Matthäus-Kolumne: "So sehe ich das"
05.11.2019 | 18:37 Uhr
Rekordnationalspieler und Sky Experte Lothar Matthäus analysiert jede Woche exklusiv in seiner Kolumne "So sehe ich das" aktuelle Themen der Fußballwelt auf skysport.de. Diese Woche blickt er auf das Titelrennen zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund.
Das Saisonfinale spitzt sich langsam aber sicher zu und mein Eindruck nach den beiden letzten Spieltagen ist: im Endspurt scheinen die Bayern fokussierter, konzentrierter und vor allem selbstbewusster zu sein. Sie können mit dem nun aufkommenden Druck besser umgehen. So gut wie jeder Bayern-Spieler ist es gewohnt, kurz vor einem Titelgewinn zu stehen und in solchen Situationen genau das Richtige zu tun.
Die junge und etwas unerfahrenere Mannschaft von Borussia Dortmund scheint das zu sehr zu beschäftigen. Während Bayern nach dem 5:0 in der letzten Woche, souverän mit 4:1 bei Fortuna Düsseldorf gewinnt, zittert sich der BVB zum Heimsieg gegen Mainz. Sie hatten allergrößte Mühe ihr Spiel durchzubringen und wirkten, wie schon in München, körperlich müde. Das wundert mich auch deshalb, weil sie keine englischen Wochen mehr haben. Physisch und psychisch scheinen sie Probleme zu haben. Gut möglich, dass sie sich zu viele Gedanken machen und nun auch deshalb schwere Beine haben.
Sie müssen in Dortmund wieder mutiger sein und an sich glauben. Die Leichtigkeit ist ihnen abhanden gekommen. Dabei können sie nach wie vor extrem stolz auf die bisherige Bundesliga-Saison sein. Dass die Meisterschaft weiterhin so spannend ist, liegt schließlich auch am tollen Fußball, den der BVB über weite Strecken abgeliefert hat. Wenn sie wirklich Meister werden wollen, müssen sie den aber wieder zeigen.
Die Bayern scheinen nach den Unentschieden in Freiburg keinen Gegner mehr auf die leichte Schulter zu nehmen und bis zur letzten Minuten Vollgas zu geben. Wenn überhaupt, sehe ich nur noch das Spiel in Leipzig als Stolperstein. Selbst wenn RB die Champions-League-Teilnahme bis dahin sicher hat, werden sie zeigen wollen, dass sie mit den Großen mithalten können, und versuchen die Bayern zu schlagen. Sie waren in der Vergangenheit oft knapp dran. Allerdings muss der BVB alles tun, damit der Abstand bis dahin nicht auf drei oder vier Punkte angestiegen ist. In Freiburg, gegen Schalke und in Bremen - das ist gefühlt doch ein wenig komplizierter als Bayerns Programm daheim gegen Bremen, in Nürnberg und gegen Hannover.
Zwei komplizierte Auswärtsspiele für Dortmund und das Derby, bei dem der vermeintlich schwächere oft ein Stolperstein ist. Der BVB muss wieder mehr tun, weiter an den großen Traum glauben und bis zum vorletzten Spieltag alles daran setzen, um dranzubleiben. Dann könnte der 33. Spieltag mit dem Heimspiel gegen die Fortuna ihnen in die Karten spielen.
Bei der Partie der Bayern in Düsseldorf ist mir abgesehen von der tollen Leistung des Kovac-Teams eines besonders aufgefallen: Sie haben den Umbruch auf den Flügeln endgültig vollzogen. Coman und Gnabry sind nun in die riesengroßen Fußstapfen von Arjen Robben und Franck Ribery getreten. Kovac hat es heimlich, still und leise geschafft, dass man die Qualität der legendären Flügelzange nicht mehr vermisst. Genau wie "Robbery" sind Coman und Gnabry schnell, dribbelstark und torgefährlich.
Sie verstehen es, Müller und Lewandowski in Szene zu setzen und oft genug selbst zu glänzen. Sie schaffen es regelmäßig bis zur Grundlinie oder ziehen im richtigen Moment nach innen. Ich wünsche es Arjen und Franck von ganzem Herzen, dass sie in dieser Saison noch das eine oder andere Mal im Trikot des FC Bayern auflaufen und den Abschied bekommen, den sie sich so sehr verdient haben.
Trotz der beiden jungen Top-Spieler werden die Bayern noch mindestens einen Star für die Außenbahn holen. Auch Timo Werner kann dort spielen. Genauso wie er auch als Doppelspitze glänzen kann. So macht er das in Leipzig teilweise mit Poulsen. Werner zu Bayern würde weiterhin sehr viel Sinn machen.
Zu hoffen bleibt nun noch, dass sich Manuel Neuer nicht allzu sehr verletzt hat. Ulreich ist ein guter Bundesliga-Torhüter, aber einen Manuel Neuer kann man schwer 1:1 ersetzen. Allen Spielern gibt ein solcher Rückhalt nochmal eine extra Portion Sicherheit. Ansonsten hat Niko Kovac die Rotation im Saison-Endspurt abgeschafft. Er hat seine Mannschaft gefunden und mit dieser wird er nun nach dem Double greifen.