Rekordnationalspieler und Sky Experte Lothar Matthäus analysiert jede Woche exklusiv in seiner Kolumne "So sehe ich das" aktuelle Themen aus der Bundesliga und der Fußballwelt auf skysport.de. Dieses Mal blickt er auf den Rückrundenstart der Bundesliga, den Titelkampf und auf den FC Bayern.
In dieser Woche startet die wohl spannendste Rückrunde der letzten sieben Jahre in der Bundesliga. Der BVB ist der Gejagte und die Bayern sind der Jäger. Das ist für beide Mannschaften eine neue Rolle. Wer am besten damit umgehen kann, wird die Meisterschaft für sich entscheiden. Wenn ich die Situation beim deutschen Rekordmeister analysiere, fallen mir folgende Dinge auf:
Kovac setzt andere Akzente als seine Vorgänger
Niko Kovac ist nun sechs Monate da. Sowohl die Mannschaft hat sich nun an den neuen Chef gewöhnt, als auch der Trainer an seinen Arbeitgeber. Unter Kovac wird mehr und vor allem intensiver trainiert. Er legt den Fokus auf andere Dinge als seine Vorgänger Jupp Heynckes, Pep Guardiola oder Carlo Ancelotti. Der größte Unterschied liegt in der körperlichen Arbeit. Ich habe mir von einem Insider sagen lassen, dass das Kovac' Training so ausdauernd hart und intensiv ist, wie in den letzten zehn Jahre nicht.
Niko verlässt sich nicht nur auf das fußballerische Können. Sein Training ist ein Spiegelbild seiner eigenen Vorgehensweise als Spieler. Fleiß, Arbeit, ans Limit gehen. So war er früher, so ist er jetzt. Nach dem Motto: Geballte Fitness, Zweikämpfe gewinnen, 90 Minuten Gas geben und auch in der letzten Minute den entscheidenden Ball für sich gewinnen, geht er die tägliche Arbeit an.
Die Spieler haben das mittlerweile verinnerlicht, klagen nicht mehr über zweistündiges hartes Training. Und auch Niko Kovac hat sich an die große Hausnummer, die der FC Bayern ist, mittlerweile gewöhnt. Er ist nicht mehr allzu sehr überrascht, dass alles, was er sagt und tut überregional diskutiert wird. Ob er es mit der Rotation übertreibt, Aussagen über andere Spieler tätigt oder zwei Spiele in Folge nicht gewinnt. Bei Bayern ist alles größer wichtiger, wuchtiger.
Bayern wieder eine Einheit
Das hätte er vorher schon wissen müssen. Spätestens jetzt weiß er es und kann gut damit umgehen. Es ist ganz klar zu beobachten, dass die Mannschaft in den letzten Wochen vor der Winterpause wieder eine Einheit auf dem Platz war.
Davor regierten die Egos der Spieler. Kein Abklatschen, kein Aufbäumen wenn es mal nicht lief, der Blick zu Boden anstatt zum Mitspieler. Die Körpersprache ist jetzt eine andere. Ich denke, die Sitzung der Bosse mit den Führungsspielern vor einigen Wochen hat vieles zum Positiven bewirkt. Danach wurde auch dem Letzten klar: Wer nicht mitzieht, hat ein ordentliches Problem.
Es geht ja nicht darum, ob Lewandowski mit 30 Treffern Torschützenkönig wird oder Neuer zehn Mal in Folge zu Null spielt.
Es kamen in den letzten Tagen Kampf-Ansagen aus München Richtung Dortmund und das sind nicht nur hohle Phrasen. Ein Bayern-Spieler glaubt daran, sechs Punkte auf Borussia Dortmund in 17 Spielen aufholen zu können. Ein Bayern-Spieler glaubt daran, in der besten Mannschaft des Landes zu spielen. Im Kopf eines Bayern-Spielers sind es nicht sechs, sondern nur drei Punkte Rückstand auf den BVB. Schließlich muss der Tabellenführer noch nach München. Ich bleibe dabei, dass Dortmund das Titelrennen für sich entscheidet. Aber wenn es einer schaffen kann, sie einzuholen, dann natürlich die Bayern.
Neuer ist wieder da - Liverpool weiter Favorit
Neben dem wieder erlangten Teamgeist, ist auch Manuel Neuer wieder der Rückhalt, den diese Mannschaft braucht. Es gab einige Spiele und Siege ohne Gegentor. Manuel wurde in der Hinrunde zurecht oftmals kritisiert. Seine Leistungen waren ein bisschen das Spiegelbild der ganzen Mannschaft. Er ist wieder da und mit ihm das Team.
Die Aufholjagd der Bayern startet in Hoffenheim. Eine Mannschaft gegen die sich der Rekordmeister traditionell schwer tut. Wer den BVB allerdings einholen will und Liverpool aus der Champions League ausschalten möchte, der muss in Hoffenheim abliefern. Schließlich haben auch die Dortmunder mit Leipzig einen schweren Auftaktgegner. Der Start in die Rückrunde ist richtungsweisend. Und natürlich werden auch die Spiele gegen Liverpool ganz entscheidend für die weitere Stimmung in der Saison sein. Liverpool war, ist und bleibt mein Favorit auf den Sieg in der Königsklasse.
Müller-Sperre die Chance für James?
Trotzdem haben die Bayern natürlich ihre Chancen. Bitter ist die Sperre von Thomas Müller. Nicht nur weil seine Form aufsteigend war, sondern weil er als Typ auf dem Platz fehlt. Das könnte die Chance für James sein. In solchen Spielen muss er zeigen, wie wertvoll er für den Club ist. Nico könnte Martinez auf der Sechs spielen lassen und Thiago dafür offensiver aufstellen.
Generell hat Niko Kovac jetzt mehr Alternativen auf der Bank als noch in der Hinrunde und somit ein stärkeres Druckmittel für schwache Spieler. Alphonso Davies hat bei seinem Debüt Spaß gemacht. Zur kommenden Saison steht die Verpflichtung von Benjamin Pavard fest. Auf dem ersten Blick sind Preis-Leistung absolut in Ordnung.
Aber auch er wird merken, dass es bei Bayern nicht reicht, ein guter Fußballer zu sein. Es braucht auch einen starken Wettkampf-Charakter. In jedem Training muss er sich gegen gestandene Nationalspieler beweisen, die große Erfolge mit dem FC Bayern gefeiert haben.