beide den Ball fordern und bekommen. Mir fehlt dann das Bindeglied auf der Acht, wie ein Leon Goretzka, der mal einen Lauf macht, oder einer wie Pascal Groß, der Gündogan absichert.
Eigentlich müssten sie miteinander auskommen, weil beide intelligente Spieler mit hervorragenden Qualitäten sind, aber wenn sie sich gegenseitig im Weg stehen, wie Overath und Netzer in den Siebzigern, kann eben nur einer im Zentrum spielen.
Wenn man als Trainer zu dem Schluss kommen sollte, dass es mit beiden im Mittelfeld nicht funktioniert, hat man die Möglichkeit, Kimmich als Rechtsverteidiger einzusetzen auf einer Position, für die man vermeintlich noch keine optimale Lösung gefunden hat.
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