Matthäus zu Bayern: Wenn deutschsprachig, dann Hasenhüttl
Kolumne "So sehe ich das"
27.03.2018 | 13:23 Uhr
Rekordnationalspieler und Sky Experte Lothar Matthäus analysiert jede Woche exklusiv in seiner Kolumne "So sehe ich das" aktuelle Themen aus der Bundesliga und der Fußballwelt auf skysport.de. Dieses Mal spricht er über die vermeintliche Tuchel-Absage und Bayerns Trainersuche.
Ja, vielleicht haben sich die Bayern ein wenig verzockt in der Trainerfrage, weil sie zu lange gewartet haben. Aber dann sollte es so sein. Ich glaube nicht, dass die Verantwortlichen in der Trainerfrage nervös werden. Sie wissen auch in solchen Situationen, was zu tun ist.
Gewünschtes Profil nicht leicht zu erfüllen
Sie haben sich nach Carlo Ancelotti für Jupp Heynckes entschieden und gehofft, dass er bleibt. Kein Wunder, bei der überragenden Arbeit, die Jupp leistet. Tuchel ist jetzt nicht mehr zu haben und das Profil, das Welt-Vereine wie der FC Bayern suchen, ist nicht so leicht zu erfüllen.
Am besten soll er ja Deutsch sprechen, bereits erfolgreich gearbeitet haben, Titel vorweisen und Stars sollte er auch führen können. Natürlich muss er auch ein Taktik-Experte sein und tollen Fußball zelebrieren lassen.
Tuchels Absage verständlich
Tuchel wird es also nicht - und ich kann auch dessen Seite verstehen. Er und sein Berater stehen seit Monaten in mehr oder weniger engem Kontakt mit internationalen Spitzen-Klubs wie Arsenal, Paris und Co.
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Er ist ein begehrter deutscher Top-Trainer und hat sich nun mit einem großen Klub geeinigt. Auch solche Angebote gibt es nicht alle Tage. Außerdem konnte er bis vor kurzem nicht davon ausgehen, dass die Bayern ihn auf jeden Fall verpflichten werden.
Conte mit Interesse, Wengers Zenit überschritten
Wenn die Bayern darauf beharren, dass der neue Chefcoach Deutsch sprechen muss, bleiben eigentlich nur die gehandelten Hasenhüttl, Kovac und Favre. Natürlich wäre auch Arsene Wenger ein Trainer, der unserer Sprache mächtig ist. Allerdings ist der Glanz früherer Tage bei ihm doch mittlerweile verblasst. Sein Zenit ist überschritten.
Ich habe gehört, dass die Seite von Chelsea-Coach Antonio Conte im Dezember Kontakt zu den Bayern aufgenommen hat. Der Italiener spricht kein Deutsch, ist aber ein überragender Trainer, der sehr viele Erfolge vorzuweisen hat.
Er war als Spieler und Trainer insgesamt acht Mal italienischer Meister. Als Spieler hat er zudem die Champions League und den UEFA Cup gewonnen, dazu wurde er in seinem ersten Jahr als Chelsea-Trainer Meister. Italienischer Nationaltrainer war Conte auch noch.
Dass auch Mauricio Pochettino von Brazzo Salihamidzic bei Bayern ins Spiel gebracht wurde, zeigt, dass der nächste Bayern-Trainer nicht unbedingt Deutsch können muss. Ein Vorteil wäre es aber allemal.
Deutschsprachig? Hasenhüttl passt am besten
Wenn es einer der deutschsprachigen Trainer werden sollte, die gerade gehandelt werden, würde für mich Hasenhüttl am besten passen.
Er lässt tollen, offensiven Fußball spielen. Er hat jetzt zwei Jahre sehr erfolgreich mit RB Leipzig gearbeitet, beachtliche Ergebnisse in den europäischen Wettbewerben geliefert und zuletzt mit Neapel und St. Petersburg zwei gute Teams ausgeschaltet. Mit der Unterstützung des Vereins, könnte er ganz gut zum Rekordmeister passen. Er hat den sogenannten "Stallgeruch", ebenso wie Niko Kovac.
Beide kennen die Liga, den Klub und die Bayern-Bosse. Sie standen bisher nur deshalb nicht ganz oben auf der Bayern-Liste, weil sie noch keine großen Erfolge vorzuweisen haben. Aber das heißt noch lange nicht, dass es bei Bayern nicht funktionieren würde. Für sie dürfte es auch kein Problem sein, in der öffentlichen Wahrnehmung nach Heynckes und Tuchel die dritte Wahl zu sein. Im Gegenteil. Für diese Trainer ist es eine großartige Auszeichnung, überhaupt das Bayern-Interesse zu wecken.
Tuchel hätte perfekte Bedingungen in Paris
Nochmal zurück zu Thomas Tuchel. Ich weiß nicht, was genau das Problem zwischen ihm und der BVB-Führung war. Fakt ist: Er hat die Qualität, jeden großen Klub zu trainieren, und würde sowohl Paris St. Germain als auch Arsenal London oder Chelsea gut zu Gesicht stehen. Ich selbst hatte vor zwei Tagen SMS-Kontakt mit Paris-Boss Nasser AL-Khelaifi. Er wollte mich treffen, ohne mir zu sagen, worum es genau ging. Die Personalie Tuchel fiel in unseren Gesprächen bisher aber nicht.
Paris benötigt spätestens nach den unwürdigen Auftritten gegen Real Madrid einen Mann, der den Stars Beine macht - und das könnte Tuchel. Natürlich wünscht sich der Klub-Eigner endlich den Gewinn der Champions League. Trotzdem ist er keiner, der seinem Trainer in die Aufstellung spricht. Tuchel hätte dort perfekte Bedingungen.
Premier League die größere Herausforderung
Er hat national erfolgreich gearbeitet, hat den DFB-Pokal gewonnen und der BVB-Fußball war unter ihm meistens toll anzuschauen.
Auch in der Champions League ist es ihm gelungen, richtig gute Spiele abzuliefern und nach dem tragischen Anschlag auf den Mannschaftsbus ist er im Viertelfinale gegen Monaco ausgeschieden.
Ich persönlich würde es begrüßen, wenn Thomas Tuchel in der Premier League landen würde. Der nationale Wettbewerb ist dort eine viel größere Herausforderung. Der Titelkampf, das Niveau der Teams und die Duelle mit Guardiola, Klopp oder Mourinho wären um einiges spannender als in Frankreich. Dort würde er fast ausschließlich an der Champions League gemessen.
Bayern-Bosse haben sich nichts vorzuwerfen
Ich finde nicht, dass die Bayern nun öffentlich ein schlechtes Bild abgeben. Sie haben bis zuletzt auf Jupps Verbleib gehofft. Das kann ihnen keiner übel nehmen, denn so gut wie Heynckes passt nun mal kaum einer an die Säbener Straße.
Tuchel ist nicht mehr zu haben und trotzdem bin ich mir sicher, dass die Bayern in naher Zukunft einen großartigen Fußballlehrer vorstellen, der mit dieser Mannschaft die Arbeit von Heynckes erfolgreich fortführen wird.