Im Schatten von Benzema: CR7-Nachfolger zündet endlich bei Real
04.05.2022 | 20:28 Uhr
Nach dem Abgang von Cristiano Ronaldo sollte Vinicius Junior die Lücke in der Offensive bei Real Madrid füllen. Doch der junge Brasilianer konnte den hohen Erwartungen drei Jahre lang nicht gerecht werden. Im vierten Jahr startet Vinicius im Schatten von Karim Benzema jedoch endlich durch. Und wie.
Es war die Kirsche auf dem Sahnehäubchen.
Reals Vinicius Junior tankte sich im La-Liga-Duell gegen Espanyol Barcelona auf der linken Seite durch, hob den Kopf und bediente mit einem maßgenauen Zuspiel Karim Benzema. Der Franzose musste aus kurzer Distanz nur noch einschieben. Das Tor zum 4:0-Endstand bedeutete vier Spieltage vor Schluss die 35. spanische Meisterschaft für die Königlichen. Vinicius und Benzema waren wie so häufig in dieser Spielzeit maßgeblich am Madrider Erfolg beteiligt.
Die beiden Offensivstars verstehen sich außerhalb des Platzes und auch auf diesem glänzend. "Vini ist ein Phänomen. Ich spiele sehr gerne mit ihm zusammen. Er hat unter Beweis gestellt, dass er das Zeug hat, immer für Real Madrid zu spielen. Ich freue mich sehr für ihn", sagte Benzema kurz nach Saisonbeginn über seinen kongenialen Partner. Doch das Verhältnis der beiden war nicht immer so rosig.
Vinicius wechselte 2018 im zarten Alter von 18 Jahren zu Real. Der Youngster sollte die Lücke füllen, die Superstar Cristiano Ronaldo nach seinem Abgang zu Juventus hinterlassen hatte. 45 Millionen Euro überwies der spanische Rekordmeister an Flamengo für Vinicius. Doch der Brasilianer konnte die Erwartungen zunächst nicht erfüllen.
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Der Linksaußen erntete lange Zeit von den Fans und der spanischen Presse viel Spott. Im Zentrum der Kritik standen vor allem sein schwacher Abschluss sowie seine mangelhaften Qualitäten bei der Entscheidungsfindung mit dem Ball am Fuß. "Es stört mich nicht. Ich bin der Erste, der weiß, dass man sich überall verbessern kann", erklärte Vinicius selbst in einem Interview einmal.
Doch nicht nur im Umfeld mehrten sich die kritischen Stimmen über die Leistungen des Brasilianers im königlichen Trikot. Auch Mitspieler Benzema war wenig begeistert über die Unproduktivität seines Mitspielers. Während des Champions-League-Gruppenspiels im Oktober 2020 bei Borussia Mönchengladbach machte der Stürmerstar seinem Unmut Luft.
Während der Halbzeitpause sagte er zu Mitspieler Ferland Mendy über Vinicius: "Er macht, was er will. Pass den Ball nicht zu ihm, Bruder. Beim Leben meiner Mutter, er spielt gegen uns." Viel größer kann die Kritik unter Fußballern gar nicht sein. Vinicius stand dabei sogar in unmittelbarer Nähe zu Benzema und Mendy, verstand aber kein Wort, da die Unterhaltung auf französisch war.
In seinen ersten drei Jahren in Madrid brachte Vinicius es in allen Pflichtspielen auf insgesamt 42 Torbeteiligungen. Zum Vergleich: Vorgänger Ronaldo erzielte allein in der Liga gleich zweimal in einer Saison mehr Treffer. 2011/12 waren es 46, 2014/15 gar 48. Klar ist der Vergleich mit einem der besten Spieler in der Geschichte für jeden Akteur unfair, doch die Diskrepanz bei den statistischen Werten ist enorm.
Doch in seinem vierten Jahr in der spanischen Hauptstadt hat Vinicius den Schalter umlegen können. Er zündet - und wie. 47 Pflichtspiele, 18 Tore und 19 Torvorlagen stehen bislang in der Bilanz des 21-Jährigen. Ende März gelang ihm zudem im Trikot der brasilianischen Nationalmannschaft sein erstes Länderspieltor im zwölften Spiel. Mit der Selecao fährt Vinicius im Winter auch zur WM nach Katar.
Nach drei Jahren Anlaufzeit läuft es beim Offensivakteur einfach rund. Selbst Pep Guardiola hatte vor dem Champions-League-Hinspiel seiner Citizens gegen Real nur lobende Worte für Vinicius übrig. "Meiner Erfahrung nach wird in Spanien immer alles genau geprüft. Er ist erst 21, hat sich perfekt eingelebt, regelmäßig gespielt, das spricht für sich", meinte der Startrainer angesprochen auf die Entwicklung von Vinicius.
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"Du bist jungen und der Druck in diesen Teams ist zu gewinnen und zu gewinnen. Wir spielen nicht aus Selbstverständlichkeit hier, wir spielen gegen Leute, die es verdient haben. Sonst spielen stattdessen fünf, sechs andere Spieler", ergänzte Guardiola und machte damit deutlich, dass er viel von den Qualitäten der Nummer 20 Reals hält.
Eine Kostprobe seiner Klasse gab Vinicius dann selbst im Etihad Stadium. Nach einem Sololauf über das halbe Feld erzielte der 21-Jährige das zwischenzeitliche 2:3. Vinicius ist Schlüsselspieler und Leistungsträger der Madrilenen und kann mittlerweile auch in großen Spielen für große Momente sorgen. Im Viertelfinale gegen den FC Chelsea bereitete er den entscheidenden Treffer in der Verlängerung von Benzema vor.
Am Durchbruch des Brasilianers hat auch Carlo Ancelotti seinen Anteil. Der Real-Coach hielt trotz aller Kritik immer an Vinicius fest und gab ihm Ratschläge. "Ich habe ihm gesagt, dass es als Stürmer sehr schwierig ist, nach vier oder fünf Ballkontakten ein Tor zu machen. Er braucht nur ein oder zwei Ballkontakte und soll dann den Torabschluss suchen. Das habe ich ihm erklärt", sagte Ancelotti kurz nach Saisonstart.
Blitzschnell und stark in Eins-gegen-Eins-Situationen war der Linksaußen schon zuvor. Unter Ancelotti hat er allerdings vor allem in Sachen Torgefährlichkeit, im Passspiel sowie in der Entscheidungsfindung deutliche Sprünge nach vorne gemacht. "Ich pushe ihn im Training, sage ihm, dass er sich auf die Arbeit fokussieren soll. Er bewahrt vor allem vor dem Tor jetzt einen kühleren Kopf", lobte der Italiener.
Vinicius liefert konstante Leistungen und ist nicht aus der ersten Elf von Ancelotti wegzudenken. Das Ziel für den Saisonschlussspurt ist klar: Nach der Meisterschaft soll nun auch der Henkelpott nach Madrid geholt werden. Dafür wurde er vor vier Jahren als Ronaldo-Nachfolger geholt. Mit diesem Erfolg würde Vinicius wohl auch seine letzten Kritiker verstimmen lassen.
"Vini ist ein junger Spieler, der jetzt Erfahrung in diesem Klub hat. Ich rede viel mit ihm und wenn ich ihm dabei helfen kann, dass er noch erfolgreicher in Madrid ist, werde ich das tun, denn ich glaube an ihn. Er ist ein Top-Spieler", hielt Real-Kapitän Benzema ein deutliches Plädoyer für seinen Mitspieler nach dem Champions-League-Gruppenspiel bei Inter Mailand.
Benzema und Vinicius - ein kongeniales Offensivduo, das sich versteht. Die einst scharfe Kritik des französischen Routiniers am Brasilianer ist längst Schnee von gestern. Vinicius liefert und macht nicht nur Benzema, sondern ganz Real froh.
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